Nachhaltigkeitszertifikate auf dem Prüfstand

Kakaohülsen nach der Ernte David Wagner

Den Lebensunterhalt für Kleinproduzierende verbessern und gleichzeitig die biologische Vielfalt auf Plantagen erhalten: Das versprechen Nachhaltigkeitszertifikate wie Fairtrade, Rainforest Alliance und Cocoa Life. Forschende der Universität Göttingen haben zusammen mit der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission (Joint Research Centre, JRC) untersucht, ob diese Zertifizierungen tatsächlich beide Ziele gleichzeitig erreichen.

Dazu haben sie den ghanaischen Kakaosektor beleuchtet und herausgefunden, dass Zertifizierungen zwar die Kakaoerträge und das Kakaoeinkommen der Kleinproduzierenden verbesserten, jedoch konnten sie keine Auswirkungen der Zertifizierung auf die biologische Vielfalt in den Kakaoplantagen finden. Die Ergebnisse der Studie sind in der Fachzeitschrift Ecological Economics erschienen.

Ghana ist der zweitgrößte Kakaoproduzent der Welt, jedoch ist sein Kakaosektor mit vielen sozioökonomischen und ökologischen Problemen verbunden. Die aktuelle Studie ist eine der bisher umfassendsten zu den Auswirkungen der Nachhaltigkeitszertifizierung: Die Feldarbeit umfasste Interviews mit 814 kakaoproduzierenden Haushalten und Bestandsaufnahmen der Biodiversität auf 119 Kakaoplantagen.

Trocknende Kakaobohnen, bevor die Produzierenden sie verkaufen. Marlene Wätzold

Damit bezogen die Forschenden 46 Dörfer in fünf großen Kakaoregionen des Landes mit ein. Sie kamen zu dem Schluss, dass Nachhaltigkeitszertifizierungen in Ghana zwar die wirtschaftliche Lage von Kleinproduzierenden fördern, jedoch konnten sie weder eine Verbesserung noch eine Beeinträchtigung auf die Biodiversität finden.

„Die höheren Kakaoerträge und damit verbundenen Kakaoeinkommen sind auf Zertifizierungsanforderungen zurückzuführen, weil diese Kleinproduzierende zu Schulungen motivieren“, erklärt Erstautorin Marlene Wätzold vom Graduiertenkolleg Nachhaltige Ernährungssysteme der Universität Göttingen. „Obwohl zertifizierte Kleinproduzierende auch motiviert werden, die Biodiversität zu fördern, fanden wir keine nennenswerten Umwelteffekte.“

„In unserer Studie haben wir keine Hinweise auf einen Zielkonflikt zwischen Ertrag und Biodiversität gefunden“, fügt Dr. Carolina Ocampo-Ariza von der Abteilung Funktionelle Agrobiodiversität und Agrarökologie der Universität Göttingen hinzu. „Es ist jedoch zu bedenken, dass sich die biologische Vielfalt über längere Zeiträume hinweg verändert, das heißt, dass es länger dauern kann, bis Veränderungen eintreten.“

Die Forschenden schlagen vor: Für einen greifbaren Nutzen für die Natur müssen die Anforderungen an die Nachhaltigkeitszertifizierung wahrscheinlich durch weitere Maßnahmen zum Erhalt der biologischen Vielfalt ergänzt werden.