Verkehrslärm und Luftverschmutzung: Diese beiden Faktoren tragen wesentlich bei zur Entstehung von Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck und Atherosklerose, einer krankhaften Verhärtung von Arterien – mit gravierenden Folgen für die Betroffenen. So zeigen Studien, dass allein in Europa der Verkehrslärm für den Verlust von 1,6 Millionen gesunden Lebensjahren verantwortlich ist.
Zusätzlich verursacht die Luftverschmutzung vor allem durch Feinstaub jedes Jahr rund 500.000 vorzeitige Todesfälle. Trotz solch gravierender Auswirkungen werden diese Gesundheitsrisiken in klinischen Leitlinien oft nicht angemessen berücksichtigt. Darüber hinaus liegen die europäischen Grenzwerte für Lärm und Feinstaub über den von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlenen Normen.
Das zu ändern ist das Ziel eines neuen, europaweiten Forschungsprojekts, das jetzt die Arbeit aufgenommen hat. MARKOPOLO – kurz für Markers of Pollution – untersucht dazu die Auswirkungen von Verkehrslärm und Luftverschmutzung auf die menschliche Gesundheit. Eines seiner Hauptziele ist es, krankheitsrelevante Biomarker zu identifizieren und die molekularen Mechanismen zu verstehen, die bei Erkrankungen des Gehirns, der Lunge und des Herz-Kreislauf-Systems eine Rolle spielen. Das Projekt hat eine Laufzeit von vier Jahren; daran beteiligt sind 15 Partnern aus zehn Ländern. Finanziert wird das Vorhaben mit rund acht Millionen Euro aus Mitteln der EU sowie vom Schweizer Nationalfonds mit 1,28 Millionen Euro.
Das Würzburger Forschungsteam
Eine der Projektbeteiligten ist Ulrike Zeigermann, Juniorprofessorin für Sozialwissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Ihre Rolle als Politikwissenschaftlerin in einem ansonsten stark medizinisch-klinisch ausgerichteten Forschungsumfeld beschreibt sie so: „ Wir arbeiten an den Schnittstellen von Wissenschaft, Politik und Praxis.“ Oder konkreter: „Unsere Aufgabe ist es, in diversen Ländern der EU die Akteure zu identifizieren, die daran beteiligt sind, politische Prozesse voranzutreiben oder zu blockieren.“
Sollte der Forschungsverbund also konkrete Maßnahmen identifizieren, die dazu beitragen, gesundheitliche Risiken in EU-Ländern zu verringern, weisen die Ergebnisse von Zeigermanns Team im Idealfall den Weg auf zu deren Umsetzung – beispielsweise durch den Erlass neuer Gesetze und Verordnungen sowohl EU-weit als auch auf nationaler und regionaler Ebene.
Rund 370.000 Euro erhält Ulrike Zeigermann dafür von der EU. Damit kann sie eine wissenschaftliche Mitarbeiterin oder einen wissenschaftlichen Mitarbeiter, Hiwis und deren Reisekosten finanzieren – und reisen muss die Projektverantwortlichen definitiv viel. „Wesentlicher Bestandteil unserer Studie wird es sein, in den jeweiligen Ländern vor Ort mit den zentralen Stakeholdern Interviews zu führen“, erklärt Zeigermann. Dazu zählen beispielsweise Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Gewerkschaften, aus Umweltverbänden und der Industrie, aus dem Gesundheitssystem und von Lobbyverbänden.
Ein Beitrag für konkrete Veränderungen
Ergänzt werden diese Interviews durch eine vergleichende Politikfeldanalyse der Ausgangslage in den einzelnen Ländern. Wie sehen dort die gesetzlichen Regelungen aus? Welche Standards gelten? Welche Problemfelder existieren? Wer ist dazu in der Lage, politische Entscheidungen voranzutreiben, wo finden sich die Blockierer, wie verlaufen Prozesse des Wissenstransfers und wer ist daran beteiligt? Von einem „Akteursmapping“ spricht Zeigermann in diesem Zusammenhang.
Mit ihrer Arbeit will die Sozialwissenschaftlerin diejenigen Faktoren identifizieren, die dazu beitragen, gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken. „Es geht schließlich nicht in erster Linie darum, Forschungsergebnisse in wissenschaftlichen Fachzeitschriften zu publizieren“, sagt Zeigermann. Sie möchte vielmehr mit ihrer Arbeit einen Beitrag dazu leisten, Forschungsergebnisse in Politik und Praxis übersetzen zu können. Die Notwendigkeit dafür liegt ihren Worten nach klar auf der Hand, schließlich nehme die Belastung durch Schadstoffe und Verkehrslärm überall zu. Wenn es gelinge, diesen Prozess umzukehren, sei dies ein großer Erfolg für das Forschungsprojekt.