Der Straßenbau steht am Wendepunkt

Impressionen vom Deutschen Straßen- und Verkehrskongress (DSVK) 2024 Fotocredit: Michael Bahlo/FGSV.

Im europäischen Straßenbau In Europa werden jährlich zehn Millionen Tonnen Bitumen für den Bau und die Instandhaltung von Straßenbelägen genutzt. „Für die Herstellung einer Tonne Bitumen werden rund 1.000 Liter Wasser und 15.000 kWh Energie benötigt – das entspricht etwa dem durchschnittlichen jährlichen Energieverbrauch eines Haushalts in der EU“, so Michael Wistuba, Leiter des Instituts für Straßenwesen und Projektkoordinator. Aber damit nicht genug: Bei der Produktion einer Tonne Bitumen werde darüber hinaus auch noch 712 Kilogramm Kohlendioxid freigesetzt.

Noch erschreckender ist es, dass der europäische Ausstoß pro Jahr auf etwa elf Millionen Tonnen kommt. Das der Straßenbau im höchsten Maße klimarelevant ist, war allen rund 2000 Teilnehmer des dreitägigen Kongress der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. (FGSV) deutlich. Die Forschungsgesellschaft feierte in Bonn ihr 100-jähriges Bestehen und untermauerte ihre Rolle als Impulsgeberin für nachhaltige Mobilitätsstrategien und resiliente Infrastruktur. Entsprechend ging es in vielen Vorträgen, und besonders bei den Gesprächen an den Ausstellungsständen, um die Suche nach besseren und nachhaltigeren Lösungen.

Die begleitende Fachausstellung „Straßen und Verkehr 2024“ bot den Besuchern die Möglichkeit, sich über die neuesten Entwicklungen und Technologien im Straßen- und Verkehrswesen zu informieren und auszutauschen. Fachleute aus verschiedenen Bereichen teilten ihre Erfahrungen und boten Einblicke in die neuesten Forschungsergebnisse und Praxisanwendungen. Dabei ging es besonders um die Suche nach umweltfreundlicheren Baustoffen und Produktionsweisen.

Temperaturreduzierte Asphaltbauweisen

Ein viel diskutierter Ansatz sei hier die sogenannte temperaturreduzierte Asphaltbauweisen. Nachangaben der Bundesanstalt für Straßenwesen (BAS) wird dieser Begriff für Asphalte benutzt, die mit einer Temperatur von 20° C bis 30° C unter den derzeit üblichen Temperaturen hergestellt und verarbeitet werden. Die Herstellungs- und Verarbeitungstemperaturen, so die BAS weiter, der konventionellen Asphalte liegen aus Gründen der Verdichtbarkeit oder Verarbeitbarkeit in der Regel an der oberen Grenze der nach ZTV Asphalt-StB zulässigen Temperaturen.

Der Ausgangspunkt der Entwicklung der temperaturabgesenkten Asphalte sei eine Reduktion der CO2 Emissionen, mit einen damit verbundenen Energieeinsparung, gewesen. Auch die gesundheitsbezogene Bewertung der Dämpfe und Aerosole, die bei der Heißverarbeitung von Bitumen entstehen, könnten durch den Einsatz von temperaturreduzierten Asphalten diese Emissionen deutlich reduziert werden.

Impressionen vom Deutschen Straßen- und Verkehrskongress (DSVK) 2024. Foto: Michael Bahlo/FGSV.

Auf den Gängen und in den Vorträgen des Bonner Straßen- und Verkehrskongress wurde aber auch über andere innovative Ansätze diskutiert, die sich teilweise noch im Forschungsstadium befinden oder in Nachbarländern bereits im Einsatz sind.

Grüner Asphalt aus der Schweiz

Etwa durch den Bitumen Ersatz durch ein biologisches Bindemittel. Dadurch könnten die Kohlendioxid-Emissionen verringert und der Straßenbau insgesamt klimafreundlicher werden. Ein Beispiel für nachhaltigere Technologie ist der „Grüner Asphalt“ aus dem Kanton Basel-Stadt.

Die Schweizer haben sich darauf konzentriert ein klimafreundliches Asphaltmischgut, das sowohl die normierten mechanischen Anforderungen moderner Beläge erfüllt aber auch langlebig ist. Dabei wird das nachhaltige Material Pflanzenkohle aus Biomasse als teilweiser Ersatz für natürliche Gesteinskörnungen (Füller) verwendet. Die Einbindung von Pflanzenkohle in die standardisierten Straßenbeläge nach Schweizer Norm (AC B / AC T und AC F) stellt einen vielversprechenden Schritt in Richtung nachhaltiger Infrastruktur dar.

Pflanzenkohle als Baustoff

Nach Angaben der Basel Behörde trägt Pflanzenkohle als Baustoff dazu bei, den CO2 Gehalt in der Atmosphäre zu reduzieren. Tests hätten ergeben, dass die Verwendung von Pflanzenkohle als Füllstoff in Asphalt die Widerstandsfähigkeit gegen Spurrinnen verbessere, was zu einer längeren Lebensdauer der Straßen und damit zu Ressourcen- und Energieeinsparungen im städtischen Umfeld führen kann.

Die Pflanzenkohle werde aus Grüngut unter Sauerstoffausschluss von den Industriellen Werke Basel produzieren. Die dabei freigesetzte Wärme werde für das Fernwärmenetz genutzt. Die nun verbleibende Pflanzenkohle bestehe aus dem Kohlenstoffanteil des CO2, welches die Pflanzen der Atmosphäre im Zug ihres Wachstum entzogen habe. Das CO2 werde so dauerhaft der Umwelt entzogen.

Dampf- und Aerosol-Freisetzung  reduzieren

Ein anderes Beispiel, über das wir in der Linde.online bereits berichtet haben, ist die Forschung den der Universität Bochum. Hier gehe es darum, die Dampf- und Aerosol-Freisetzung bei der Asphaltproduktion deutlich zu reduzieren. Georg Bus entwickelte am Lehrstuhl für Verkehrswegebau der Ruhr-Universität Bochum eine neue Rezeptur für die Asphalt-Herstellung, die bei 20 bis 30 Grad Celsius niedrigeren Temperaturen funktioniert als herkömmliche Verfahren.

Das könnte helfen, einen neuen Grenzwert einzuhalten, den der Ausschuss für Gefahrstoffe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin für die Dampf- und Aerosol-Freisetzung festgelegt hat; Ende 2024 läuft die Übergangsfrist dafür aus.

Ein anders Beispiel ist ein Projekt von Wissenschaftler der TU Braunschweig, TU Wien und der Ostschweizer Fachhochschule. Zusammen wollen die Forscher in einem Projekt einen Bioasphalt entwickeln. Bei diesem ersetzen nachhaltige biologische Bindemittel das herkömmliche fossile Bitumen. Damit könnte der Kohlendioxid-Ausstoß bei der Herstellung des Asphalts deutlich reduziert und der Straßenbau insgesamt klimafreundlicher werden.

Am Ende ihrer Nutzungsdauer, nach planmäßig 30 Jahren, werden Asphaltstraßen erneuert. Der alte ausgebaute Asphalt als Abfallmaterial kann dabei, nach entsprechender Aufbereitung, wiederverwendet werden. In Deutschland arbeitet die Asphaltbranche bereits mit einem Kreislaufsystem, bei dem 80 Prozent aller anfallenden Ausbauasphalte weiter genutzt werden. Bei der Wiederverwendung ist allerdings immer ein gewisser Anteil an Frischbitumen notwendig, um eine zufriedenstellende Leistungsfähigkeit des Asphaltbelags zu gewährleisten.

Auf den Punkt gebracht

Neuer FGSV Vorstand Dr. Stefan Klotz. Foto: Michael Bahlo/FGSV

Der in Bonn gewählte neue Vorsitzende der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. (FGSV) Dr. Stefan Klotz brachte in Bonn Situation und Aufgabenstellung auf den Punkt: „Wir stehen an einem Wendepunkt: Klimaziele, Digitalisierung und demographischer Wandel stellen hohe Anforderungen an die Verkehrsinfrastruktur. Wir als FGSV gestalten aktiv, innovativ und zugleich nachhaltig die Mobilität von morgen – und blicken dabei auf eine Tradition von 100 Jahren zurück. Für die Zukunft setzen wir insbesondere auf die Chancen durch die Digitalisierung. Mithilfe von KI, Apps und Vernetzung soll der Verkehr sicherer, effizienter, verlässlicher und umweltfreundlicher werden. Dafür setzen wir die Standards in Deutschland. Ich freue mich auf die vielfältigen Perspektiven, die alle Aussteller und Teilnehmende dafür mitbringen. In einer Welt, die immer digitaler wird, ist es zugleich wichtig, unser Netzwerk durch persönliche Begegnungen zu stärken. Dies macht unseren Kongress so besonders und schenkt uns die Möglichkeit, gemeinsam neue Ideen zu entwickeln und Impulse zu setzen.“

Klotz arbeitet als Geschäftsführer bei Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer, Hamburg (LSBG) und steht nun als Vorsitzender des FGSV genau an der Schnittstelle zwischen Auflagen, Forschung und Umsetzung. Die von ihm nun geführte Forschungsgesellschaft arbeitet am technischen Regelwerk für das gesamte Straßen- und Verkehrswesen und an der Weiterentwicklung der entsprechenden technischen Erkenntnisse in den Bereichen: Verkehrsplanung, Straßenentwurf, Verkehrsmanagement, Erd- und Grundbau sowie den bautechnischen Fragen der ungebundenen Schichten, der Asphalt- und der Betonbauweisen.