Vielen Menschen macht der Klimawandel Angst. Andere verleugnen die von Menschen verursachten Veränderungen. Wieder andere versuchen zu erforschen, wie Menschen, Tiere und Pflanzen lernen könnten, besser damit umzugehen. Einer davon ist der promovierte Hydrologe Matthias Beyer – Leiter der Forschergruppe „Isodrones“ – Institut für Geoökologie der Technischen Universität Braunschweig. Er arbeitet im Projekt zusammen mit Professor Matthias Bücker von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
In einem von der Klaus Tschira Stiftung über drei Jahre geförderten Projekt versucht das Forschungsteam, die hydraulische Umverteilung von Wasser durch Pflanzen besser zu verstehen und die Ergebnisse dann für Land- und Forstwirtschaft nutzbar zu machen. Hydraulische Umverteilung bezeichnet den passiven, nächtlichen Transport von Bodenwasser durch Pflanzenwurzeln von feuchten in trockenere Bodenschichten.
Dabei geht es um nicht weniger als die Anpassung an Dürreperioden und Temperaturextreme, die auch im klimatisch gemäßigten Mitteleuropa immer häufiger werden. „Die Umverteilung von Wasser im Boden, die von Pflanzen ermöglicht wird“, sagt Beyer, „entscheidet in Agrar-, Stadt- und Waldsystemen bei Dürreperioden über Leben und Sterben“.
Wird dieses Umverteilungssystem des Wassers verstanden und effektiv genutzt, dann kann es unter Umständen ganze Ökosysteme widerstandsfähiger gegen klimatische Trockenextreme machen. Dafür braucht es allerdings deutlich mehr Verständnis darüber, wie hydraulische Umverteilung funktioniert und welchen Einfluss diese auf Ökosysteme hat. Und das eben nicht nur im kleinen Labormaßstab, sondern unter Realbedingungen beispielsweise in einem ganzen Wald über eine längere Zeit hinweg.
Wasserspender für das Ökosystem
Dem Forschungsteam geht es um die Umverteilung von Wasser durch Pflanzenwurzeln von einem Ort im Boden mit viel Wasser zu einem Ort mit wenig Wasser. Das klassische Beispiel: im Sommer gibt es einen komplett ausgetrockneten Oberboden, während durch die zahlreichen Niederschläge im Frühjahr in tieferen Schichten noch Wasser vorhanden ist. Es gibt nun bestimmte Pflanzengruppen, die so tiefe Wurzeln haben, dass sie die Wasservorräte in der Tiefe noch erreichen.
Mittels eines hydraulischen Effekts können sie Wasser in die obere Erdschicht befördern. Der Effekt beruht auf der sogenannten Saugspannung. Sie ist bei trockenem Boden viel höher als in den unteren, wasserreichen Bodenschichten. Das führt zu einem Pumpeneffekt, bei dem Wasser von unten nach oben gezogen wird. Tagsüber kommt diese Saugspannung aus der Atmosphäre, womit das Wasser von unten bis in die Baumkronen gezogen und über die Blätter verdunstet wird. Nachts nimmt der Saugeffekt der Atmosphäre ab, da die Stomata der Pflanzen geschlossen sind.
Ab einer gewissen Saugspannungsdifferenz zwischen Ober- und Unterboden zieht der trockene Boden dann Wasser über die Wurzeln ins Erdreich. Davon profitieren die tiefwurzelnden Pflanzen zum einen selbst, weil das von unten nach oben gepumpte Wasser gleich am Morgen wieder für die Photosynthese zur Verfügung steht. Gleichzeitig wird das Wasser auch für andere, flachwurzelnde Pflanzen verfügbar, die sonst nicht an das tiefere Wasser kommen würden.
Zwei Methoden sollen im Projekt zu Ergebnissen führen: Die eine nutzt die Messung stabiler Wasserisotope, um den Weg der zunächst als Niederschlag fallenden Wassermoleküle durch den Boden und zurück in die Atmosphäre sozusagen nachzuverfolgen.
Bei der zweiten Methode – nämlich geophysikalischem Monitoring – werden im Waldboden elektrische Sensoren installiert. Diese Sensoren sollen winzige, zeitlich variable elektrische Signale aufzeichnen, die durch die Wasserbewegungen in Wurzeln und Boden während der hydraulischen Umverteilung entstehen. Eine Art kleiner „Nägel“, die in den Boden gesteckt und mit Messgeräten verbunden werden, sollen außerdem bei sogenannten geoelektrischen Messungen räumliche und zeitliche Variationen im Wassergehalt erfassen können.
Ein Forschungsgebiet mit viel Zukunftspotenzial
Wie kam es zu dieser Forschungsidee? Beyer selbst hatte als Hydrologe mit Pflanzen lange nicht wirklich etwas zu tun. Erst seine Doktorarbeit in Namibia, für die er die dortige Neubildung von Grundwasser erforschte, lehrte ihn, dass die Wurzeltiefe von Pflanzen eine große Rolle im Wasserhaushalt eines Bodens spielen könnte.
Was könnte am Ende des Projekts an Erkenntnissen stehen?
Matthias Beyer: „Wir wissen dann, welche Baumarten tief wurzeln und was das für die anderen Pflanzen bedeuten könnte“. Schon heute profitieren einige Baumarten von diesem Prozess. Bekannt ist das auch im Agroforst, wo Bäume Obst und Gemüse Schatten spenden und Wasser zur Verfügung stellen. Herausfinden möchte die Forschungsgruppe auch noch, welche Rolle Pilzgeflechte im Boden spielen.
„Es ist ein breites und komplexes Forschungsfeld, dessen Bedeutung angesichts der globalen Entwicklungen stetig zunimmt“, betont Alex Seuthe, Förderreferent für Forschung bei der Klaus Tschira Stiftung. „Das Vorhaben ist ein exzellentes Grundlagenforschungsprojekt mit einem klar definierten Erkenntnisziel. Es verspricht, nicht nur die Land- und Forstwirtschaft maßgeblich voranzubringen, sondern auch unser Verständnis der Anpassungsfähigkeit von Ökosystemen im Klimawandel wesentlich zu erweitern.“