
Forschende des Fraunhofer-Instituts für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut, EMI haben eine Technologie entwickelt, die es ermöglicht, endlose Carbonfasern aus Verbundwerkstoffen zurückzugewinnen – ohne Einbußen bei der Materialqualität. Mittels Hochleistungslaser wird die Matrix der mehrlagigen faserverstärkten Kunststoffe gezielt zersetzt. Das Verfahren bietet nicht nur ökologische Vorteile, sondern auch erhebliches wirtschaftliches Potenzial.
Carbonfaser-Verbundwerkstoffe, sogenannte Composites, sind besonders fest und leicht, was sie zu bevorzugten Materialien in vielen Industrien macht. Doch die Herausforderung der Entsorgung und Wiederverwertung dieser leistungsfähigen Materialien ist hoch. Das Forschungsteam am Fraunhofer EMI hat nun einen Prozess entwickelt, in dem Fasern gebrauchter Composites effizient zur Wiederverwendung aufbereitet werden – ohne ihre mechanischen Eigenschaften zu beeinträchtigen. In bisherigen Recyclingverfahren werden die Faser-Kunststoff-Verbunde geschreddert, was zu verkürzten Fasern und somit zum Downcycling führt.
Duroplastische vs. thermoplastische Composites
Ein Carbonfaser-Verbundwerkstoff besteht aus Faserbündeln, die in einem Polymer eingebettet sind. Dies erlaubt, die Fasern zusammenzuhalten, die Geometrie eines Bauteils festzulegen und die Fasern vor Umwelteinflüssen zu schützen. Man unterscheidet zwischen zwei Arten von Kunststoff, in denen die Fasern eingebettet werden können: Duroplastische Composites bestehen aus einer nicht schmelzbaren Matrix, das heißt sie können nicht erneut bearbeitet werden.
Diese verhalten sich wie ein Klebstoff, der aushärtet und eine dauerhafte feste Verbindung bildet. Thermoplastische Composites hingegen können geschmolzen und wiederverarbeitet werden. Duroplaste sind allerdings einfacher zu verarbeiten und werden daher häufiger in der Industrie eingesetzt.
Peelingbasiertes Recycling von gewickelten Strukturen
Die Forschenden am Fraunhofer EMI tragen die Faserverstärkung der duroplastischen Composites kontrolliert mithilfe eines Hochleistungslasers ab. Dieses Verfahren ist besonders relevant für Wasserstoffdruckbehälter, bei denen ein Carbonfaser-Bündel endlos um eine Kunststoffhülle gewickelt wird, damit sie besonders stabil sind und hohen Betriebsdrücken von bis zu 700 bar standhalten.
Der Vorteil des innovativen Recyclingverfahrens liegt in der Möglichkeit, die duroplastische Matrix, die die Carbonfasern umgibt, effizient mittels einer lokalen Pyrolyse zu entfernen, während die Carbonfasern selbst nahezu unversehrt bleiben. »Die Besonderheit bei diesem Prozess ist, dass wir die Pyrolyse der Matrix und das Abwickeln der Fasern gleichzeitig, möglichst schnell und ohne Beschädigung der Carbonfasern umsetzen«, erklärt Projektleiter Dr. Mathieu Imbert.
Die Herausforderung besteht darin, das optimale Prozessfenster zu definieren: Die Matrix zersetzt sich bei 300 bis 600 Grad Celsius, während die Fasern ab circa 600 Grad Celsius beschädigt werden können. »Wir haben einen sehr guten Kompromiss zwischen Prozesseffizienz und Qualität des Rezyklats gefunden. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die zurückgewonnenen endlosen Fasern die gleichen hohen Leistungsmerkmale wie neue Fasern aufweisen, was das Verfahren besonders attraktiv macht«, so Dr. Imbert.
Ökonomische plus ökologische Vorteile
Das innovative Verfahren bietet nicht nur ökologische Vorteile, sondern auch erhebliches wirtschaftliches Potenzial für Recyclingunternehmen. Der lokale Wärmeeintrag und das gleichzeitige Abziehen des endlosen Faserbündels ersparen die lange Pyrolysezeit und entsprechend hohe Prozesskosten, die die dickwandigen Wasserstoffbehälter üblicherweise verursachen. Die laserunterstützte Rückgewinnung benötigt außerdem nur circa ein Fünftel der Fertigungsenergie von neuen Fasern. In Zeiten steigender Energiekosten und wachsender Umweltanforderungen sind das wesentliche Vorteile.