Wildtiere sind weniger anfällig für Störungen durch den Menschen, wenn sie in Gebieten mit großem menschlichen Fußabdruck leben. Das zeigt die Auswertung von Potsdamer Forschenden einer groß angelegten Besenderung von mehr als 1.500 Wildtieren für ein internationales Forschungsprojekt. Tiere, die mit Messgeräten wie GPS-Halsbändern ausgestattet werden, erholten sich von der Markierung schneller, wenn sie in ihrem Lebensraum häufiger auf Menschen oder deren Spuren treffen. Sie sind offenbar bereits an derartige Störungen angepasst. Auffällig war, dass Tiere in den ersten Tagen nach der Besenderung unterschiedlich reagierten, je nachdem, ob sie Pflanzen-, Alles- oder Fleischfresser waren.
Pflanzenfresser wanderten weiter und reagierten unterschiedlich aktiv, während Allesfresser und Fleischfresser zunächst weniger aktiv und mobil waren. Die Ergebnisse der Analyse wurden nun im Journal „Nature Communications“ veröffentlicht.
Die Kennzeichnung von Wildtieren liefert wichtige Erkenntnisse über ihre Bewegungen, Physiologie und Verhalten inmitten globaler sich verändernder Ökosysteme. Allerdings kann der Stress, der durch den Fang, die Handhabung und die Markierung ausgelöst wird, sich auf die Fortbewegung und Aktivität der Tiere auswirken und damit auch die Aussagekraft der Messdaten beeinträchtigen.
Deshalb haben Potsdamer Forschende um Jonas Stiegler und Niels Blaum, in Zusammenarbeit mit über 100 weiteren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern weltweit, die Daten von 1585 Individuen aus 42 Arten analysiert, die mit GPS-Halsbändern ausgestattet worden waren.
„Wir haben über einen Zeitraum von 20 Tagen nach der Freilassung analysiert, wie aktiv die Tiere waren und welche Strecken sie zurücklegten, um erkennen zu können, wie sehr die Tiere von ihrem normalen Verhalten abweichen und wie lange es dauert, bis sie sich von der Störung erholen“, erklärt Jonas Stiegler, der Hauptautor der Studie, das Vorgehen.
30 der 42 untersuchten Arten änderten ihr Verhalten in den ersten Tagen nach der Freisetzung deutlich, wobei es zwischen den Arten erkennbare Unterschiede gab. So legten die Raubtiere nach der Freilassung durchschnittlich kürzere Entfernungen zurück, während die meisten Pflanzenfresser längere Strecken absolvierten als normalerweise. Elche (63 % weiter als im Langzeitmittel) und Elenantilope (+52%) waren dabei besonders viel unterwegs, Leoparden (-65 %) und Wölfe (-44 %) besonders wenig.
Allgemein zeigten sich Allesfresser und Fleischfresser in den ersten Tagen weniger aktiv, bei den Pflanzenfressern hingegen gab es sowohl erhöhte als auch verringerte Aktivitätsraten. Die Daten offenbarten aber auch, dass die Tiere unterschiedlich schnell „erholten“: Grundsätzlich kehrten alle Arten innerhalb von vier bis sieben Tagen zu ihrem normalen Verhalten zurück. Allesfresser und Fleischfresser waren nach fünf bis sechs Tagen wieder normal aktiv und bewegungsfreudig, Pflanzenfresser kehrten schneller (vier bis fünf Tage) zum normalen Bewegungsradius zurück, aber erst später zur gewohnten Aktivität (sechs bis acht Tage). Außerdem erholten sich größere Tiere schneller als kleinere.
„Besonders auffallend war jedoch, dass jene Tiere, deren Lebensraum stärker vom Einfluss des Menschen geprägt ist, sich als erste wieder normal verhielten“, sagt Jonas Stiegler. „Unsere Auswertung zeigt deutlich, dass die Zeiträume, in denen Wildtiere nachverfolgt werden, länger als eine Woche sein sollten, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten und ihr natürliches Verhalten tatsächlich erforschen zu können.“