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Winzige Algen verdunkeln die Oberfläche der Gletscher und beschleunigen so deren Abschmelzen – beispielsweise auf dem Grönländischen Eisschild, das eine wichtige Rolle für unser Klima spielt und wegen dessen Erwärmung ohnehin schon immer schneller abschmilzt. Nun zeigt eine Studie des Bremer Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie und der Universität Aarhus, dass die Eisalgen äußerst effizient wachsen, obwohl ihnen auf dem Eis kaum Nährstoffe zur Verfügung stehen.
Gletscher sind riesige weiße Flächen, die viel Sonnenlicht reflektieren können. Insbesondere da, wo kein Schnee die Gletscher bedeckt und das blanke Eis freiliegt, haben sie aber manchmal dunkle Flecken. Dabei handelt es sich um mikroskopisch kleine Algen, die auf dem Eis wachsen und seine Oberfläche verdunkeln. Durch diese Verdunkelung bewirken die winzigen Bewohner, dass das Eis sich erwärmt und schneller schmilzt.
Rätselhaftes Algenwachstum
Woher die kleinen Algen die Nährstoffe nehmen, um in dieser lebensfeindlichen Umwelt zu überleben, ist kaum bekannt. Ein Forschungsteam um Laura Halbach, Katharina Kitzinger und Alexandre Anesio vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen und der dänischen Universität Aarhus sind dieser Frage auf dem Grönländischen Eisschild nachgegangen. Sie stellten fest, dass die Algen auf dem Gletschereis wahre Meister der Nährstoffaufnahme sind.
„Ich wollte verstehen, wie es in Grönland zu solchen Algenblüten kommen kann“, erklärt Erstautorin Laura Halbach vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie. Mit neuen Methoden konnte Halbach als erste Forscherin überhaupt messen, wie die Algen Nährstoffe aufnehmen und speichern. „Die Algen können trotz der nur spärlich vorhandenen Nährstoffe wachsen und so das Eis besiedeln“, so Halbach.
„An der Westküste Grönlands wird schon heute etwa ein Zehntel der Eisschmelze durch die mikroskopisch kleinen Bewohner verursacht. Zum Teil verdunkeln sie die Gletscheroberfläche so stark, dass dies sogar auf Satellitenaufnahmen zu sehen ist. Angesichts dessen, dass das Klima immer wärmer wird und auf dem Grönländischen Eisschild immer mehr schneefreie Bereiche und somit immer mehr potenzieller Lebensraum für die Algen entstehen, ist deren Fähigkeit der effizienten Nährstoffaufnahme und -speicherung besonders bedeutsam.“
Effiziente Nährstoffnutzung von globaler Bedeutung
Der Grönländische Eisschild spielt eine wichtige Rolle für unser Klima. Sein Abschmelzen trägt erheblich zum globalen Meeresspiegelanstieg bei, da dadurch große Mengen an Süßwasser in die Ozeane gelangen. Durch die Klimaerwärmung verschwindet der Schnee von immer mehr Gletscherflächen und das Eis wird freigelegt. So entstehen neue Flächen, die von Eisalgen besiedelt werden können, was wiederum die Schmelze beschleunigt – ein Kreislauf, der dringend genauer verstanden werden muss. Hier bringt uns die nun vorliegende Studie einen großen Schritt voran:
„Bisher gab es keine Messungen, wie sich die Eisalgen mit Nährstoffen versorgen“, sagt Halbach. „Diese Lücke schließen wir nun mit einer besonders präzisen Methode, mit der wir die Nährstoffaufnahme und -speicherung einzelner Zellen messen können. Unsere Ergebnisse zeigen, dass das die Algen schnell wachsen können, obwohl vor Ort kaum Nährstoffe vorhanden sind. Stattdessen können sie anorganischen Stickstoff effizient aufnehmen und Phosphor gut speichern.“
Wenn diese Eisalgen also nicht anders dezimiert werden, beispielsweise durch parasitische Pilze oder einen Mangel an Spurenelementen, würde ihrem Wachstum wenig im Wege stehen. Sie könnten auf freigelegten Eisflächen wachsen und so die Eisschmelze verstärken – eine mögliche positive Rückkopplung mit der Klimaerwärmung.
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Die Ergebnisse der Forschenden rund um Laura Halbach sind nicht nur faszinierend, sondern auch wichtig. Mit ihrer Hilfe lässt sich besser vorhersagen, wie die dunklen Algen zum Abschmelzen des Grönländischen Eisschilds beitragen. Berechnungen der jährlichen Eisschmelze fließen in heutige Klimamodelle ein. Mit den neuen Erkenntnissen können die Modelle die Eisschmelze in den kommenden Jahren noch genauer vorhersagen – und damit auch deren Auswirkungen auf das globale Klima.
Die neuen Erkenntnisse könnten genutzt werden, die Algen besser in Modelle zur Vorhersage der Eisschmelze einzubinden – und damit auch deren Auswirkungen auf das globale Klima besser darzustellen.