Wald ist nicht Wald, auf das Klima kommt es an

Die Abbildung zeigt die räumliche Position, die Art (Farbe) und die Größe einzelner Bäume eines 500 m × 1000 m großen Untersuchungsplots auf Barro Colorado Island (Panama), der in der Studie untersucht wurde. @Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ

Warum in artenreichen Wäldern so viele Baumarten koexistieren und wie dies mit bestimmten räumlichen Mustern der Baumarten zusammenhängt, wird in der Ökologie schon länger diskutiert. Die Klärung der Frage ist wichtig, weil sich daraus wertvolle Rückschlüsse zur Stabilität von artenreichen Wäldern gewinnen lassen. Ein internationales Wissenschaftler-Team unter Leitung des UFZ hat unerwartete Muster in der räumlichen Verteilung von Baumarten entdeckt. Um die Koexistenz von Baumarten zu sichern, setzen tropische und gemäßigte Wälder erfolgreich auf entgegengesetzte Strategien, die auf der Clusterung von Bäumen und der Häufigkeit von Baumarten beruhen.

Sie sind ein wahrer Fundus an Daten: Auf mehr als 75 Dauerbeobachtungsflächen in 29 Staaten weltweit bietet das Forest Global Earth Observatory-Netzwerk (ForestGEO) des Smithsonian Tropical Research Institute (STRI) eine hervorragende Möglichkeit, die Dynamik von Waldökosystemen zu erforschen, um so die Prozesse besser zu verstehen, die die Struktur und die Funktion von Wäldern beeinflussen.

Auf diesen 20 bis 50 Hektar großen Flächen wird seit mehr als 40 Jahren jeder Baum identifiziert, vermessen und beobachtet, oft mehr als 200.000 Bäume pro Plot. 21 Standorte in den Tropen, Subtropen und der gemäßigten Zone haben sich die beiden UFZ-Ökosystemmodellierer Dr. Thorsten Wiegand und Prof. Dr. Andreas Huth genauer angeschaut. Anhand der ForestGEO-Daten hat ein von den beiden UFZ-Forschern koordiniertes internationales Team analysiert, wie sich Baumarten in den Wäldern verteilen und welche Prozesse für diese räumlichen Muster verantwortlich sind.

„Die Suche nach Prinzipien, die die räumliche Verteilung von Baumarten und die Dynamik von Wäldern steuern, ist seit langem eine Herausforderung in der theoretischen Ökologie“, umschreibt Erst-Autor Thorsten Wiegand die Fragestellung.

Für ihre Analysen untersuchte das Forscherteam in verschiedenen ForestGEO-Plots alle Baumindividuen, die einen Stammdurchmesser von mindestens 10 Zentimeter haben.

„Je näher die untersuchten Waldstandorte am Äquator liegen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit für Bäume seltener Arten, einen Artgenossen in der Nähe zu haben“ sagt Andreas Huth.

Hingegen fanden sie in Wäldern der temperierten Zone diesbezüglich nur geringe Unterschiede zwischen häufigen und seltenen Arten. Daraus ergibt sich ein Gradient, der sich von den Tropen über die Subtropen bis in die gemäßigten Breiten zieht. Damit stellten sich den UFZ-Forschern zwei Fragen: Welche Prozesse sorgen für die unterschiedlichen Zusammenhänge zwischen Häufigkeit und Anzahl der Nachbarn gleicher Art? Und welche Konsequenzen hat dies für die Koexistenz der Baumarten?

Ein wichtiger Faktor: Die Mykorrhizapilze

Um darauf Antworten zu finden, nutzten die Forscher vorhandenes Wissen über den Verbreitungsmechanismus der Arten.

„Rund 70 bis 80 Prozent der Baumarten in den Tropen werden durch Tiere verbreitet, deutlich mehr als in temperierten Wäldern“, sagt Thorsten Wiegand.

Ein anderer wichtiger Faktor sind die Mykorrhizapilze. Diese Pilzgeflechte gehen mit den Feinwurzeln der Bäume eine Symbiose zum Wohl beider Organismen ein: Der Pilz liefert den Bäumen Nährsalze und Wasser, dafür erhält er Glucose.

„In Wäldern der gemäßigten Zone führt die Mykorrhiza dazu, dass die Wurzeln junger Bäume in der Nähe großer Artgenossen vor Pathogenen oder Schadinsekten geschützt werden“, erklärt UFZ-Ökosystemmodellierer Dr. Samuel M. Fischer, der ebenfalls an der Studie beteiligt war.

In tropischen Wäldern dominiert dagegen mit der arbuskulären Mykorrhiza ein spezieller Pilztyp, der die Wurzeln der jungen Bäume nicht schützt.

„Deshalb müssen die Samen dafür sorgen, möglichst weit weg zu kommen von ihren Elternbäumen, wobei ihnen meistens Tiere helfen“, sagt er.

Nimmt man nun aus den 21 untersuchten ForestGEO-Standorten die Baumarten, die sowohl von Tieren verbreitet werden als auch über arbuskuläre Mykorrhiza verfügen, ist der Gradient von den Tropen bis in die gemäßigten Breiten noch weitaus deutlicher ausgeprägt. Die Schlussfolgerung daraus:

„In tropischen Wäldern führen Mechanismen wie Samenverbreitung durch Tiere zu den beobachteten räumlichen Mustern, während in gemäßigten Wäldern Mykorrhizapilze dafür sorgen, dass auch seltene Arten viele Nachbarn gleicher Art haben können“, sagt Thorsten Wiegand.

Um aus den Ergebnissen der räumlichen Datenanalyse auf neue Erkenntnisse für die Koexistenz von Arten zu schließen, setzten die UFZ-Forscher nun auf räumlich explizite Simulationen und mathematische Modelle.

„Wir wollten wissen, was die Voraussetzungen dafür sind, dass unterschiedliche Baumarten mit ähnlichen Ansprüchen koexistieren können“ sagt Andreas Huth.

Entscheidend für die Koexistenz von Arten und damit die Stabilität der Artengemeinschaft im Wald ist generell, ob Baumarten, die selten geworden sind, wieder wachsen können. Dann gilt die Baumartengemeinschaft als stabil.

Die UFZ-Forscher haben dafür eine neue Formel zur Theorie der Dynamik von Wäldern entwickelt, die einen Risikofaktor enthält. Dieser bestimmt wesentlich, unter welchen Bedingungen eine selten gewordene Art überleben kann. Das Ergebnis: Der Risikofaktor ist umso kleiner, je häufiger die Art ist und je mehr gleichartige Nachbarn sie hat. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Arten koexistieren können. Arten in temperierten Wäldern haben demnach generell einen kleinen Risikofaktor.

In den tropischen Wäldern sind die Risikofaktoren der Baumarten zwar oft größer, aber dort spielen noch andere Faktoren eine Rolle, wie beispielsweise die Tierverbreitung der Samen, die diesen Nachteil ausgleichen können.

„Tropische und temperierte Wälder zeigen demnach jeweils für sich eine optimale räumliche Struktur, in der sich die Koexistenz von Baumarten eingespielt hat“, bilanziert Thorsten Wiegand.

Dieser neu entdeckte räumliche Mechanismus ist nun Ausgangspunkt für weitere Forschung, für die Thorsten Wiegand im Rahmen eines im vorigen Jahr eingeworbenen Advanced ERC Grants gemeinsam mit Andreas Huth die Theorie zum Verständnis der räumlichen Dynamik und der Stabilität von artenreichen Wäldern weiter entwickeln will.

„Wir wollen nun unsere Untersuchungen und Methoden wesentlich erweitern, etwa indem wir die Größe der Bäume, die Einwanderung von Arten und detailliertere Arteigenschaften berücksichtigen sowie Fernerkundungsdaten nutzen“, sagt er. Rund 2,5 Millionen Euro stehen ihnen dafür noch fast fünf Jahre zur Verfügung.