Spürt der Tourismus den Klimawandel?

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Der Geograph Dr. Niklas Völkening von der Universität Augsburg erforscht, wie sich der Klimawandel für bayerische Unterkünfte in Tourismusgebieten auswirkt und was diese bewegt, selbst Maßnahmen für Klimaneutralität anzugehen. Die Ergebnisse zeigen Einblicke in die Hemmnisse und Chancen einer Transformation der Branche hin zu mehr Klima- und Umweltschutz.

Während Bayern als Urlaubsparadies gilt, steht die Tourismusbranche vor einer großen Herausforderung: dem Klimawandel. Mit rund 100 Millionen Übernachtungen im Jahr 2023 spielt der Tourismus in Bayern eine entscheidende wirtschaftliche Rolle. Doch mit dieser Bedeutung geht auch Verantwortung einher: Schätzungen zufolge verursachen Beherbergungsbetriebe im Durchschnitt 14 Kilogramm CO₂-Emissionen pro Übernachtung. Während das Bayerische Klimaschutzgesetz – noch – das Ziel ausgibt, den Freistaat bis 2030 klimaneutral zu machen, zeigen aktuelle Forschungsergebnisse der Universität Augsburg, dass die Branche bisher hinter den Anforderungen zurückbleibt.

Zwar realisieren viele Unterkünfte bereits Maßnahmen wie PV-Anlagen, Heizungssanierung oder eine Automatisierung der Klimaanlage realisieren. Dass sie jedoch alle ab 2040 klimaneutral sein müssen und Co2-Emissionen dann durch den Kauf von Zertifikaten kompensiert werden müssen, ist vielen nicht klar. Der Klimawandel stellt neue Herausforderungen, während gleichzeitig der Druck auf klimaneutrale und klimaangepasste Lösungen wächst.

Der Geograph Dr. Niklas Völkening erforscht, wie sich der Klimawandel für bayerische Unterkünfte in Tourismusgebieten auswirkt und was diese bewegt, selbst Maßnahmen für Klimaneutralität anzugehen. Die Ergebnisse der Studie zeigen Einblicke in die Hemmnisse und Chancen einer klimafreundlichen Transformation der Branche.

„Wir haben ein zweistufiges Verfahren genutzt: Mit 26 Interviews in Augsburg und im Allgäu haben wir uns einen Überblick über die Lage verschafft“, sagt Völkening. „Anschließend gab es eine bayernweite Onlinebefragung, an der 666 Betriebe teilgenommen haben“. Die Antworten seien für die Hotels und Ferienwohnungen in Bayern repräsentativ.

Tourismus vor der Klimawende

Rund 56 Prozent der befragten Betriebe geben an, derzeit keinen negativen Einfluss des Klimawandels auf ihr Geschäft zu spüren. Etwas weniger als ein Drittel spürt negative Auswirkungen des Klimawandels – wie den fehlenden Schnee in Skigebieten. Interessant ist, dass 14 Prozent einen positiven Effekt sehen, etwa weil die Sommersaison länger anhält.

Die gefühlte Betroffenheit hat allerdings keinen Einfluss darauf, ob in eigene Maßnahmen zum Klimaschutz investiert wird. „Vielmehr werden in Betrieben, deren Leitung ein ausgeprägtes persönliches Interesse am Klimaschutz hat, deutlich mehr Maßnahmen umgesetzt“, berichtet Völkening.

Fehlendes Wissen, Unklarheit und hohe Kosten

Insgesamt herrscht Unwissen und Unsicherheit bezüglich Standards und Regelungen. Mehr als drei Viertel der Befragten wissen nicht, wie hoch ihre betrieblichen Emissionen sind, was gezielte Klimaschutzmaßnahmen erschwert. Unklare gesetzliche Vorgaben und mangelnde Planbarkeit führen dazu, dass 82 % der Betriebe zögern, Maßnahmen umzusetzen. Hoher organisatorischer Aufwand sowie fehlende betriebswirtschaftliche Anreize sind weitere Hemmnisse.

„Inflation, Buchungsverhalten und Fachkräftemangel sind Themen, welche die Besitzerinnen und Besitzer von Hotels und Ferienwohnungen stärker umtreiben als der Klimawandel“, berichtet der Geograph.

Wer ist in der Pflicht?

In der Befragung sehen 60 Prozent die Verantwortung für mehr Nachhaltigkeit in der Branche bei der Politik und bei den Gästen. Einerseits seien klare rechtliche Regelungen sowie Förderprogramme notwendig. Andererseits müssten die Urlauber klimaneutrale Unterkünfte stärker nachfragen.

„Ich sehe das in zweierlei Hinsicht als bedenklich“, sagt Völkening. „Einerseits wird Verantwortung abgegeben, die ich durchaus auch bei den Betrieben sehe. Zum anderen ist es überraschend, dass andere hier die Vorgaben machen sollen und die Branche selbst das Heft aus der Hand gibt“.

Nur 27 der befragten Unterkünfte kompensieren ihre CO₂-Emissionen bereits. Damit wird oft in der Hotel-Lobby mit der Urkunde oder auf der Webseite geworben. Auf das Buchungsverhalten habe dies momentan aber noch keinen Einfluss. Ein paar wenige Betriebe profitieren bei Geschäftsreisenden, weil Unternehmen mit Blick auf die eigene Klimabilanz klimaneutrale Unterkünfte favorisieren.

„Ein Problem ist, dass es aktuell einen Wildwuchs an Siegeln für Klimaneutralität für Hotels und Ferienwohnungen gibt“, sagt Niklas Völkening. Eine einheitliche und verlässliche Kennzeichnung sei wichtig.