Tiefseebergbau könnte zu ökologischen Veränderungen führen

Feierliche Eröffnung des ZfT mit Staatssekretär Karl-Eugen Huthmacher (BMBF), Senatorin Kathrin Moosdorf, Uni-Rektorin Jutta Günther, MARUM-Direktor Kai-Uwe Hinrichs, Architekt Jens Kruse Jens Lehmkühler Universität Bremen/ Jens Lehmkühler

Der Abbau von Manganknollen am Meeresgrund würde zu erheblichen und nachhaltigen ökologischen Veränderungen führen – sowohl im Abbaugebiet selbst, wo die oberste Sedimentschicht und die darin und darauf lebenden Organismen zusammen mit den Knollen entfernt werden, als auch in den umgebenden Bereichen, wo sich das aufgewirbelte Sediment wieder ablagert. Unabhängige Wissenschaftler:innen des Projekts MiningImpact und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) haben den Test eines Knollenkollektor-Vorprototypen begleitet und die Ausbreitung der Sedimentwolken analysiert. 

In den Tiefsee-Ebenen in 3000 bis 6000 Metern Wassertiefe liegen auf Millionen Quadratkilometern Manganknollen wie Kartoffeln auf einem Acker. Diese mineralischen Erze wachsen über Zeiträume von Millionen von Jahren, entweder durch Anlagerung von im Meerwasser gelösten Metallen oder durch Metalle, die durch mikrobielle Zersetzung organischen Materials in den Sedimenten freigesetzt werden. Aufgrund der weltweit steigenden Nachfrage nach kritischen Metallen wie Nickel, Kobalt und Kupfer, wächst der Druck, auch diese Vorkommen abzubauen und wirtschaftlich zu nutzen.

Aufgrund der extremen Bedingungen in der Tiefsee sind die dortigen Ökosysteme mit ihrer hohen biologischen Artenvielfalt – die größtenteils aus kleinen Organismen im Sediment besteht – besonders empfindlich gegenüber Umweltstörungen. Welche Auswirkungen ein möglicher Tiefseebergbau auf die Ökosysteme der Tiefsee hätte, untersucht seit 2015 das vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel koordinierte europäische JPI-Oceans-Projekt MiningImpact. Frühere Analysen jahrzehntealter Störungsspuren in der Clarion-Clipperton-Zone (CCZ) und im Peru-Becken deuten darauf hin, dass Eingriffe langfristige Schäden verursachen: Die biologische Vielfalt sowie wichtige Ökosystemfunktionen werden für viele Jahrhunderte erheblich beeinträchtigt.

Die aufgewirbelten Sedimentwolken, die während eines möglichen Tiefseebergbaus entstehen würden, stellen ein wesentliches aber noch wenig verstandenes Risiko für die Ökosysteme der Tiefsee dar. Die neue Studie liefert nun erstmals detaillierte Daten zu ihrer Ausbreitung und Ablagerung. Foto: BGR

Ein wesentliches, aber noch wenig verstandenes Risiko besteht durch die Ausbreitung von aufgewirbelten Sedimentwolken, die während eines möglichen Tiefseebergbaus entstehen. Um diesen Prozess besser zu verstehen, nutzten die Forschenden von MiningImpact und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) den Test eines ferngesteuerten Knollenkollektor-Prototypen durch das belgische Unternehmen Global Sea Mineral Resources (GSR), um die Auswirkungen zu beobachten und auszuwerten. Ihre Studie, die erstmals detaillierte Daten zur Ausbreitung und Ablagerung der Sedimentwolken liefert, ist jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications erschienen.

„Während der größte Teil der aufgewirbelten Sedimente innerhalb weniger hundert Meter wieder zu Boden sinkt, konnten wir feine Partikel noch in bis zu 4.5 Kilometern Entfernung nachweisen“, sagt Erstautor Dr. Iason-Zois Gazis, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der DeepSea Monitoring Group am GEOMAR.

Sedimentwolken in 4500 Metern Tiefe

Im April 2021 testete GSR sein Kollektorfahrzeug für 41 Stunden in 4500 Metern Tiefe auf dem Meeresboden. Das Gerät legte dabei eine Strecke von rund 20 Kilometern zurück und baute Manganknollen auf einer Fläche von 34.000 Quadratmetern – etwa so groß wie fünf Fußballfelder – ab. Während des Tests wurden die aufgewirbelten Sedimentwolken mit zahlreichen kalibrierten Sensoren auf stationären Plattformen am Meeresboden sowie autonomen Unterwasserfahrzeugen und Tauchrobotern vermessen.

Dabei zeigte sich, dass die aufgewirbelten Sedimente hinter dem Kollektor einen dichten Trübestrom bildeten, der entlang steilerer Abschnitte des Meeresbodens bis zu 500 Meter hangabwärts floss. Die weitere Ausbreitung der Sedimentwolke wurde vor allem durch die natürliche Ozeanströmung am Meeresboden bestimmt. In unmittelbarer Umgebung des Abbaugebiets waren die Sedimentkonzentrationen bis zu 10.000-mal höher als natürlicherweise, sanken jedoch innerhalb von 14 Stunden wieder auf Normalwerte.

Der Großteil der aufgewirbelten Partikel konzentrierte sich innerhalb von fünf Metern über dem Meeresboden und setzte sich relativ schnell durch Partikelzusammenballung wieder ab. Feinere Sedimentpartikel wurden durch Meeresströmungen am Boden über mehr als 4,5 Kilometer aus dem Überwachungsgebiet hinaustransportiert.

Mittels hochauflösender 3D-Kartierungen des Meeresbodens erfassten die Forschenden die Abbauspuren millimetergenau und schätzten die Menge des abgetragenen Sediments sowie dessen Wiederablagerung ab: Im Abbaugebiet wurden mindestens die oberen fünf Zentimeter des Meeresbodens entfernt, während die Sedimentablagerungen bis zu drei Zentimeter betrugen und das Knollenhabitat bis in eine Entfernung von etwa hundert Metern komplett bedeckten. Mit zunehmender Entfernung vom Abbaugebiet wurde die abgelagerte Sedimentschicht dünner.

Die Studie liefert wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse für die Entwicklung internationaler Regularien, wie den Mining Code der Internationalen Meeresbodenbehörde, insbesondere im Bereich der Umweltüberwachung von Tiefseebergbauaktivitäten, indem sie moderne Technologien und Strategien für das Monitoring aufzeigt. Die Ergebnisse dieser Studie werden zudem helfen, die physikalischen Auswirkungen des Abbaus präzise mit den ökologischen Folgen zu verknüpfen, zu denen die Forschenden im Projekt MingImpact weiterhin arbeiten.