Zur Deckung seines Bedarfs wird Deutschland einen Großteil des grünen Wasserstoffs und der wasserstoffbasierten Syntheseprodukte importieren müssen. Im Projekt »HYPAT« hat daher ein Konsortium aus Wissenschaft und Entwicklungszusammenarbeit einen globalen Wasserstoff-Potenzialatlas entwickelt, der nachhaltige Standorte für die grüne Wasserstoffwirtschaft der Zukunft identifiziert und analysiert. Er zeigt erstmals umfassend mögliche Partnerländer Deutschlands für eine kooperative Entwicklung inklusive der potenziellen Handelsvolumina, Produktions- und Transportkosten jeweils für 2030 und 2050 auf.
Im Rahmen des Projekts hat das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE vor allem technoökonomische Analysen potenzieller Standorte für die grüne Wasserstoffproduktion und den Export möglicher Power-to-X-Produkte durchgeführt. Das Team analysierte detailliert die Kosten entlang der Wertschöpfungskette für den Import aus Brasilien, Marokko, Kanada, der Ukraine und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dabei berücksichtigten die Forschenden auch die Bedürfnisse der Partnerländer wie die nachhaltige Deckung der eigenen Energienachfrage, die Erreichung der formulierten Klimaziele und die Einhaltung spezifischer Nachhaltigkeitskriterien für die Wasserstoffwirtschaft.
Mit Hilfe des Simulationstools »H2ProSim« betrachtete das Team den Import von fünf Power-to-X-Produkten (Flüssigwasserstoff, Ammoniak, flüssige organische Wasserstoff-träger, Methanol, Fischer-Tropsch-Produkte) per Schiff. Während die Wasserstoff-Produktion als solche den höchsten Anteil an den Kosten hat (zwei Drittel bis drei Viertel), fallen je nach Produkt und Produktionsvolumen die Kosten für Synthese, Speicherung und Transport unterschiedlich stark ins Gewicht.
In Abhängigkeit vom gewählten Entwicklungsszenario sind laut der Studie künftig Im-portkosten von ca. 3,50 bis 6,50 Euro pro Kilogramm Wasserstoff in 2030 und 2 bis 4,50 Euro in 2050 möglich (s. Abb.). Prinzipiell können die meisten der im Projekt analysierten Länder Kosten in vergleichbarer Höhe realisieren.
Dabei muss die Frage, ob der Transport per Schiff oder Pipeline günstiger ist, für jedes Land individuell beantwortet werden. Während der Import per Schiff eine größere Flexibilität für Marktteilnehmer erlaubt, bringt der Pipeline-Transport einerseits strategische Partnerschaften und andererseits Abhängigkeiten mit sich, die man eigentlich vermeiden möchte.
Für den Import von reinem Wasserstoff per Schiff zeichnet sich Flüssigwasserstoff langfristig als kostengünstigste Option ab, allerdings ist diese Technologie noch nicht markt-verfügbar. Unter den Power-to-X-Produkten ist Ammoniak der vielversprechendste Kandidat, gefolgt von Methanol und Fischer-Tropsch-Syntheseprodukten.
Die Studienautorinnen und -autoren empfehlen daher die Förderung von Ammoniak als kurz- und mittelfristig am einfachsten realisierbares und günstigstes Produkt. Zudem sollte die Entwicklung von Flüssigwasserstoff-Technologien als potenziell wirtschaftlich attraktivste Option für Wasserstoffimporte beschleunigt werden.
Positive Effekte auf Exportländer
Die Forschenden des Fraunhofer ISE betrachteten gemeinsam mit ihren Projektpartnern auch Umweltaspekte, Nachhaltigkeitskriterien und soziale sowie wirtschaftliche Entwicklungschancen für die Exportländer, wie die erwartete Wertschöpfung vor Ort, Arbeits-plätze und weitere Co-Benefits.
Die Wasserstoff-exportierenden Länder können demnach durch den Handel profitieren: der Ausbau der für die Produktion nötigen erneuerbaren Energien kann zu einer schnelleren Energiewende und geringen Stromkosten führen. Dieser Synergieeffekt kann sich allerdings bei steigenden Exportvolumina wieder abschwächen: wenn das erneuerbare-Energien-Potenzial ausgeschöpft ist, kann es zu Strompreissteigerungen im Exportland kommen.
»Wir empfehlen daher, die Auswirkungen auf die lokale Energiewende früh mit den Exportländern zu adressieren, um Fehlentwicklungen im Ausbau der Infrastrukturen zu vermeiden. Bei einigen Ländern sind Obergrenzen beim Exportvolumen deutlich geworden und diese sollten berücksichtigt werden«, erklärt Ombeni Ranzmeyer, einer der Studienautoren vom Fraunhofer ISE. Länder, die ihre Industrie und Energiewirtschaft schneller defossilisieren können, sollten zudem den Vorzug erhalten.
Nachhaltige Wasserversorgung für Wasserstoffproduktion
Um ein Kilogramm Wasserstoff zu produzieren, benötigen Elektrolyseure aktuell 15 bis 20 Kilogramm Frischwasser (einschließlich Verlusten und Kühlung). Zudem wird in deutlich geringerem Maße Wasser für die Stromerzeugung benötigt – als Kühlmittel oder zur Reinigung von Photovoltaikanlagen, sowie je nach Produkt für die Synthese. In Regionen mit geringen Süßwasserreserven müssen daher Alternativen (Meerwasserentsalzung, Transport durch Pipelines) in die Planung von nachhaltigen Wasserstoff-Projekten eingehen.
Das Team des Fraunhofer ISE analysierte im HYPAT-Projekt beispielhaft die Wasserkosten für potenzielle Power-to-X-Standorte in Marokko, wobei Geodaten mit den Kosten von Wasseraufbereitungstechnologien und -leitungen kombiniert wurden.
Die Studie zeigt, dass für die Wirtschaftlichkeit der Wasserversorgung- und -übertragung eine Mindestgröße des Elektrolyseurprojekts erreicht werden muss, die je nach Region variiert. Die Investitionskosten für die Wasserversorgung lagen für Marokko je nach Standort bei 0,012 bis 0,245 € pro Kilogramm erzeugten Wasserstoffs, was im Vergleich zu anderen Kosten (z. B. für die Elektrolyse) sehr niedrig ist.
»Wir konnten mit dieser Studie einen ausgewogenen Rahmen für die Bewertung der Wasserkosten für Elektrolyse- und PtX-Produktionsmodelle schaffen, ohne dabei die Nachhaltigkeitsaspekte zu vernachlässigen, die alle Sektoren betreffen, die auf die kostbare Ressource Wasser angewiesen sind«, so Studienautor Friedrich Mendler.