Giftige Spurenelemente wie Blei, Quecksilber, Arsen oder Cadmium kommen in Küstenmeeren in kleinen Mengen natürlich vor. Eine bedeutend größere Menge wird durch menschliche Einflüsse wie Industrie und Landwirtschaft freigesetzt. Wie sich der Klimawandel auf die Verteilung und Ablagerung dieser Elemente bereits auswirkt und in Zukunft auswirken könnte, hat jetzt eine Studie untersucht. Ein Ergebnis: Klimabedingte Naturereignisse setzen vermehrt Schadstoffe frei, die die Gesundheit von Menschen und Tieren gefährden. Noch gibt es aber zu wenig Wissen darüber, wie sich diese Schadstoffe in Zukunft verhalten werden.
Der Ozean wird wärmer, er wird saurer, und er verliert Sauerstoff. All diese Folgen des Klimawandels sind bekannt. Was noch wenig untersucht wurde: Gleichzeitig wirken sich diese Veränderungen auf Schadstoffe in den Meeren aus. „Auswirkungen des Klimawandels auf Transport, Verbleib und Biogeochemie von Spurenstoff-Kontaminanten in küstennahen marinen Ökosystemen“ heißt eine neue Studie, die die Wechselwirkungen der Spurenelemente mit dem Klimawandel untersucht hat. Sie ist jetzt in der Nature-Fachzeitschrift Communications Earth & Environment erschienen.
Schwermetalle im Meer werden giftiger
„Wir haben uns gefragt, wie sich die Spurenelemente im Klimawandel verändern – dazu gibt es noch sehr wenig Forschung“, sagt Dr. Rebecca Zitoun, Meereschemikerin am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, die zusammen mit ihrer kroatischen Kollegin Dr. Saša Marcinek vom Ruđer Bošković Institut in Zagreb Erstautorin der Studie ist.
„Dabei haben wir uns die durch den Menschen verursachten und die natürlichen Quellen angeschaut.“
Denn Metalle wie Blei, Quecksilber und Cadmium gelangen nicht nur durch menschliche Aktivitäten wie Industrie, oder das Verbrennen von fossilen Brennstoffen in den Ozean. Auch die natürlichen Quellen verändern sich im Klimawandel: Der Meeresspiegel steigt, Flüsse treten über die Ufer oder trocknen aus, Meereis und Gletscher schmelzen – all das mobilisiert und erhöht Schadstoffflüsse.
Die Studie fasst die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe der UN-Experten zu wissenschaftlichen Fragen des Meeresschutzes (Joint Group of Experts on the Scientific Aspects of Marine Environmental Protection, GESAMP) zusammen, die sich mit Metallkontaminanten im Ozean beschäftigt. Initiiert wurde die Arbeitsgruppe von Dr. Sylvia Sander, Professorin für Marine Mineralische Rohstoffe am GEOMAR und ehemalige Leiterin der Marinen Umweltstudienlabore der Internationalen Atomenergie-Organisation (International Atomic Energy Agency, IAEA) in Monaco. Aus Deutschland ist zudem Christoph Völker vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), beteiligt.
„Unsere Arbeitsgruppe hat sich mit den Auswirkungen des Klimawandels und treibhausgasbedingten Veränderungen auf Schadstoffe im Ozean beschäftigt“, erklärt Sylvia Sander.
Ein Beispiel für diese Auswirkungen ist der steigende Quecksilber-Gehalt in den arktischen Gewässern: Durch schmelzende Gletscher, das Auftauen des Permafrosts und Küstenerosion wird mehr Quecksilber aus natürlichen Quellen freigesetzt. Das bedroht insbesondere traditionell fischende Bevölkerungen, denn das Schwermetall reichert sich über die Nahrungskette an und gelangt über den Verzehr belasteter Fische auch auf unsere Teller.
Menschengemachte Quellen toxischer Metalle
„Menschliche Aktivitäten haben die globalen Flüsse toxischer Metalle wie Blei um das Zehnfache und Quecksilber um das Drei- bis Siebenfache im Vergleich zu vor-industriellen Zeiten erhöht“, sagt Professorin Sander und nennt ein weiteres Beispiel: „Toxische Elemente wie Silber können zunehmend in Küstengewässern nachgewiesen werden.
Sie stammen aus der Kohleverbrennung und dem verstärkten Einsatz von Silber-Nanopartikeln in antibakteriellen Produkten.“ Außerdem trügen die Schifffahrt und der Einsatz von Plastik zur Verbreitung von Schwermetallen bei. Plastik kann Metalle wie Kupfer, Zink und Blei aus dem Wasser an sich binden. Diese gebundenen Schadstoffe können dann ebenfalls weiter in die Nahrungskette gelangen. In Zukunft könnte der menschliche Eintrag von Schwermetallen durch die weiter zunehmende Nutzung der Meere noch steigen.
Spurenelemente im Meerwasser reagieren auf Klimaänderungen
Klimaänderungen wie steigende Meerestemperaturen, die Ozeanversauerung und Sauerstoffverarmung haben auf verschiedene Weise Auswirkungen auf die Spurenelemente. Höhere Wassertemperaturen erhöhen die Bioverfügbarkeit und Aufnahme von Spurenelementen wie Quecksilber durch Meereslebewesen. Dies geschieht, weil höhere Temperaturen den Stoffwechsel steigern, die Sauerstofflöslichkeit verringern und die Ventilation der Kiemen erhöhen. Dies führt dazu, dass mehr Metalle in die Organismen gelangen und sich dort anreichern.
Da der Ozean den größten Teil des vom Menschen freigesetzten Kohlendioxids (CO2) aufnimmt, wird er saurer – der pH-Wert sinkt. Dies erhöht die Löslichkeit und die Bioverfügbarkeit von Metallen wie Kupfer, Zink oder Eisen. Besonders ausgeprägt ist dieser Einfluss bei Kupfer, das bei höheren Konzentrationen sehr giftig für viele Meereslebewesen ist.
Auch durch die zunehmende Sauerstoffarmut, insbesondere in küstennahen Zonen und am Meeresboden, wird die giftige Wirkung von Spurenelementen verstärkt. Dies belastet Organismen, die direkt im oder am Meeresboden leben, wie Muscheln, Krabben und andere Krustentiere.
Doppelte Belastung durch Schadstoffeinträge und Klimawandel
Menschliche Aktivitäten beeinflussen die Menge an Schadstoffen in Küstenregionen also gewissermaßen von zwei Seiten: Direkt durch Einleiten und Freisetzen von Schadstoffen in die Umwelt und indirekt durch die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels auf die natürlichen Quellen.
Die Studie ergab aber auch, dass es noch nicht genug Daten zum Einfluss des Klimawandels auf Schadstoffe im Ozean gibt. Daher fordert die Arbeitsgruppe, die Forschung stärker auf neue und bisher wenig erforschte Schadstoffe zu konzentrieren. Gleichzeitig sollen bessere Modelle entwickelt und Gesetze angepasst werden, um den Einfluss von Schadstoffen in den Meeren besser zu kontrollieren.
Rebecca Zitoun: „Um die Auswirkungen auf Ökosysteme und die menschliche Gesundheit besser zu verstehen, müssen Wissenslücken zu den Wechselwirkungen zwischen Schadstoffen und Klimawandel geschlossen und standardisierte Methoden entwickelt werden, die weltweit vergleichbare Daten liefern.“
Dies sei ein wichtiger Schritt, den Meeresschutz zu stärken und nachhaltige Lösungen für gefährdete Küstengebiete zu entwickeln.