Wasserwende: Maßnahmen für ein klimaresilientes Wassermanagement

Dr. Robert Lütkemeier Jürgen Mai ISOE - Institut für sozial-ökologische Forschung

Auch in Deutschland nehmen Hitze- und Dürreperioden sowie Starkregen- und Hochwasserereignisse zu. Diese Extremereignisse erhöhen den Druck auf die Wasserressourcen und gefährden die bestehende Infrastruktur. Mit ihrer Nationalen Wasserstrategie vom März 2023 wollte die Ampelregierung den daraus resultierenden vielfältigen Herausforderungen begegnen – der angekündigte Umsetzungsplan des Aktionsprogramms liegt jedoch bis heute nicht vor. Ein Gespräch mit ISOE-Forscher Robert Lütkemeier über die drängendsten Probleme und die Entwicklung geeigneter Maßnahmen für ein klimaresilientes Wassermanagement. Dr. Robert Lütkemeier leitet am ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung das Forschungsfeld Wasser und Landnutzung. Er ist zudem Co-Leiter der Nachwuchsforschungsgruppe „regulate“, die sich mit Fragen des Grundwassermanagements in Europa beschäftigt.


Dass unsere Wasserressourcen zunehmend unter Druck geraten, ist seit Jahren bekannt. Als die Ampelregierung im März 2023 ihre nationale Wasserstrategie vorstellte, hat sie versprochen, dass damit die Ressource in Zukunft besser geschützt werde und die Trinkwasserversorgung überall sicher bleibe. Wie schätzen Sie das Potenzial der Strategie ein?

Die Nationale Wasserstrategie ist ein zentraler Schritt, um die wachsenden Herausforderungen in den Bereichen Wasserversorgung, Ressourcenschutz und Klimaanpassung in Deutschland anzugehen. Durch den partizipativen Entwicklungsprozess wurden zehn strategische Themenfelder identifiziert, die 78 konkrete Maßnahmen umfassen. Diese decken ein breites Spektrum von kurz- bis langfristigen Handlungsplänen ab und sollen sicherstellen, dass die Wasserversorgung stabil und bezahlbar bleibt, Ressourcen besser geschützt und Klimaanpassungsmaßnahmen effektiver gestaltet werden.  Der Erfolg der Strategie hängt jedoch maßgeblich von der konkreten Umsetzung ab. Das Bundesumweltministerium hatte schon für Mitte 2024 einen Umsetzungsplan angekündigt. Nach dem Aus der Ampelkoalition ist unklar, wann er kommt. Aber dieser Plan wird entscheidend sein, um die Maßnahmen koordiniert und wirkungsvoll umzusetzen.

In welchem Themenfeld der Wasserstrategie sehen Sie den größten Handlungsbedarf?

Alle zehn strategischen Themenfelder der Nationalen Wasserstrategie sind wichtig, besondere Aufmerksamkeit erfordern aus meiner Sicht jedoch die Maßnahmen zur Anpassung an Wasserextreme. Deutschland sieht sich zunehmend mit Starkregen, Hochwasser und Dürreperioden konfrontiert, die nicht nur Leib und Leben gefährden, sondern auch die Sicherheit unserer Wasserversorgung auf die Probe stellen und gleichzeitig den Ökosystemen substanziellen Schaden zufügen können. Wie massiv der Klimawandel beispielsweise den Grundwasserstress verschärfen kann, haben wir kürzlich in einer Studie für ganz Europa ermittelt. Unsere Berechnungen deuten darauf hin, dass im schlimmsten Fall mehr als die Hälfte der Landfläche Europas bis zum Ende des Jahrhunderts mit einer Abnahme des Grundwasserabflusses von über 25 Prozent rechnen muss. Diese Abnahme kann die Wasserversorgung und Ökosysteme negativ beeinflussen – hier setzt unsere Forschung an. Es geht darum, uns als Gesellschaft klimaresilienter aufzustellen und solchen Herausforderungen zu begegnen.

Wie greifen Sie diesen Zusammenhang von Extremen und Wasser- bzw. Landnutzung in Ihrer Forschung auf?

Wir sprechen vom sogenannten Wasser-Land-Nexus, denn Fragen des Wassermanagements lassen sich nur im Zusammenhang mit der Landnutzung bearbeiten. Und speziell für die Herausforderungen durch Extreme – also einerseits „zu viel Wasser“ und andererseits „zu wenig Wasser“ – benötigen wir Lösungen, um diese zunehmenden Schwankungen auszugleichen. Zentral ist es daher aus meiner Sicht, den Wasserhaushalt sowohl in der Stadt als auch auf dem Land zu entschleunigen.

Was muss man sich unter einer Entschleunigung des Wasserhaushalts vorstellen?

Es bedeutet, gewissermaßen den Druck rauszunehmen aus dem Wasserkreislauf, indem wir den Wasserrückhalt stärken. Und genau dieser Punkt taucht in verschiedenen Themenfeldern der Nationalen Wasserstrategie auf, das begrüßen wir.

Was heißt das ganz konkret, wenn Sie den Wasserrückhalt stärken wollen. Wo sollte man das tun und vor allem wie?

Es gibt bereits einige Städte und Kommunen in Deutschland, die blaue und grüne Infrastrukturen nutzen, um den Wasserrückhalt effektiv zu fördern. In diesem Zusammenhang wird dann oft von der Schwammstadt gesprochen. Gemeint ist, dass Regenwasser möglichst dort gespeichert wird, wo es auf den Boden auftrifft, anstatt es direkt in die Kanalisation abzuleiten. Diese Maßnahme ist essenziell angesichts der zunehmenden Häufigkeit von Starkregenereignissen und Trockenphasen und macht urbane Gebiete widerstandsfähiger gegenüber extremen Wetterbedingungen. Indem Regenwasser in Böden, Versickerungsflächen oder durch spezielle grüne Infrastrukturen wie Gründächer und begrünte Fassaden gespeichert wird, lässt sich das Risiko von Überschwemmungen erheblich reduzieren. Solche Maßnahmen sehen wir mittlerweile immer häufiger in Städten. Wo wir allerdings mehr machen müssen, ist beim Wasserrückhalt in der Landschaft, also auf Wiesen und Äckern, in Wäldern und den Bach- und Flussläufen.

Was schlagen Sie für ländliche Räume vor?

Einzelne Maßnahmen für den Wasserrückhalt in der Landschaft gibt es natürlich schon längst. Mit Blick auf den Klimawandel müssen solche Maßnahmen aber besser miteinander verzahnt werden, um die Folgen von Extremereignissen strategisch abzuschwächen. Das erfordert ein Umdenken, sowohl in der Raumplanung als auch in einzelnen Sektoren, denn die gängige Praxis war bisher häufig, Wasser möglichst schnell abzuführen. Beispielsweise mit Drainagen in der Landwirtschaft, mit denen sich Ackerflächen entwässern lassen. Was wir jetzt aber brauchen, sind gewissermaßen Schwammlandschaften. Dafür sind verschiedene Maßnahmen in den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Wasserwirtschaft notwendig.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Eine Bepflanzung der Ackerflächen das ganze Jahr hindurch kann zum Beispiel die Infiltrationskapazität erhöhen. Oder anders gesagt: Äcker mit Bodenbedeckung können mehr Wasser aufnehmen als Brachflächen. Dadurch lässt sich der Oberflächenabfluss deutlich reduzieren. Auch die Renaturierung von Flussläufen bremst das Wasser ab, und sie hat zudem noch etliche Vorteile mit Blick auf Biodiversität und Wasserqualität. Und in den Wäldern, wo große Flächen ja dürre- und schädlingsbedingt abgestorben sind, bietet es sich jetzt an, den neuen Baumbestand auch mit Maßnahmen für Wasserrückhalt und Infiltration zu sichern. Solche Maßnahmen fördern die Grundwasserneubildung, mindern Hochwassergefahren und schaffen gleichzeitig Reserven für Trockenperioden. Kurz: Wir wissen, wie wir auch im ländlichen Raum die Resilienz gegenüber Extremereignissen stärken und langfristige Vorteile für die Wasserversorgung bieten können. Aber es fehlt bislang an Möglichkeiten für eine schnelle und koordinierte Umsetzung in der Breite.

Woran scheitert die Umsetzung?

Weil Lösungen auf dem Papier oft einfacher klingen, als sie in der Praxis sind. Häufig stößt schon die Planung solcher Maßnahmen auf Konflikte, denn ein großräumiger Wasserrückhalt erfordert auch großflächige Maßnahmen. In der Folge müssen zum Beispiel Landwirte ihre konventionellen Bewirtschaftungsformen anpassen, und hierfür braucht es Information und Aufklärung sowie Unterstützung und Förderung. Wir verfolgen mit unserem transdisziplinären Forschungsansatz deshalb das Ziel, durch eine enge Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis anwendungsorientierte Lösungen zu entwickeln. Mit unserer Forschungsgruppe regulate ist uns das beispielsweise für den Landkreis Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt gelungen, wo wir gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Wasserversorgung, der Behörden, der Landwirtschaft und des Naturschutzes ein Maßnahmenbündel geschnürt haben. Damit liegen konkrete Handlungsempfehlungen vor, um lokale Grundwasserkörper nachhaltig zu bewirtschaften und den Wasserrückhalt in der Region zu stärken. Daher hoffen wir, dass der Umsetzungsplan der Nationalen Wasserstrategie auch Erfahrungen der transdisziplinären Forschung berücksichtigt, um evidenzbasierte lokale Aktionen zu planen und in die Praxis überführen zu können.

Ist es realistisch, dass die Wasserwende gelingt?

Die Wasserwende ist zweifellos eine komplexe Aufgabe, denn gemeint ist ja nicht weniger als die Transformation unseres gegenwärtigen Wassermanagements. Aber angesichts der Klimarisiken ist die Wasserwende nun mal dringend erforderlich. Technische Innovationen müssen dabei mit organisatorischen und gesellschaftlichen Veränderungen Hand in Hand gehen, um Wasser effizienter zu nutzen und Extremereignissen besser zu begegnen. Interessant sind in dieser Hinsicht kommunale Klimaanpassungs- oder Wasserversorgungskonzepte, die wichtige Schritte in die richtige Richtung sind. Ein umfassender Wandel erfordert jedoch die Bereitschaft und das Engagement aller, bestehende Praktiken zu hinterfragen und neue Wege zu gehen – sei es durch wassersparende Technologien, blaue und grüne Infrastrukturen zur Wasserspeicherung oder infiltrationssteigende Maßnahmen in der Land- und Forstwirtschaft. Das bedeutet aber auch, Konflikte, die mit dem Wandel verbunden sind, zu erkennen, zu bearbeiten und die vielfältigen Interessen auszugleichen. Die Herausforderungen sind wirklich groß. Aber mit dem richtigen, sprich transdisziplinären Ansatz sind wir in der Lage, die Wasserwende erfolgreich zu gestalten und damit unsere Resilienz gegenüber den Folgen des Klimawandels auszubauen.

Zum Interview im ISOE-Blog:
https://isoe.blog/wassersicherheit-trotz-klimawandel-die-wasserwende-ist-dringen…