Prof. Gries ist u.a. Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech), der Akademie der Wissenschaften NRW und im Beirat der „Zukunftsinitiative Textil NRW (ZiTex)“. Er ist auch Fach-Gutachter, Reviewer von Fachzeitschriften und sitzt in Aufsichtsräten und Beiräten von Wirtschaftsunternehmen und Forschungsinstituten. Gries studierte ab 1984 Wirtschaftsingenieur- und Ingenieurwissenschaften. In der Zeit von 1990 bis 1995 promovierte Gries in Ingenieurwissenschaften mit Auszeichnung. Danach wurde er stellvertretender Technologiemanager bei der Firma Lurgi. Gries bereiste in dieser Funktion Südostasien, insbesondere Taiwan, Korea und China. Später wurde er zum Leiter der Faser- und Textiltechnologie befördert.) Im Jahr 1999 erhielt er einen Ruf an die RWTH Aachen an das Institut für Textiltechnik (ITA). Im April 2001 wurde er dort Institutsleiter. Als Leiter war er für das Konzept „Tailored Reinforcement Textiles“ verantwortlich. Darüber hinaus ist Prof. Gries ist u.a. Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech), der Akademie der Wissenschaften NRW und im Beirat der „Zukunftsinitiative Textil NRW (ZiTex)“.
Was genau ist das ITA und woran arbeiten Sie dort?
In unserem Institut kümmern wir uns um die ganzheitliche Biotransformation der Textiltechnik und versuchen damit die Nutzung biologischer Prinzipien für kreislauforientierte Wertschöpfungsprozesse zu sichern. Mit etwa 400 Mitarbeitern arbeiten wir an faserbasierten Hochleistungswerkstoffe, textile Halbzeuge und deren Fertigungsverfahren. Das Institut für Textiltechnik und der Lehrstuhl für Textilmaschinenbau sind verbunden mit der ITA Technologietransfer GmbH, der ITA Academy GmbH sowie die APS GmbH und dem Institut für Textiltechnik Augsburg gGmbH
Klingt beeindruckend. Wie kann man das ITA in der deutschen Forschungslandschaft einordnen?
Das ITA ist ein hochschulinternes Forschungsinstitut der RWTH. Von solchen Einrichtungen haben wir hier in Aachen etwa ein Duzend. Diese ähneln, von der Größe her, etwa den Fraunhofer-Instituten, sind aber Teil der Hochschule.
Dem Namen nach ist das ITA der Textiltechnik gewidmet. Was muss man darunter verstehen?
Wir sind im Bereich Maschinenbau unterwegs und kommen ursprünglich von den Faserwerkstoffen und den Textilmaschinen.
Ist Bekleidung kein Teil Ihrer Forschung?
Nein, in den vergangenen Jahren haben wir uns mehr um technische Textilien gekümmert. Ein sehr breites Spektrum zu dem auch Produkte gehören, wie beispielsweise Hygieneartikel, aber auch Textilien in technischen Bereichen etwa im Bereich Automobilproduktion. In diesen Bereichen forschen wir zum Großteil interdisziplinär und auch international.
Gibt es neben der Produktforschung auch weitere übergreifende Themen?
Ja, im steigenden Maße die Nachhaltigkeit. In unserem Bereich ist überdeutlich was in den vergangenen Jahren geschehen ist: Als ich studiert habe, ging es in unserem Bereich um 70 Prozent Naturfasern und um 30 Prozent Chemiefasern. Heute sprechen wir über 70 Prozent erdölbasierte Fasern. Und jeder in unserer Forschungswelt weiß, dass hier etwas geschehen muss.
Und was genau sollte geschehen?
Hier kommt man natürlich schnell auf biobasierte Technologien und natürlich auf Recycling. Dem nachhaltigsten Ansatz, das zu nutzen was bereits vorhanden ist. Die weltweite Textilindustrie verbraucht pro Jahr gut 3,25 Milliarden Tonnen an Ressourcen, von denen nur minimale 0,3% aus recycelten Quellen, hauptsächlich Plastikflaschen, stammen.
Apropos Recycling – Im vergangenen Sommer hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) eine Verbrauchertäuschung eines großen Discounters gestoppt, der mit angeblich biologisch wertvollen Textilien auf den Markt bringen wollte. Es hatte sich herausgestellt, dass die angeblich biologisch wertvoll beworbenen Textilien nicht umweltfreundlich seinen, weil sie aus Mischgewebe – Baumwolle und Polyester – bestünden und somit nicht recyclingfähig wären. Ein Tiefschlag für die Verbraucherinformation. Müsste das gesamte Textil-Informationssystem nicht ganz anders aufgesetzt werden?
Die Frage ist doch, wer braucht welche Information für welche Entscheidung? Und was ist demjenigen diese Information wert? Und die Informationen zusammenzubringen ist wegen der Fragmentierung der Textilproduktion sehr schwierig. Wir sprechen hier über sehr unterschiedliche Welten. Es geht von der Faserherstellung, der Stoffherstellung, der Stoffbehandlung und Färbung und schließlich der Textilherstellung bis hin zur Einkaufsfläche im Textilkaufhaus. Bis dahin hat das Produkt fünf bis sechs Fachgrenzen, zwischen denen es in der Regel keine Kommunikation und keinen Datenaustausch gibt, hinter sich gelassen.
Diese Ketten gibt es natürlich in vielen Industrien, aber gerade im Textilbereich könnte der umweltbewusste Konsument, eine, wenn auch nur kleine, persönliche Entscheidung für Nachhaltigkeit treffen.
Ja, so geht es mir persönlich auch. Ich habe drei Hosen zur Auswahl. Den jeweiligen Preis sehe ich. Wenn ich jetzt wüsste, wie hoch ist die jeweilige Umweltbelastung durch das Textil, könnte dann, nach meinem Umweltbewusstsein, entscheiden. In der Realität wird es aber dann kompliziert. Inzwischen kommen die Waren mit einer Vielzahl von Informationsetiketten, so dass man als normaler Verbraucher eigentlich überfordert wird. Es sind bessere Kundeninformationen im Textileinzelhandel möglich. Aus meiner Sicht wäre beispielsweise ein einheitlicher QR-Code eine bessere Lösung, durch den ich auch, durch meine Voreinstellung, über die für mich besonders wichtigen Themen, wie beispielsweise „keine Kinderarbeit“, informiert werden kann.
Eine solche App sollte doch technisch kein Problem sein?
Sehe ich genauso, aber bisher fehlt es daran, dass man sich zusammensetzt und so eine Lösung auf den Weg bringt. Und die Arbeit daran richtig gestaltet. So müssen ja zu Beginn nicht alle Projektgruppen behandelt werden. Es ist viel zielführender sich anfangs auf eine Produktgruppe zu fokussieren. Und um hier eine wirklich verlässliche Informationsbasis zusammen zu führen, braucht es eine wirkliche Datenpartnerschaft mit allen am Produkt beteiligten. Und ich bin fest davon überzeugt, sollte eine solche Zusammenarbeit zu Stande kommen, würde das ein Großteil der Konsumenten sehr schätzen und ich bin auch sicher, dass sich das Konsumverhalten nachhaltig ändern würde.