Der Wald der Zukunft wird mit anderen Bedingungen zurechtkommen müssen als der von heute. Deshalb ist es laut Forschenden der Technischen Universität München (TUM) wichtig, die Bewirtschaftung der Wälder strategisch zu planen. Mit iLand hat das Forschungsteam ein Simulations-Modell entwickelt, das langfristige Entwicklungen großer Waldflächen bis auf den Einzelbaum genau berechnen kann – einschließlich Störfaktoren von Borkenkäfer bis Waldbrand.
Verkohlte Baumstämme und schwarze Böden sind Bilder, die sich nach Waldbränden einprägen. Unweigerlich stellt sich die Frage, ob es gelingen kann, diese Fläche wieder in eine grüne Naturlandschaft zu verwandeln. Laut Rupert Seidl, Professor für Ökosystemdynamik und Waldmanagement, ist das durchaus möglich. Das „Wie“ entscheide aber darüber, wie viel der neue Wald dem Klima, der Natur und dem Menschen bringt.
„Die Waldbestände von heute sind nicht optimal an das zukünftige Klima angepasst,“ sagt Rupert Seidl. „Sie geraten voraussichtlich in den nächsten Jahrzehnten durch Faktoren wie Wassermangel und Schädlingsbefall unter noch mehr Druck und drohen sogar abzusterben. Deshalb ist es klug, Maßnahmen wie die Wiederaufforstung von Störungsflächen auch dazu zu nutzen, die Baumarten strategisch auszuwählen und zukünftige Entwicklungen mitzudenken.“
Doch wie kann man herausfinden, welche Baumarten in zwanzig, dreißig oder vierzig Jahren einen klimarobusten Wald ausmachen? Experimente liefern häufig nur bedingt aussagekräftige Antworten, da sie nur einen kurzen Abschnitt der Jahrzehnte bis Jahrhunderte dauernden Waldentwicklung beleuchten können. Auch die langfristigen Auswirkungen von großflächigem Borkenkäferbefall können durch Beobachtungen nur unzureichend abgeschätzt werden. Um heute bereits den Wald von morgen zu begründen, ist jedoch genau das nötig.
Mit digitalem Zwilling ein Baum-Portfolio erstellen
Forschende nutzen deshalb Simulations-Modelle, also Software, die ein digitales Abbild der Wirklichkeit erstellen und komplexe ökologische Zusammenhänge darstellen können. Ein solches Modell hat Rupert Seidl gemeinsam mit Werner Rammer und einem Team des Lehrstuhls entwickelt: iLand kann unterschiedlichste Wälder als digitale Zwillinge anlegen und ihre langfristige Entwicklung unter verschiedenen Klimaszenarien berechnen, also zum Beispiel bei gleichbleibenden klimatischen Verhältnissen, einer Erwärmung von einem oder von 4,8 Grad.
Andere Modelle arbeiten ähnlich wie das der TUM-Forschenden, betrachten dabei aber einzelne Waldbestände mit einer Größe von wenigen Hektar. „In iLand können wir die Interaktionen zwischen Bäumen und ihren Nachbarn, aber auch zwischen Bäumen und zum Beispiel Borkenkäfern über Jahrzehnte bis Jahrhunderte simulieren – und das über große Flächen von bis zu 100.000 Hektar, womit komplette Nationalparks untersucht werden können. Mit anderen Modellen ist das in dieser Form aktuell nicht möglich“, sagt Werner Rammer.
Die Einsatzmöglichkeiten für iLand sind dadurch sehr vielfältig, denn durch die hohe Auflösung kann das Modell sehr detailliert Maßnahmen zur Waldbewirtschaftung simulieren. So lässt sich zum Beispiel berechnen, wie sich Abholzung oder das Pflanzen bestimmter Baumarten auf den restlichen Wald auswirkt, welches Portfolio von Baumarten am meisten CO2 speichert und schnell Biomasse aufbaut, damit das Holz als Rohstoff genutzt werden kann. Auch Extremereignisse wie Waldbrände, Stürme oder Dürren können abgebildet werden.
Offen für die Weiterentwicklung
Seit mittlerweile zwölf Jahren arbeiten Seidl, Rammer und das Team an iLand und entwickeln es weiter. Mittlerweile diente es in mehr als 50 Studien verschiedener Forschungseinrichtungen als Modell. „Inzwischen können wir 150 Baumarten im Computerwald nachbilden und haben das Modell so erweitert, dass es auf drei Kontinente anwendbar ist. Wer damit arbeiten möchte, kann das Programm selbst weiterentwickeln und auf seine Bedürfnisse anpassen. Das soll es ermöglichen, dass möglichst viele Forschende iLand nutzen“, sagt Werner Rammer.