Nach fünf Jahren neigt sich das Projekt Zukunftslabor Agrar (ZLA) dem Ende zu. Forschungseinrichtungen aus Niedersachsen, darunter das DFKI, untersuchten Aspekte der digitalisierten Landwirtschaft der Zukunft. Bei dem Konzept Spot Farming ist ein Feld keine homogene Fläche. Teile werden, zum Erhalt der Umwelt und zur Steigerung des Ertrags, unterschiedlich bepflanzt. Für die Bewirtschaftung sollen neuartige Maschinen wie Roboter zum Einsatz kommen. Im ZLA wurde die Technik näher betrachtet. Gleichzeitig ergibt eine Bestandsaufnahme: Es fehlt eine durchgängige Digitalisierung in der Branche. Agrarbetriebe können verpflichtende Dokumentationen bei Behörden zum Teil nur per Post abliefern.
Spot Farming kehrt die gewachsene Denkweise in der Landwirtschaft um. Nutzpflanzen wie Mais oder Kartoffeln werden heutzutage, ausgerichtet auf die Schlagkraft großer Landmaschinen, auf weiten gleichförmig behandelten Feldern angebaut. Dünger und Pflanzenschutzmittel machen es möglich, Standortnachteile einzelner Pflanzen auf Böden oder Lagen auszugleichen und gute Erträge zu erzielen.
Professor Jens Wegener vom Julius Kühn-Institut hat 2017 die Idee des Spot Farming mitentwickelt: „Künftig werden die Ressourcen für so eine pauschale Herangehensweise limitiert sein. Auch das Wetter führt durch den Klimawandel zu einer großen Herausforderung für den Pflanzenbau. Ziel des Spot Farming ist es, unterschiedliche Pflanzen dort anzubauen, wo sie jeweils optimale Wachstumsbedingungen vorfinden. Damit werden sie resilienter, ertragreicher und wir schützen unsere Umwelt.“ Danach müsse sich auch die Technik ausrichten. Benötigt werden für die Spots kleinere Maschinen, Roboter.
Bisher existiert der Ansatz aber nur in der Theorie. „Im ZLA sind wir auf dem Weg hin zur Realisierung von Spot Farming eklatante Schritte weitergekommen“, so Wegener. Das Institut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz am Julius Kühn-Institut entwickelte im ZLA unter anderem die agrarwissenschaftliche Methode, wie man Spots unterschiedlicher Wachstumsbedingungen in einem Feld, basierend auf öffentlich verfügbaren Geodaten, identifiziert.
Zusammen mit DFKI-Forschenden entstand ein Tool, mit dem automatisiert Feldkarten mit Spots erstellt werden, die mit Robotern bewirtschaftet werden können. Die TU Braunschweig konstruierte einen physischen Prototyp einer Universalsämaschine, die die Saat in idealen Abständen für das Wachstum der Pflanzen in die Erde einbringt und an einem Roboter befestigt wird.
Funktionstüchtige Roboter sind Grundlage
Damit später einmal Spots auf dem Feld von Robotern angesteuert und bearbeitet werden können, müssen sich diese in ihrem Umfeld zurechtfinden. Die grundlegende Technologie dafür wurde im ZLA vom DFKI-Forschungsbereich Planbasierte Robotersteuerung vorangebracht. Forschende bauten eine semantische Karte mit Geo- und Umgebungsdaten eines realen Bauernhofs auf. Mittels dieser Karte konnte ein Roboter seine Umgebung wahrnehmen, verstehen, darin navigieren und autonom über den Betrieb fahren. Informationen, wie ein Feld beim Spot Farming aufgeteilt ist, könnten hier in Zukunft ebenfalls einbezogen werden.
Informatikprofessor Joachim Hertzberg von der Universität Osnabrück, Sprecher des Projekts ZLA, sagt: „Roboter ermöglichen neue Prozesse in der Landwirtschaft. Durch das Projekt ZLA haben wir deutlich gesehen, dass das keine Fantasie ist. Die Technik kann zum Beispiel beim Spot Farming in Pflanzenbauprozessen eingesetzt werden, die mit den heute üblichen Maschinen nicht möglich sind.“
Auch die Arbeiten der Hochschule Osnabrück im Rahmen des ZLA zahlen perspektivisch auf das Spot Farming ein. Mithilfe eines GPS-gesteuerten Roboters wurden automatisiert an verschiedenen Stellen eines Feldes Daten zur Bodenverdichtung erhoben. In Bereichen mit einer hohen Dichte ist Wasser für die Pflanzen schlechter verfügbar, was Auswirkungen auf den Ertrag hat. Diese Informationen können zusätzlich bei der Spot-Kartierung berücksichtigt werden.
Ohne Daten keine KI und Robotik
Was es für intelligente, digitale Technologien immer braucht, sind Daten. Diese stehen aber nicht immer einfach zur Verfügung. Benjamin Kisliuk, Wissenschaftler am DFKI, stellt fest: „Damit ein Roboter auf einem Betrieb selbstständig arbeiten kann, braucht es einen Digital Twin, also ein virtuelles Abbild der Wirklichkeit. Wenn man wissen will, wo zum Beispiel Feldgrenzen verlaufen, braucht man die entsprechenden Geodaten. Aber nicht in jedem Bundesland können diese einfach so abgerufen werden. Während sie zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen einfach heruntergeladen werden können, schreibt man bei uns in Niedersachsen erstmal eine E-Mail an das Amt.“
Diese Beobachtung deckt sich mit den Befunden anderer Arbeiten im ZLA. Produzenten in der Landwirtschaft haben verschiedene Melde- und Aufzeichnungspflichten zu erfüllen. Das Thünen-Institut analysierte die Datenflüsse zwischen Landwirtschaftsbetrieben aus der Nutztierhaltung und staatlichen Stellen, Veterinärämtern sowie Qualitäts- und Zertifizierungsstellen.
Sie stellten fest: Die Datenerhebung auf den Betrieben läuft meist nicht voll automatisiert z.B. über Sensoren, sondern oft manuell, z.B. über Eingaben in ein digitales Farmmanagementsystem. Die Übermittlung der Daten an die Kontrollstellen stellt dann eine weitere Hürde für den Datenfluss dar. Sie erfolgt auf unterschiedliche Arten. Am häufigsten werden Daten aufbewahrt, um sie bei einer Vor-Ort-Inspektion vorzeigen zu können. Der Postversandt wird ebenfalls häufig eingesetzt und es wird auch noch gefaxt.
Joachim Hertzberg: „Einheitliche digitale Schnittstellen existieren in der Interaktion zwischen den Akteuren in der Landwirtschaft noch nicht, sind aber unbedingt erforderlich. Die Politik muss diese ermöglichen, ähnlich wie heute schon für die Steuererklärung. Landwirtinnen und Landwirte können sonst mit den Daten aus ihren digitalisierten Prozessen gegenüber den Behören erstmal nichts anfangen und haben eine Menge Zusatzarbeit.“
Transformation gelingt nur mit den Menschen
Damit die Transformation hin zu datenbasierten KI-Analyseinstrumenten und neuen Konzepten wie dem Spot Farming gelingen kann, darf neben den technischen Voraussetzungen auch die soziale Komponente nicht vernachlässigt werden, bekräftigt Prof. Silke Hüttel von der Georg-August-Universität Göttingen, Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung, im ZLA.
„Wir brauchen das Digitale in der Landwirtschaft. Idealerweise wird es das neue Normal, um unser Klima und die Umwelt zu schützen. Gleichzeitig sind einige Leute noch skeptisch, halten an dem Bewährtem fest. Wir müssen Beweise anführen, die zeigen, dass digitale Technologien ökologisch, ökonomisch und sozial sinnvoll sind.“
Mit ihrem Team hat Silke Hüttel im ZLA Landwirtinnen und Landwirte aus dem Zuckerrübenanbau aus Nord- und Westdeutschland befragt, um herauszufinden, welche Faktoren die Akzeptanz und die Nutzungsbereitschaft für autonome Roboter beeinflussen.
Es zeigte sich: Landwirtinnen und Landwirte können sich insbesondere dann vorstellen, autonome Roboter einzusetzen, wenn diese wirksam sind, also zuverlässig arbeiten und keine Zusatzarbeit verursachen. Zudem wollen sie die Kontrolle behalten. Wenn sie mit ihrer aktuellen Verfahrensweise gut zurechtkommen, sind sie eher zurückhaltend. Zuspruch durch positive Signale aus der Bevölkerung wirken sich positiv auf die Einstellung aus, Robotik zu nutzen.