Die Dürre, die sich durch den Sommer 2022 zog, war besonders intensiv und ließ in vielen Regionen Europas die Böden bis in weite Tiefe austrocknen. In den öffentlichen Diskussionen über die Ursachen tauchte dabei immer wieder die Frage auf, wie groß der Anteil des Klimawandels an diesem extremen Wetterereignis ist. Ein vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) koordiniertes Forschungsteam hat nun herausgefunden, dass die außergewöhnliche Intensität und das räumliche Ausmaß der Dürre zu mehr als 30 Prozent dem menschengemachten Klimawandel zugeschrieben werden können. Wie sie in einem Beitrag für Nature Geoscience schreiben, sei dieses Extremereignis zusätzlich verstärkt worden, da die Bodenfeuchte klimawandelbedingt bereits in den Jahren zuvor kontinuierlich gesunken war.
In vielen Staaten Mittel- und Südeuropas hat die extreme Dürre das öffentliche Leben im Sommer 2022 zwischen Juni und August stark beeinträchtigt. So musste beispielsweise in Italien die Hälfte der Bevölkerung Wassereinschränkungen in Kauf nehmen, in Frankreich wurden mehr als 100 Gemeinden per Lastwagen mit Trinkwasser versorgt.
In der Landwirtschaft gingen die Erträge bei Körnermais, Sonnenblumen und Sojabohnen europaweit im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2021 um 15 Prozent zurück. In Italien, Frankreich, Slowenien und Rumänien wüteten schwere Waldbrände, die Schifffahrt auf Flüssen wie Po und Rhein wurde eingeschränkt und infolge der geringeren Abflussmenge produzierten die Wasserkraftwerke weniger Strom.
„Die sommerliche Dürre im Jahr 2022 hatte für Europa schwerwiegende sozio-ökonomische Folgen“, sagt Dr. Emanuele Bevacqua, Erstautor der Studie und Leiter der UFZ-Arbeitsgruppe „Compound Climate Extremes“.
Den Umstand, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel Dürren beeinflusst, hatte bereits der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) festgehalten. Allerdings wurde bislang nur begrenzt verstanden, wie groß der Anteil des Klimawandels an einzelnen Dürreereignissen ist. Um Wasserspeichermengen im Boden und deren geografische Verteilung sowie die Abflussmengen von Flüssen in Europa zu untersuchen, setzten die Forschenden auf Beobachtungsdaten und das am UFZ entwickelte hydrologische Modell mHM, in das Niederschlags- und Temperaturmessdaten einfließen.
Die Forschenden fanden heraus, dass das Defizit der simulierten Bodenfeuchte zwischen Juni und August in zwei Meter Tiefe in Mittel- und Südeuropa rund 280 Kubikkilometer betrug. Dies bedeutet, dass im Boden Wasser in einem Volumen von schätzungsweise 120 Millionen Schwimmbädern fehlte. Zudem waren zwischen Juni und August 1,64 Millionen Quadratkilometer und damit etwa 29 Prozent der Landfläche Mittel- und Südeuropas von Dürre betroffen, eine so große Fläche wie noch nie seit 1960.
„Unsere Simulationen zeigen, dass die Dürre im Jahr 2022 die extremste seit 1960 war“, sagt Emanuele Bevacqua.
Das im Boden verfügbare Wasser sei auf dem niedrigsten Stand seit Beginn der Satellitenbeobachtungen im Jahr 2002 gewesen. Die außergewöhnliche Ausprägung der Dürre lag vor allem an Wetteranomalien: In weiten Teilen Europas waren zwischen März und August kaum Niederschläge zu verzeichnen. Zudem führten Hitzewellen zu einem außergewöhnlich warmen Sommer – die Durchschnittstemperatur in Mittel- und Südeuropa lag im Sommer 1,9 Grad Celsius über dem Mittel zwischen 1981 und 2010.
„Während die Niederschlagsdefizite für das Auftreten der Dürre ausschlaggebend waren, verstärkten die hohen Temperaturen den Rückgang der Bodenfeuchte und der Abflussmengen“, sagt der UFZ-Forscher.
Dem Forschungsteam gelang es auch, den Anteil des menschengemachten Klimawandels an der extremen Dürre im Sommer 2022 zu ermitteln. Dafür verglichen sie den Zustand der Bodenfeuchte – zum einen unter den beobachteten Wetterbedingungen, zum anderen indem sie die durch den Klimawandel verursachten Niederschlags- und Temperaturveränderungen ausklammerten.
Die Bilanz: Am berechneten Defizit der Bodenfeuchte in Mittel- und Südeuropa in Höhe von rund 280 Kubikkilometer sind rund 87 Kubikkilometer und damit etwa 31 Prozent auf den Klimawandel zurückzuführen. Auch die räumliche Ausbreitung der Dürre hat der Klimawandel entscheidend beeinflusst: Mit rund 0,61 Millionen Quadratkilometer können circa 38 Prozent der von der Dürre betroffenen Fläche in Europa dem Klimawandel zugeschrieben werden.
„Der Klimawandel hat die Dürre erheblich verschärft. Zurückzuführen ist das vor allem auf die höheren Temperaturen, da diese die Verdunstungsraten erhöhen“, sagt Prof. Dr. Jakob Zscheischler, Co-Autor und Leiter des UFZ-Departments Compound Environmental Risks.
Auswirkungen hat der Klimawandel auch auf die Wassermengen, die in die Fließgewässer gelangen und damit die Schiffbarkeit auf den großen Flüssen und die Nutzung der Wasserkraft als Energieträger beeinflussen. So können beispielsweise 19 Prozent der von Flüssen bedeckten Fläche, die in Mittel- und Südeuropa von Dürre betroffen waren, auf den Klimawandels zurückgeführt werden.
Zudem konnten die Forschenden den von ihnen berechneten Beitrag des Klimawandels an der Extremdürre im Sommer 2022 genauer aufsplitten.
„Die steigenden Temperaturen durch den menschengemachten Klimawandel sind kein Ereignis, das plötzlich eintrat. Die sind schon seit längerem im System verankert“, erläutert UFZ-Klimawissenschaftler Jakob Zscheischler.
So begann das Wasserwirtschaftsjahr 2021/2022 ab November 2021 bereits mit niedrigeren Bodenfeuchte-/Abflusswerten, die ohne den anthropogenen Klimawandel so nicht aufgetreten wären. Wie groß dieser Faktor, der erst zeitlich verzögert seine Wirkung auf das Auftreten der Dürre zeigt, tatsächlich ist, konnten die Forschenden nun konkreter beziffern. Sie berechneten dafür den Anteil des Klimawandels an der Dürre 2022, der schon vor dem 1. November 2021 im System „gespeichert“ war.
Demnach betrug der Beitrag dieses verzögerten Effekts zwischen 14 und 41 Prozent des gesamten Effekts des Klimawandels, je nachdem, welches hydrologische Modell eingesetzt wird.
„Der Klimawandel hat auch in den vergangenen Jahren schon kontinuierlich zu höheren Temperaturen und zu einer erhöhten Verdunstung und Austrocknung des Bodens geführt, und damit maßgeblich zur Dürre im Sommer 2022 beigetragen“, sagt Jakob Zscheischler.
Und Emanuele Bevacqua ergänzt: „Die Rolle der verzögerten Auswirkungen des Klimawandels auf Dürren wurde bisher nur wenig beachtet.“ Dies sei aber wichtig, da zum Beispiel in Europa zwei Drittel der Bevölkerung den Wasserbedarf über das Grundwasser deckt und Grundwasser in vielen Städten schon jetzt übernutzt ist.