Rund 75 Prozent der Stickstoffeinträge in deutsche Oberflächengewässer stammen aus Nitratverlusten in der Landwirtschaft, vor allem durch den Anbau von Nutzpflanzen wie Mais. Auch die Emission des Treibhausgases Lachgas (N₂O), das 300-mal klimaschädlicher ist als CO₂, wird größtenteils durch landwirtschaftliche Prozesse verursacht. Diese Stickstoffverluste entstehen vor allem durch Nitrifikations- und Denitrifikationsprozesse im Boden.
Mais hinterlässt nach der Ernte oft erhebliche Stickstoffmengen im Boden. Ohne geeignete Maßnahmen wird das Nitrat durch winterliche Niederschläge ins Grundwasser ausgewaschen. Zwar kann der Anbau von Zwischenfrüchten helfen, die Nitratauswaschung zu verringern, jedoch scheitert dies oft an der verkürzten Vegetationsperiode.
Gleichzeitig sind Landwirte auf eine ausreichende Stickstoffversorgung für den Mais angewiesen, was den Bedarf an stickstoffbindenden Pflanzen erhöht. Hier setzt das Projekt „Biologische Nitrifikationsinhibition für zukunftsfähigen und umweltorientierten Pflanzenbau 2030“ (BNI 2030) an, welches von Professorin Sandra Spielvogel von der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) geleitet wird.
Das Forschungsprojekt zielt darauf ab, mithilfe der Pflanze Spitzwegerich Stickstoffverluste im Maisanbau zu reduzieren und gleichzeitig die Stickstoffversorgung der Pflanzen sicherzustellen. Dabei werden Wissenschaft, Züchtung und Praxis vereint, um einen umweltfreundlicheren und zukunftsfähigen Pflanzenbau zu ermöglichen.
Spitzwegerich: Die natürliche Lösung
Ein vielversprechender Ansatz zur Reduktion dieser Verluste sind Nitrifikationsinhibitoren – Stoffe, die die Umwandlung von Ammoniumstickstoff in Nitrat verlangsamen. Dadurch bleibt der Stickstoff länger pflanzenverfügbar und das Risiko der Auswaschung und Lachgasemissionen wird minimiert. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang der Spitzwegerich (Plantago lanceolata). Diese Pflanze produziert biologische Nitrifikationsinhibitoren (BNI), die ohne synthetische Zusatzstoffe wirken und so keine Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen.
Dr. Janina Milkereit, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Koordinatorin des Projektes, erläutert: „Das Ziel des Projektes ist es, eine umweltfreundliche Lösung zu finden, um die unbedingt notwendige Versorgung von Nutzpflanzen mit Nährstoffen zu erlauben, aber ohne dabei Gewässer zu belasten und Unmengen klimarelevanter Gase zu produzieren. Spitzwegerich kann da eine Lösung sein.“
Im Rahmen von BNI 2030 wird untersucht, inwiefern der Spitzwegerich als Untersaat im Maisanbau dazu beitragen kann, Stickstoffverluste zu reduzieren. Dabei wird getestet, ob die Pflanze die Stickstoffversorgung des Maises beeinträchtigt und wie sich verschiedene Sorten des Spitzwegerichs in ihrer Wirkung unterscheiden. So soll die passende Sorte für den Anbau im Mais ausgewählt und praxistaugliche Empfehlungen für Landwirte entwickelt werden.
Forschung mit innovativen Ansätzen
Das Projektteam, bestehend aus der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, der Universität Tübingen und der Universität Göttingen, nutzt in BNI 2030 einen innovativen Forschungsansatz: Mit dem Isotop 15N verfolgen die Wissenschaftler, wie sich Stickstoffflüsse in den Böden verhalten. Sie analysieren dabei, wie viel Stickstoff aus proteinreichen Zwischenfrüchten, wie Kleegrasmischungen, in die Folgefrucht Mais gelangt und wie viel Stickstoff als Nitrat ausgewaschen oder als Lachgas freigesetzt wird.
Besonders im Fokus steht dabei die Rolle des Spitzwegerichs: Wie beeinflusst die Pflanze die Stickstoffaufnahme des Maises? Welche Sorten haben die stärkste hemmende Wirkung auf die Nitrifikation und führen zu den geringsten Stickstoffverlusten? Diese Erkenntnisse sollen letztendlich in praxisnahe Lösungen für Landwirte münden, die sowohl die Stickstoffeffizienz im Maisanbau erhöhen als auch die Umweltbelastung senken.
Ziel: Praxisnahe Lösungen für nachhaltigen Maisanbau
Das langfristige Ziel von BNI 2030 ist es, Landwirten praxistaugliche Empfehlungen für den Einsatz von Spitzwegerich als Untersaat im Maisanbau zu geben. Gemeinsam mit dem Saatzuchtunternehmen P.H. Petersen Lundsgaard GmbH und den beteiligten Landwirten wird erprobt, welche Spitzwegerich-Sorten am besten für den Anbau geeignet sind. Neben der Reduktion von Stickstoffverlusten soll dabei sichergestellt werden, dass der Mais weiterhin optimal mit Stickstoff versorgt wird, um stabile Erträge zu gewährleisten.