Die Kieler Bucht: Eine wichtige CO2-Senke in Gefahr

Die Untersuchung der Sedimentaufwirbelung zeigt: Menschliche Einflüsse wie Schleppnetzfischerei reduzieren die CO2-Aufnahme des Meeresbodens deutlich. Foto: Adobe Stock

Wenn Schleppnetze über den Meeresgrund gezogen werden, wirbeln sie Sediment auf. Dabei wird nicht nur organischer Kohlenstoff wieder freigesetzt, sondern auch die Oxidation von Pyrit verstärkt, was zu einer zusätzlichen Freisetzung von Kohlendioxid (CO2) führt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des GEOMAR, die anhand von Sedimentproben aus der Kieler Bucht die geochemischen Folgen untersucht hat. Ihr Fazit: Besonders Meeresbodenbereiche mit feinkörnigen Sedimenten, die für die CO2-Speicherung in der Ostsee entscheidend sind, sollten dringend unter Schutz gestellt werden.

Die Aufwirbelung von Meeresbodensedimenten – durch menschliche Aktivitäten wie den Schleppnetzfang und natürliche Prozesse wie Stürme und Gezeiten – hat erhebliche Auswirkungen auf die Freisetzung von Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre. Wird das Sediment dem sauerstoffreichen Meerwasser ausgesetzt, führt dies zur großflächigen Oxidation von Pyrit, einem Mineral, das in den Sedimenten angereichert ist. Diese Oxidation spielt eine weitaus größere Rolle bei der CO2-Freisetzung als die Oxidation von organischem Kohlenstoff. Dies zeigt eine neue Studie, die jetzt in der Zeitschrift Communications Earth & Environment veröffentlicht wurde.

„Die feinkörnigen, schlammigen Sedimente sind wichtige Speicher für organischen Kohlenstoff und Pyrit“, erklärt Erstautor Habeeb Thanveer Kalapurakkal, Doktorand in der Arbeitsgruppe Benthische Biogeochemie am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.

„Wir wissen, dass die Sedimentaufwirbelung, etwa durch den Einsatz von Schleppnetzen zu einer starken Freisetzung von CO2 in die Wassersäule führt.“ Doch während man bislang davon ausgegangen war, dass dies hauptsächlich auf die Oxidation von organischem Kohlenstoff zurückzuführen ist, konnte er nun nachweisen, dass der Großteil der CO2-Freisetzung bei der Sedimentaufwirbelung auf die Oxidation
von Pyrit zurückzuführen ist.

Probenahme in der Kieler Bucht: Diese Region umfasst unterschiedliche Sedimenttypen – sandige Sedimente in den flacheren Gebieten und feine Schlammsedimente, die in den tieferen Bereichen abgelagert sind. Foto: Markus Zimmerer, Forschungstauchzentrum Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Sedimentaufwirbelung durch Schleppnetzfang

Das Untersuchungsgebiet lag in der Kieler Bucht, einer Küstenregion in der westlichen Ostsee zwischen Fehmarn und den dänischen Inseln. Diese Region umfasst unterschiedliche Sedimenttypen – sandige Sedimente in den flacheren Gebieten und feine Schlammsedimente, die in den tieferen Bereichen abgelagert sind. Diese sind reich an organischem Material und spielen eine zentrale Rolle im Kohlenstoffkreislauf der Ostsee. Beeinflusst werden sie sowohl durch natürliche Prozesse wie Stürme als auch durch menschliche Aktivitäten wie den Schleppnetzfang.

Laborversuche simulieren Sedimentaufwirbelung

Um die Auswirkungen der Aufwirbelung des Meeresbodens zu untersuchen, führten die Forschenden so genannte Inkubationsversuche durch: Sedimentproben aus fein- und grobkörnigen schlammigen und sandigen Bereichen der Kieler Bucht wurden im Labor in Behältern mit Meerwasser aufgerührt. Dabei wurden sowohl oxische (mit Sauerstoff) als auch anoxische (ohne Sauerstoff) Bedingungen simuliert.

Während dieser Inkubation wurde gemessen, wie sich verschiedene chemische Parameter verändern – etwa der CO2-Gehalt, der pH-Wert, die Konzentrationen von Sulfat oder Nährstoffen. So konnten die Wissenschaftler nachvollziehen, welche Prozesse ablaufen und welche Auswirkungen das auf den Kohlenstoffkreislauf hat. Die Ergebnisse wurden dann mit einem Computermodell kombiniert, um ein detaillierteres Bild der biogeochemischen Veränderungen durch Sedimentaufwirbelung und Sauerstoffgehalt zu bekommen.

Pyritoxidation: Ein entscheidender Faktor für die CO2-Freisetzung

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass durch die Aufwirbelung von Sedimenten deutlich mehr CO2 freigesetzt wird als bisher angenommen – vor allem durch die Oxidation von Pyrit. Wird dieses eisenhaltige Mineral, das in schlammigen, sauerstoffarmen Meeresböden lagert – beispielsweise durch menschliche Eingriffe wie Grundschleppnetzfischerei – aufgewirbelt, reagiert es mit dem Sauerstoff im Wasser.

Dabei entsteht Säure, die klimaneutrales Bikarbonat aus dem Sediment in das Treibhausgas CO2 umwandelt und damit eine weitere CO2-Freisetzung in die Atmosphäre begünstigt. Modellrechnungen deuten darauf hin, dass sich durch diese Prozesse die CO2-Aufnahmekapazität der Region erheblich verringern kann. Kurz gesagt: Die Aufwirbelung der Sedimente kann den Meeresboden vorübergehend von einer natürlichen CO2-Senke in eine CO2-Quelle verwandeln.

Schutz sensibler Meeresbodenbereiche zur Erhaltung der CO2-Aufnahme

„Die Kieler Bucht ist, genau wie andere Bereiche der Ostsee, eine wichtige Senke für Kohlendioxid aus der Atmosphäre“, sagt Habeeb Thanveer Kalapurakkal, „unsere Experimente und Modellierungen haben gezeigt, dass Einflüsse wie Schleppnetzfischerei die CO2-Aufnahme deutlich reduzieren, weil durch die Oxidation des Pyrits Säure freigesetzt wird.“ Die Ergebnisse würden unterstreichen, wie wichtig der Schutz insbesondere jener Meeresbodenbereiche ist, in denen fein-körnige, schlammige Sedimente mit hohem Pyritgehalt vorkommen. Kalapurakkal: „Wenn wir die CO2-Aufnahmekapazität der Ostsee erhalten wollen, müssen diese Gebiete geschützt werden.“