Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) hat erstmals Referenzdaten zur Inspektion von Rotorblättern mit Thermografie erhoben. Zuvor hatten die Projektpartner*innen die Methode in einer Machbarkeitsstudie erfolgreich getestet. Der erste Referenzdatensatz mit qualitativ hochwertigen Messungen aus mehreren Windparks ermöglicht es, KI-Algorithmen zur automatischen Bildauswertung zu trainieren und damit das innovative Verfahren einen Schritt näher an die Anwendung zu bringen.
Mit dem Verfahren werden Erosionsschäden an Rotorblättern sichtbar gemacht, die Verwirbelungen bewirken und damit für Leistungseinbußen der Windturbine verantwortlich sind. Durch die frühzeitige Detektion und Klassifizierung dieser Schäden können Wartungen zielgerichteter und deutlich effizienter durchgeführt werden.
Insgesamt lässt sich die Leistung von Windenergieanlagen im Jahresschnitt um bis zu zwei Prozent steigern. Die Thermogramme werden mit komplexen Bildverarbeitungs- und KI-Algorithmen analysiert. Bisher jedoch fehlte es an qualitativ hochwertigen Messdaten, um die Algorithmen trainieren zu können.
Im Rahmen einer neuen Studie haben BAM, das Magdeburger Start-up LATODA und das Berliner Unternehmen ROMOTIONCAM™, das auf die visuelle Inspektion von Windturbinen spezialisiert ist, einen umfangreichen Referenzdatensatz erhoben. Dazu wurden an 30 Windturbinen in Deutschland und in Norwegen mit dem patentierten System über 2200 hochaufgelöste Bilder Fotos und zusätzlich mit einer Infrarotkamera über 1200 Thermogramme von Rotorblättern im laufenden Betrieb aufgenommen.
Die gleichzeitige Erfassung visueller und thermografischer Daten ermöglichte einen präzisen Vergleich der Ergebnisse, wodurch die Referenzdaten deutlich aussagekräftiger wurden. LATODA hat anschließend damit seine KI-Bildauswertung zur Analyse der Thermogramme trainiert und sogenannte „Turbulenzkeile“ und Verwirbelungsmuster automatisch erkannt und klassifiziert.
Der resultierende über 10 Gigabyte große Referenzdatensatz steht allen Interessierten aus Wissenschaft und Industrie demnächst über das EU-Portal Zenodo kostenlos zur Verfügung. Er soll dazu dienen, das neue Inspektionsverfahren, das Thermografie und KI kombiniert, schnell in die Anwendung zu bringen.
„Benötigt werden in der jetzigen Entwicklungsphase des Systems von der Industrie qualitativ hochwertige realen Messungen, um mit ihnen die KI-basierten Auswertealgorithmen trainieren zu können“, erklärt Michael Stamm, Leiter des Projekts an der BAM. „Diese Algorithmen sind entscheidend, um Inspektionsdaten effizient auszuwerten und frühzeitig Materialermüdung oder Erosionsschäden erkennen zu können, bevor sie zu ernsthaften Problemen führen.“
Lars Osterbrink, technischer Projektleiter bei LATODA, betont: „Unsere KI-basierten Algorithmen können auch auf andere Bereiche der Windenergie übertragen werden, etwa zur Erkennung struktureller Schäden im Inneren von Rotorblättern dienen. Dies könnte die Gefahr von Belastungsbrüchen und anderen Schäden erheblich reduzieren.“