Temperaturschwankungen steuern die Artenvielfalt

Die Arten-Zusammensetzung ändert sich in vielen Ökosystemen der Erde – Temperaturänderungen spielen dabei eine wichtige Rolle. Das Foto zeigt eine Bergwiese in den Alpen Gernot Kurz

Eine neue Studie unter maßgeblicher Mitarbeit des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) zeigt, dass sich die Biodiversität dort schneller verändert hat, wo sich auch die Temperaturen schneller verändert haben. Die Forschenden untersuchten, wie sich die Zusammensetzung der Arten – aber nicht die Anzahl der Arten – in einem Ökosystem über die Zeit verändert hat. Das Ergebnis: Je schneller die lokale Erwärmung oder Abkühlung, desto größer waren die beobachteten Veränderungen in der Arten-Zusammensetzung.

Die Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass Verhaltensanpassungen nicht ausreichen, um die Arten-Zusammensetzung angesichts veränderter Temperaturen zu erhalten:

„Es ist, als würde man Spielkarten neu mischen, und durch die Temperaturveränderungen werden die Karten immer schneller gemischt“, sagt der Erstautor Professor Dr. Malin Pinsky von der UC Santa Cruz, USA. Pinsky arbeitete 2020 im Rahmen eines Forschungsaufenthalts bei iDiv. Er sagt: „Die Sorge ist, dass man irgendwann anfängt, einige Karten zu verlieren.“

Die Ergebnisse der Studie sind einzigartig, da die Auswirkungen von Temperaturveränderungen an Land oder in Süßwasserökosystemen oft unklar waren. Denn anders als im Meer können sich Pflanzen und Tiere an Land auf subtilere Weise anpassen, so die Forschenden.

Im Gegensatz zu Meerestieren können Tiere an Land oft kurze Strecken zurücklegen, um neue Orte zu finden, die ihren Temperaturanforderungen besser entsprechen. Auch wenn dies die Auswirkungen des Temperaturwandels etwas abschwächen kann, zeigt die neue Studie, dass Landtiere immer noch anfällig gegen Temperaturveränderungen sind.

In ihrer Studie konzentrierte sich das Forschungsteam auf die Veränderung der Arten-Zusammensetzung im Laufe der Zeit. Dies geschieht zwar auch auf natürliche Weise, aber die Forschenden fanden heraus, dass sich der Arten-Austausch durch höhere Temperaturänderungen beschleunigt.

Sollte sich dieser Trend fortsetzen, könnte dies Ökosystemfunktionen und Ökosystemleistungen gefährden, so die Schlussfolgerung der Studienautorinnen und -autoren. Dieses Risiko könne gesenkt werden indem die globale Erwärmung und die Umwandlung natürlicher Ökosysteme gebremst und heterogene Landschaften mit unterschiedlichen Temperaturnischen gefördert werden.

Warum unterschiedliche Umgebungen wichtig sind

Die Forschenden stellten fest, dass Arten in strukturarmen, homogenen Landschaften empfindlicher auf Temperaturveränderungen reagierten als solche mit vielfältigen Temperaturnischen in der Nähe.

Ökosysteme weltweit reagieren sensibel auf Temperaturänderungen. Das Foto zeigt einen Buchenwald im Nationalpark Hainich. Stefan Bernhardt, iDiv

Ein Vergleich: Wenn ein Mensch im Sommer auf einem offenen Feld steht und anfängt zu überhitzen, gibt es keinen Ort, an dem er sich abkühlen könnte. Wenn sich jedoch ein Wald in der Nähe befindet, könnte er den Schatten eines Baumes aufsuchen, um sich abzukühlen. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass Tiere vielfältige Strukturen in ihren Lebensräumen nutzen, um sich gegen große Temperaturschwankungen zu schützen. Dies kann ihr lokales Überleben sichern.

„Dieses Ergebnis zeigt das Potenzial lokaler Umweltbedingungen, die Auswirkungen von Temperaturerhöhungen entweder abzupuffern oder zu verstärken“, sagt Co-Autor Dr. Benoit Gauzens von iDiv und der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Deshalb ist es wichtig, vielfältige Lebensräume zu erhalten, um unterschiedliche klimatische Bedingungen und Rückzugsräume für Arten zu bewahren.“

Jedoch weisen nicht alle Lebensräume vielfältige Temperaturnischen auf, um den dort lebenden Arten Schutz zu bieten. Ein besseres Verständnis der unterschiedlichen Bedürfnisse von Arten helfe deshalb, jene Ökosysteme zu identifizieren, die am meisten Aufmerksamkeit und Schutz benötigen, so die Forscherinnen und Forscher.

„Der gefundene Zusammenhang zwischen der Geschwindigkeit des Klimawandels und der Geschwindigkeit des Arten-Austauschs, hilft uns besser zu verstehen, wie sich wandelnde Temperaturen verschiedene Ökosysteme verändern“, sagt Senior-Autor Dr. Shane Blowes von iDiv und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. „Die Identifizierung jener Faktoren, die den lokalen Arten-Austausch bestimmen, hilft bei der Priorisierung von Naturschutzmaßnahmen.“

Wie sich menschliche Aktivitäten auf den Artenwandel auswirken

Die Forschenden fanden heraus, dass menschliche Einflüsse wie Landnutzung, Umweltverschmutzung und das Einschleppen invasiver Arten die Auswirkungen des Temperaturwandels auf den Arten-Austausch noch verstärken. Dies ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass menschliche Aktivitäten die Vielfalt der Landschaften verringern und den Stress für Arten erhöhen, die sich bereits an ihrer Temperaturgrenze befinden.

Um die Ökosysteme und ihren Nutzen für den Menschen zu erhalten, könne der Mensch „mehr natürliche Lebensräume erhalten, die Umweltverschmutzung reduzieren und die Ausbreitung invasiver Arten einschränken“, so Erstautor Pinsky. „Im Meer sind Faktoren wie die Verringerung des Fischereidrucks und der Schutz von Lebensräumen wichtig und hilfreich.“