Veränderte Lawinenlage durch den Klimawandel

Reissen Lawinen in hohen Lagen ab, können sie trotz steigender Schneefallgrenzen immer noch so weit ins Tal vordringen wie diese Lawine, die aus der Nordostflanke des 3190 Meter hohen Lammenhorns abging. U. Andermatten SLF

Eine Analyse des Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, Davos, zeigt, wie sich der Klimawandel bis gegen Ende des Jahrhunderts auf die Lawinenlage in der Schweiz auswirken wird.

Weniger Schnee bedeutet nicht weniger Lawinen

Das geht aus einer Untersuchung der SLF-Forscherin Stephanie Mayer hervor. Sie hat untersucht, welche Folgen der Klimawandel auf die Lawinenaktivität in der Schweiz oberhalb von 1800 Metern über dem Meeresspiegel haben wird.

«Die Zahl der trockenen Lawinen wird abnehmen, aber oberhalb der Waldgrenze wird die Zunahme von Nassschneelawinen diese Abnahme teilweise aufheben», prognostiziert Mayer. Sie hat für verschiedene Klimaszenarien die Folgen durchgerechnet. Lediglich im Worst-case-Fall, das von einer Erwärmung der durchschnittlichen Wintertemperaturen um etwa fünf Grad Celsius bis 2100 ausgeht, geht die Gesamtaktivität zurück. «Dann aber gleich um zwanzig bis vierzig Prozent oberhalb der derzeitigen Baumgrenze», sagt Mayer.

Auf Skigebiete und Lawinenwarndienste kommen neue Herausforderungen zu. Denn im Laufe des Jahrhunderts werden vermehrt Nassschneelawinen während der touristischen Hochsaison abgehen. Bei Nassschneelawinen wurde mindestens ein Teil der Schneedecke im Anrißgebiet der Lawine, dem Gebiet, in dem sich die Lawine löst, durch Schmelz- oder Regenwasser angefeuchtet.

Im Gegensatz zu ihren trockenen Pendants können Lawinensicherheitsdienste Nassschneelawinen aber kaum künstlich auslösen, erklärt Mayer: «Als Sicherheitsmaßnahme hilft nur, gefährdete Bereiche eines Skigebiets zu schließen.» Auch Freizeitsportler sollten sich verstärkt mit dem Thema Nassschneelawinen auseinandersetzen, sagt sie, da diese im Hochwinter häufiger werden.

Mayer hat ihre Szenarien für sieben Standorte in der Schweiz berechnet, darunter das Weissfluhjoch oberhalb von Davos und eine auf etwa 2700 m gelegene Station bei Zermatt. Sie ist sich aber sicher, dass ihre Ergebnisse auf den gesamten Alpenraum übertragbar sind. Ebenso auf Gebirgszüge mit ähnlichen klimatischen Verhältnissen wie die Columbia Mountains in Kanada.

Die gute Nachricht: Wegen steigender Temperaturen, damit einhergehend höherer Schneefallgrenze sowie weniger Schnee könnten Lawinen Tallagen künftig seltener erreichen. Das gilt aber nicht grundsätzlich. Denn extreme Schneefallereignisse wird es auch in Zukunft noch geben. Das könnte vor allem in hohen Lagen sogar zu größeren Lawinen führen.

Reißen Lawinen in großer Höhe an und fließen sie kanalisiert ab, können sie immer noch so weit ins Tal vordringen wie heute. Mayer erwartet dennoch, dass die zuständigen Behörden ihre Gefahrenkarten überprüfen und gegebenenfalls auf die durch den Klimawandel sich verändernde Gefahrensituation anpassen. Mit den neuen Klimaszenarien (CH2025) sollten dann auch genauere Analysen bezüglich künftiger Extremsituationen vorliegen.