Wie kann Seegras dazu beitragen, den Klimawandel zu bekämpfen? Diese Frage steht im Mittelpunkt des neuen Forschungsprojekts ZOBLUC („Zostera marina als Blue Carbon-Kohlenstoffspeicher“), das jetzt unter der Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel startet. Ziel ist es, die Rolle von Seegraswiesen als Kohlenstoffspeicher genauer zu untersuchen und Handlungsempfehlungen für deren Schutz zu entwickeln.
Seegraswiesen fördern Artenvielfalt, tragen durch Wellenberuhigung zum Küstenschutz bei und verbessern die Wasserqualität. Sie sind darüber hinaus auch sehr effektive Speicher für Kohlendioxid (CO2), denn die Unterwasserpflanzen binden Kohlenstoff sowohl in ihren Blättern und Wurzeln als auch im Sediment.
Am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel startet jetzt ein neues Projekt, bei dem in Zusammenarbeit mit der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und dem Landesamt für Umwelt Schleswig-Holstein (LfU) die Rolle von Seegraswiesen als natürliche Kohlenstoffsenken untersucht und Strategien für ihren Schutz und ihre Renaturierung entwickelt werden sollen.
Der Projektname ZOBLUC steht für „Zostera marina als Blue Carbon-Kohlenstoffspeicher in der Ostsee“ – Zostera marina ist der wissenschaftliche Name des in der Ostsee heimischen Großen Seegrases. Gefördert wird das Projekt vom Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) des Bundesumweltministeriums sowie durch das Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein mit insgesamt rund sechs Millionen Euro.
Drei Schwerpunkte für den Schutz von Seegraswiesen
„Seegraswiesen sind wie unterseeische Moore“, erklärt der wissenschaftliche Projektleiter Prof. Dr. Thorsten Reusch, Professor für Marine Ökologie am GEOMAR, „sie speichern Kohlenstoff, der über Jahrhunderte im sauerstoffarmen Sediment konserviert wird.“ Im Rahmen des Projekts soll nun gezielt untersucht werden, unter welchen Bedingungen Seegraswiesen besonders viel CO2 speichern.
Reusch: „Wo zum Beispiel starke Erosion durch Wellengang herrscht, wird weniger Kohlenstoff eingelagert als in ruhigen Buchten, in denen Partikel schneller absinken und Sedimentschichten bilden.“
Die Forschung wird die Kohlenstoffspeicherung von Seegraswiesen nicht nur bilanzieren, sondern auch modellieren, wie sich diese unter veränderten Umweltbedingungen entwickeln könnte.
Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt am GEOMAR ist die Renaturierung von Seegraswiesen. Dabei ist es entscheidend, die Renaturierung resilient und damit zukunftsfähig zu machen. Reusch: „Es nützt wenig, wenn wir jetzt Seegraswiesen wieder anpflanzen, die dann in wenigen Jahren wieder absterben, weil sie mit den steigenden Wassertemperaturen nicht zurechtkommen.“ Dazu wird das Seegras experimentell verschiedenen Stressfaktoren ausgesetzt, um robuste, klimaresistente Bestände zu züchten, die so genannte Assisted Evolution.
Unterwasser-Gärtnern zum Mitmachen
Der dritte Schwerpunkt liegt auf der Einbindung von Bürgern in die Renaturierung. Nachdem das GEOMAR in den vergangenen Jahren Pflanzschulungen entwickelt und angeboten hat, um in kleinerem Maßstab versuchsweise Seegraswiesen wieder anzupflanzen, wird jetzt im Zuge des neuen Projekts noch stärker auf die Mithilfe Freiwilliger gesetzt. Thorsten Reusch: „Die Pilotphase ist erfolgreich abgeschlossen, jetzt gehen wir in die Fläche.“
Die Unterstützung durch Freiwillige wird dringend benötigt, denn bei der Wiederanpflanzung verlorengegangener Seegraswiesen gibt es bislang noch kein effektiveres Vorgehen, als das manuelle Einpflanzen der einzelnen Halme durch Tauchern – die sogenannte Einzelspross-Transplantation.
Thorsten Reusch betont: „Dabei ist es ganz wichtig, dass alle, die mithelfen wollen, vorher den Schulungskurs durchlaufen und nur in den von uns empfohlenen Flächen gearbeitet wird.“
In diesem Jahr werden fünf Vereine und Nichtregierungsorganisationen mit Hilfe von freiwilligen Tauchern das Anpflanzen auf den wissenschaftlich ausgewählten Flächen übernehmen. Zu diesen zählen unter anderem Standorte bei Gelting, Holnis-Ost und Wulfen. Die dabei gesammelten Beobachtungsdaten werden am GEOMAR ausgewertet, um daraus für die Zukunft zu lernen.
Andere Renaturierungstechniken, zum Beispiel durch Aussaat, werden derzeit parallel im Projekt SeaStore II entwickelt, werden aber noch einige Jahre bis zur großflächigen Anwendung benötigen.
Kartierung per Fächerecholot und Drohnen
Zunächst aber wird der aktuelle Bestand von Seegraswiesen in der Ostsee umfassend kartiert. Dazu nutzen Professorin Natascha Oppelt und Dr. Jens Schneider von Deimling von der CAU mit ihren Teams Methoden der Fernerkundung, bei denen modernste optische und akustische Messmethoden kombiniert werden. Auch die Überwachung der wiederangepflanzten Flächen mittels Drohnen wird die CAU übernehmen.