Welche Effekte hat Plastik auf die drei planetaren Krisen?

Effekte von Plastik auf die drei planetaren Krisen Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Umweltverschmutzung: Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind bislang lückenhaft und ungleich verteilt. Annika Jahnke / UFZ

Dass Plastik die Umwelt verschmutzt und zu Problemen führt, ist in vielen Bereichen bereits gut erforscht. Wenig bekannt ist, wie Plastik das Klima und die biologische Vielfalt beeinflusst. In einer Übersichtsstudie hat ein Forschungsteam des UFZ analysiert, welche Effekte Plastik auf die drei planetaren Krisen Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Umweltverschmutzung hat. Sie fordern Regularien für Plastik, welche die vielen Facetten der Auswirkungen von Plastik im Rahmen der drei Krisen berücksichtigen. Die Möglichkeit, diese einzuführen, bietet sich bei Verhandlungen zum globalen UN-Plastikabkommen, die ab dem 25. November 2024 in Busan (Südkorea) stattfinden.

Die Vereinten Nationen haben den Begriff der drei planetaren Krisen („Triple Planetary Crisis“) eingeführt, um die sich überschneidenden globalen Krisen Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Umweltverschmutzung zu beschreiben. Damit will die UN auf deren gegenseitige Abhängigkeit sowie die gemeinsamen Auswirkungen auf Ökosysteme, Gesellschaften und Volkswirtschaften aufmerksam machen.

Doch während der Beitrag von Plastik an der Umweltverschmutzung gut erforscht scheint, ist das bei Biodiversität und Klimawandel deutlich weniger der Fall. „Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Ineinandergreifen dieser Krisenfelder bezüglich Plastik sind derzeit lückenhaft und ungleich verteilt“, konstatiert Autor und UFZ-Hydrogeologe Dr. Christian Schmidt.

Für den Artikel haben die UFZ-Forschenden, die in den unterschiedlichsten Fachdisziplinen von Hydrologie über Toxikologie, Mikrobiologie und Umweltchemie bis hin zu Sozialwissenschaften forschen und zum Mikroplastik-Kompetenzcluster des UFZ gehören, mehr als 19.000 wissenschaftliche Studien ausgewertet.

Die Befunde sprechen eine deutliche Sprache: 17.463 Studien beschäftigen sich mit dem negativen Einfluss von Plastik und assoziierten Chemikalien auf die Umweltverschmutzung, lediglich 1.279 mit dem Einfluss auf den Klimawandel und gar nur 652 mit dem Einfluss auf die Biodiversität. „Das verfügbare Wissen driftet extrem auseinander“, bilanziert Prof. Dr. Annika Jahnke, Autorin und UFZ-Umweltchemikerin.

Am besten ist die Faktenlage beim Thema Umweltverschmutzung, konkret zum Lebenszyklus von Plastik. Global wurden seit den 1950er Jahren rund 9.200 Mio. Tonnen produziert. Davon sind noch 2.900 Mio. Tonnen im Gebrauch, von denen 2.700 Mio. Tonnen Primärplastik und etwa 200 Mio. Tonnen recyceltes Material sind. 5.300 Mio. Tonnen landeten auf Mülldeponien, 1000 Mio. Tonnen wurden verbrannt. Bekannt ist auch, dass zwischen 1.750 und 2.500 Mio. Tonnen als „mismanaged“ gelten, also ungeplant in die Umwelt gelangen können.

Als gut erforscht gilt auch beispielsweise die von Plastik-assoziierten Chemikalien ausgehende Gefährdung für den Menschen und Umweltorganismen sowie die Wirkung von Plastik auf Meere, Böden und Süßwasserökosysteme. Doch auch hier gibt es Wissensdefizite und damit auch Forschungslücken, je mehr man ins Detail geht: Wie wird Plastik in der Umwelt durch Wind und Wasser weiter transportiert? Wieviel Plastik gelangt in die Meere?

Wo sammelt sich Plastik in der Umwelt an?

Welche Folgen haben Sonnenstrahlung, Temperaturunterschiede oder mechanische Reibung auf Plastik und die darin enthaltenen Chemikalien? Zudem gibt es nur wenige Studien, die sich mit den Auswirkungen von Plastik auf die Atmosphäre und die Kryosphäre auseinandersetzen, also jenem Teil der Erdoberfläche, wo Wasser als Schnee oder Eis vorliegt. Auch ist Nanoplastik bisher generell weniger erforscht als Mikroplastik.

So gibt es deutlich mehr Untersuchungen zu Mikroplastik, weil die Partikel größer sind und sich deswegen schon seit einiger Zeit von einer Vielzahl von Institutionen untersuchen lassen. Weitgehend unbekannt ist zudem die chemische Zusammensetzung der Kunststoffe, die neben dem Polymer viele Zusatzstoffe enthalten, beispielsweise additive Chemikalien wie etwa UV-Hemmer, Weichmacher oder assoziierte Hilfsstoffe, mit deren Hilfe Plastik besser bearbeitet werden kann oder gewünschte Eigenschaften erhält. Rund 640 Mio. Tonnen additive Chemikalien wurden bislang Plastikprodukten beigefügt.

„Doch wie sie daraus abgegeben werden und welche Folgen sie für Mensch und Umwelt haben, dazu weiß man bisher nur wenig“, erklärt Annika Jahnke.

Kaum befasst hat sich die Forschung auch mit den Auswirkungen von Plastik auf den Klimawandel, etwa in der Frage, wie viele Treibhausgasemissionen bei der Plastikproduktion entstehen, inwiefern Plastik biogeochemische Kreisläufe im Meer beeinflusst oder wie Plastik die Albedo verändert, also wie viel Sonnenstrahlung von der Erdoberfläche zurückgeworfen wird.

Ähnlich dünn ist die Studienlage für das Themenfeld der Auswirkungen der Plastikverschmutzung auf die Biodiversität. Zwar gibt es einige Studien etwa zur Toxizität von Plastik, zur Veränderung von Lebensräumen und Ökosystemen sowie zur Verdriftung von Arten.

„Es geht uns darum, den Blick auf Plastik als ausschließliches Müllproblem wegzuleiten. Plastik verursacht nicht nur ein Entsorgungs- und Abfallmanagementproblem, sondern der gesamte Lebenszyklus beginnend von der Rohstoffgewinnung muss betrachtet werden“, sagt Christian Schmidt.

Über verschiedene Mechanismen trage es auch zu einer Verschärfung des Klimawandels und des Biodiversitätsverlusts bei. Deshalb sollten in Bezug auf Plastik die Umweltverschmutzung, der Klimawandel und der Biodiversitätsverlust übergreifend in den Blick genommen werden. „Wir brauchen eine breitere Perspektive.“

Für den benötigten Perspektivwechsel hin zu übergreifenden globalen Lösungen ist es deswegen aus Sicht der UFZ-Forschenden zentral, stärker auf internationale Regularien zu setzen.

„Man weiß mittlerweile, dass rund 16.000 Chemikalien in Plastik vorkommen. Zu über 4.200 von ihnen ist bekannt, dass sie in der Umwelt langlebig sind, sich in Lebewesen anreichern, über weite Strecken transportiert werden oder ein Gefährdungspotenzial von ihnen ausgeht“, sagt Annika Jahnke.

Die wenigsten von ihnen sind derzeit reguliert. Viele dieser Stoffe könnten durch weniger problematische Stoffe ersetzt werden, die dieselbe Funktion erfüllen. Empfehlungen wie diese will Annika Jahnke gemeinsam mit der UFZ-Ökotoxikologin Dr. Dana Kühnel als Teil des Netzwerks „Scientists‘ Coalition for an Effective Plastics Treaty“ in die Verhandlungen zum globalen UN-Plastikabkommen einbringen, die vom 25. November bis 1. Dezember 2024 in Busan (Südkorea) stattfinden.

Dort will die Staatengemeinschaft in der finalen Sitzung ein weltweites Vertragswerk beschließen, das unter anderem die Neuproduktion von Plastik verringern und gefährliche Plastikchemikalien reduzieren soll. „Wichtig ist, dass man künftige Vertragswerke mit der Klima- und der Artenschutzgesetzgebung harmonisiert, da Plastik in alle Richtungen wirkt. Dafür müssen Plastik und assoziierte Chemikalien reguliert werden“, sagt Dana Kühnel.