Das Pariser Klimaabkommen fordert, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen CO₂-Emissionen gesenkt und bereits ausgestoßenes CO₂ wieder aus der Atmosphäre entfernt werden. Ein Team um die LMU-Forscher Yiannis Moustakis und Julia Pongratz zeigt nun, dass großflächige Aufforstung einen wichtigen Beitrag dazu leisten kann. Simulationen der Forschenden zeigen, dass Temperaturspitzen und auch die Temperatur zum Ende des Jahrhunderts reduziert und die Dauer, in der die globale Temperatur das 1,5-Grad-Ziel überschreitet, verkürzt werden könnte, wie sie im Fachmagazin Nature Communications berichten.
Aufforstung ist derzeit die am häufigsten angewandte Methode, um CO₂ aus der Atmosphäre zu entfernen. „Insgesamt hat die Staatengemeinschaft bereits jetzt mit bis zu 490 Millionen Hektar bis 2060 ehrgeizige Aufforstungsziele angekündigt, und diese Zahl wird wahrscheinlich noch steigen, wenn mehr Staaten ihre Langzeit-Pläne vorlegen. Wir wollten herausfinden, wie stark diese Maßnahmen das Klima beeinflussen können“, sagt Moustakis. „Um ihre Effekte im Detail zu untersuchen, müssen hochmoderne Modelle eingesetzt werden, die einen interaktiven Kohlenstoffkreislauf darstellen können, der verschiedene Prozesse und Rückkoppelungseffekte berücksichtigt.“
Modellierung mit mehr als 1200 Szenarien
Die Forschenden nutzten eine bisher unerreichte Zahl von mehr als 1200 Szenarien aus sogenannten Integrated Assessment Models (IAMs) – diese Modelle verknüpfen klimapolitische Maßnahmen mit künftigen Energie-, Wirtschafts-, Landnutzungs- und Klimadatenentwicklungen – sowie Prioritätenkarten zur Renaturierung und Daten zur Biodiversität, um ein ambitioniertes Aufforstungs-Szenario zu entwickeln. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowohl technische und wirtschaftliche Herausforderungen als auch sozioökonomische Aspekte bei der Aufforstung berücksichtigen und gleichzeitig auch die Biodiversität und Flächenverfügbarkeit in den Ländern einbeziehen.
Auf dieser Basis entwickelten die Forschenden ein Szenario, das bis 2060 eine Aufforstungsfläche von 595 Millionen Hektar (Mha) und bis 2100 von 935 Mha vorsieht. „Dies ist definitiv ein anspruchsvolles Szenario, und man könnte natürlich die Durchführbarkeit solch ehrgeiziger Bemühungen in Frage stellen. Es ist jedoch nicht willkürlich ehrgeizig gewählt“, betont Moustakis.
„Wir haben versucht, ein Szenario zu entwickeln, das in der Größenordnung der weltweiten Länderpopulationen liegt, es bis zum Ende des Jahrhunderts auszudehnen und seine räumlichen und zeitlichen Rahmenbedingungen durch technisch-wirtschaftliche Erwägungen einzuschränken, dabei aber gleichzeitig die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt so gering wie möglich zu halten.“
Dieses Aufforstungsszenario wurde dann mit dem Erdsystemmodel des Max-Planck-Instituts für Meteorologie analysiert, das die Auswirkungen der Aufforstung auf das Klima simulieren kann. Dabei gingen die Simulationen von einem sogenannten ‚Overshoot‘-Szenario aus, also einem Klimaszenario, bei dem der Emissionsverlauf so aussieht, dass die globale Durchschnittstemperatur zunächst über das 1,5°C-Ziel hinausschießt, bevor sie gegen Ende des Jahrhunderts wieder unter diesen Wert sinkt. „Da sich einschneidende Klimaschutzmaßnahmen immer weiter verzögern, werden solche Szenarien immer wahrscheinlicher“, erklärt Moustakis.
Durchschnittstemperatur sinkt, Überschreitungsdauer verkürzt
Die Ergebnisse der Simulationen zeigen, dass ambitionierte Aufforstungsmaßnahmen das Klima signifikant beeinflussen könnten. So könnte die globale Spitzentemperatur in der Mitte des Jahrhunderts durch Aufforstung um 0,08°C gesenkt werden, während die Endtemperatur am Ende des Jahrhunderts um 0,2°C niedriger ausfallen würde als ohne Aufforstung. Darüber hinaus könnte die Dauer, in der die globale Temperatur das 1,5-Grad-Ziel überschreitet, um 13 Jahre verkürzt werden. Der Einfluss der Aufforstung auf die globale Temperatur wird bereits ab dem Jahr 2052 deutlich.
Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Simulationen ist, dass Nebeneffekte der Aufforstung auf das Klima deren positive Auswirkung über die CO2-Aufnahme nicht überwiegen: Aufforstung hat nicht nur Auswirkungen auf die Kohlenstoffspeicherung, sondern sie verändert auch physikalische Eigenschaften der Erdoberfläche, wie die Albedo – also die Reflexionsfähigkeit der Erdoberfläche – und die Verdunstung von Wasser. Dies kann in einigen Regionen zu einer leichten Erwärmung führen. Doch wie die Studie zeigt, überwiegt die kühlende Wirkung der CO₂-Aufnahme, da die durch Aufforstung verursachte lokale Erwärmung nicht stark genug ist, um den Kühlungseffekt aufzuheben.
„Diese Ergebnisse zeigen, dass globale Aufforstung tatsächlich einen wichtigen Beitrag zur Abschwächung des Klimawandels leisten kann, wenn sie im großen Stil angewendet wird“, sagt Moustakis. „Sie ist aber kein Allheilmittel und muss in einem umfassenderen Rahmen betrachtet werden, der sozioökonomische Auswirkungen gleichermaßen berücksichtigt. Einen Wald zu pflanzen, könnte einerseits Arbeitsplätze und Einkommen schaffen und Ökosystemdienstleistungen begünstigen, aber es könnte den Menschen auch ihre Lebensgrundlage entziehen, die Armut verschärfen, Menschen finanziell oder räumlich vertreiben und lokale Nahrungsnetzwerke beeinträchtigen.“