Aerosolpartikel in der Atmosphäre spielen eine zentrale Rolle bei der Wolkenbildung und beeinflussen folglich die Sonnenstrahlung auf dem Weg zur Erde. Ein internationales Team von Wissenschaftern mit Beteiligung der Universitäten Wien und Innsbruck erforscht ihre Entstehungs- und Wachstumsmechanismen. In einer aktuellen Studie im Rahmen des CLOUD-Projekts am CERN haben sie herausgefunden, dass das Kohlenwasserstoff-Molekül Isopren unter den kalten Bedingungen der oberen Troposphäre sehr effizient zur Bildung neuer Teilchen beiträgt und damit global Wolkeneigenschaften beeinflusst.
Aerosolpartikel kühlen das Klima direkt durch Rückstreuung des Sonnenlichts und indirekt durch ihre Wirkung als Wolkenkondensationskerne, indem sie die Bildung und Reflexionseigenschaften der Wolken beeinflussen. Die Aerosolpartikel wirken dadurch den wärmenden Treibhausgasen wie CO2 entgegen; genaue Anteile sind aber unklar.
Flugzeugmessungen in den vergangenen 20 Jahren machen klar, dass in der oberen tropischen Troposphäre, wie z.B. über dem Amazonas, die Teilchenbildung großflächig auftritt. Unter Teilchenbildung ist die spontane Kondensation von Spurengasen durch Nukleation gemeint. Während die Mechanismen dafür noch weitgehend unbekannt sind, zeigten jüngste Satellitenbeobachtungen unerwartet hohe Konzentrationen des Moleküls Isopren in diesen Höhen. Isopren wird durch Bäume insbesondere im Amazonasbecken emittiert und dort durch konvektive Prozesse in die obere Troposphäre transportiert. Nach Methan ist Isopren der am häufigsten emittierte Kohlenwasserstoff in der Atmosphäre.
Im CLOUD-Experiment konnten Wissenschafter nun erstmals zeigen, dass die von Isopren abstammenden oxidierten organischen Moleküle unter den kalten Bedingungen der oberen Troposphäre – im Bereich von -50 °C – sehr effizient neue Teilchen bilden. Überdies nahmen die Nukleationsraten durch Beigabe von geringsten Mengen an Schwefelsäure 100-fach zu, wodurch sich die hohen beobachteten Teilchenanzahlen in der oberen Troposphäre erklären lassen.
Die Oxidationsprodukte von Isopren tragen auch zu einem schnellen Partikelwachstum bei. Die neuentstandenen Teilchen können somit Wolkeneigenschaften und damit das Klima beeinflussen. In einem parallel erscheinenden Artikel in Nature werden die (neu-)identifizierten Mechanismen durch direkte atmosphärische Flugzeugmessungen bestätigt.
„Die Ergebnisse zeigen, dass Isopren die Teilchenneubildung über weite Gebiete der oberen tropischen Troposphäre wesentlich steuert, obwohl es bodennah die Partikelneubildung eher hemmt“, erklärt Aerosolphysiker und Co-Studienautor Paul Winkler von der Universität Wien.
Infolge des Wachstums und Absinkens in niedrigere Höhen stellen diese Teilchen offenbar eine Quelle von Kondensationskernen von globaler Bedeutung für tiefliegende kontinentale und maritime Wolken dar, die die Strahlungsbilanz besonders stark beeinflussen.
„Wir gehen davon aus, dass die Biosphäre in der sauberen Atmosphäre der vorindustriellen Zeit verstärkt Wolkenkondensationskerne produziert hat, wodurch der Unterschied zur verschmutzten Atmosphäre von heute deutlich geringer ausfällt als bisher angenommen“, so Armin Hansel von der Universität Innsbruck.
Die neuen Ergebnisse liefern einen wichtigen Beitrag zum genaueren Verständnis vieler unterschiedlicher Mechanismen, die zur Erderwärmung beitragen. Es ist daher zu erwarten, dass Luftreinhaltungsmaßnahmen insbesondere die Reduktion von SO2 Emissionen nicht zu einer so starken Klimaerwärmung beitragen, wie gedacht.