Das Deichvorland mit seinen Salzwiesen spielt eine zentrale Rolle im vorbeugenden Küstenschutz an der Nordsee. Mit dem klimabedingten Anstieg des Meeresspiegels kann das Vorland jedoch nicht überall schnell genug mitwachsen. Lahnungsfelder können hier unterstützen. Die Wirkungsweise und Optimierung dieser Bauwerke untersuchen Wissenschaftlern der TU Braunschweig gemeinsam mit Partnern. Ziel ist es, Küstenschutzbehörden und Planern Computermodelle an die Hand zu geben, mit denen sie die Auswirkungen von Bauwerksveränderungen und Meeresspiegelanstieg auf die Sedimentablagerung und damit auf die Verschlickung von Lahnungsfeldern besser vorhersagen können.
Der Klimawandel beschleunigt die Erosion der Küste. Insbesondere Ökosysteme im Deichvorland wie Salzwiesen sind dadurch zunehmend bedroht. Salzwiesen dienen als natürliches Küstenschutzelement, weisen eine hohe Biodiversität und Lebensraumvielfalt auf und wirken zudem als Kohlenstoffsenke zur Speicherung von klimarelevanten Kohlenstoffen. Das Deichvorland hat in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, zu einem gewissen Grad mit dem steigenden Meeresspiegel mitwachsen zu können. An manchen Küstenabschnitten geschieht dies jedoch nicht schnell genug. Hier können Lahnungsfelder eingesetzt werden.
Lahnungsfelder als „Sedimentfalle“
Lahnungsfelder sind heute seeseitig des Deiches zumeist rechteckige Felder, die aus einer Kombination von Holzpfählen und Buschpackungen, sogenannten Faschinen, bestehen. Sie dienen als „Sedimentfalle“ und verstärken die lokale Ablagerungsrate von im Wasser schwebenden Sedimenten. Schon vor mehreren Jahrhunderten wurden solche Felder angelegt, um über mehrere Jahrzehnte hinweg Meer in Land zu verwandeln. Die Landgewinnung hat in der Vergangenheit weite Teile der norddeutschen Küste geprägt.
Heute ist diese Landgewinnung im Weltnaturerbe Wattenmeer jedoch kein Ziel mehr. Die Lahnungsfelder werden jetzt ausschließlich als naturnahes Küstenschutzelement erhalten. „Als Anpassungsmaßnahme an den steigenden Meeresspiegel bieten Lahnungsfelder das Potenzial, Salzwiesen weiter zu sichern und hiermit die Belastung auf Deiche zu verringern“, sagt Felix Spröer, Projekt-Mitarbeiter am Leichtweiß-Institut für Wasserbau der TU Braunschweig.
Bau und Erhalt der Lahnungsfelder basieren überwiegend auf jahrhundertelang überliefertem Wissen und wenigen vorhandenen Forschungsberichten. Die wissenschaftlich begleitete Analyse von Lahnungsfeldern hat daher das Ziel, die Wirkungsweise dieses Küstenschutzelements besser zu verstehen und weiter zu verbessern.
Messkampagne im Watt
Zusammen mit dem Ludwig-Franzius-Institut für Wasserbau und Ästuar- und Küsteningenieurwesen der Leibniz Universität Hannover (LUFI), dem Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein (LKN.SH) und dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) haben die Wissenschaftler der TU Braunschweig bereits erste Messungen vor Ort durchgeführt.
Während das LUFI in einem Lahnungsfeld auf der nordfriesischen Insel Pellworm und an der Küste bei Hilgenriedersiel periodisch Messungen vorgenommen hat, errichtete die Abteilung Hydromechanik, Küsteningenieurwesen und Seebau des LWI eine dauerhafte Messeinheit zusammen mit dem LKN.SH im Watt. Der Messturm misst berührungslos dauerhaft die Wellenbewegung und -richtung, wird im Sinne des Naturschutzes über eine Brennstoffzelle mit Strom versorgt und liefert über das Mobilfunknetz Daten in Echtzeit direkt in die Büros der Wissenschaftler nach Braunschweig. „So können vor allem auch Sturmflutereignisse sicher vermessen werden“, erklärt Felix Spröer. Aus den gesammelten Messdaten erhoffen sich die Forschenden Erkenntnisse über die hydraulisch-morphologischen Wechselwirkungen zwischen Lahnungsfeldern und Deichvorland.
Versuche am Leichtweiß-Institut für Wasserbau
Zusätzlich zu den Feldmessungen finden Experimente in den Wellenkanälen in Braunschweig und Hannover statt, um die detaillierte Interaktion von Wellen und Strömungen mit Lahnungen und auch Lahnungsfeldern zu untersuchen. In der Natur überlagern sich komplexe Prozesse – wie Strömung, Wellen, Wind, lokale Boden- und Sedimentbeschaffenheit und menschliche Einflüsse –, was eine Detailanalyse im Labor erleichtert.
Aus den Erkenntnissen aus Feldforschung und Laborversuchen wollen die Wissenschaftler*innen schließlich Variationen des Aufbaus von Lahnungsfeldern in detaillierten Computermodellen evaluieren. Diese sollen die Interaktion von Lahnungen, Strömung und Wellen, Sediment und lokaler Vegetation für verschiedene Varianten abbilden. Auf diese Weise wollen die Forschenden Verbesserungsmöglichkeiten für die Lahnungsfelder herausarbeiten, die dann in Reallaboren weiter getestet werden können. Die Forschungsergebnisse können ein weiteres Element für einen naturnahen, nachhaltigen Küstenschutz zur Anpassung an den Klimawandel sein.