

Am 20. Mai ist Weltbienentag. Im Interview spricht Prof. Dr. Alexandra-Maria Klein über die Bedeutung von Wildbienen als Bestäuber unserer Nutzpflanzen. Frau Klein ist seit 2013 Professorin für Naturschutz und Landschaftsökologie an der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen der Universität Freiburg. Im Zentrum ihrer Forschung stehen Fragen nach dem Zusammenspiel von Ökosystemen und Biodiversität, wie zum Beispiel nach der Rolle von Bienenvielfalt für die Bestäubung in sich verändernden Ökosystemen. Sie ist auch Verfasserin des Praxishandbuch Nutzpflanzenbestäubung. Dies basiert auf Ergebnissen des von Alexandra-Maria Klein geleiteten Projekts „Wildbienen als Kulturpflanzenbestäuber identifizieren und schützen“ an der Universität Freiburg, das von der Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg gefördert wurde.
Frau Klein, warum spielen Wildbienen für unsere Nahrungsmittelversorgung eine so wichtige Rolle – reichen unsere vielen Honigbienen für die Bestäubung von Obst und Gemüse nicht aus?
Honigbienen sind enorm leistungsfähige Insekten – doch sie sind nur eine einzige Bienenart neben den mehr als 570 Wildbienenarten, die in Deutschland heimisch sind. Rund 75 Prozent unserer Obst-, Gemüse- und Ölsaatenkulturen sind zumindest teilweise auf Bestäuber angewiesen – dabei spielen Wildbienen eine besonders wichtige Rolle. Entscheidend ist ihre Vielfalt, denn unterschiedliche Wildbienenarten sind an unterschiedliche Umweltbedingungen angepasst. So fliegen etwa Hummeln auch bei kühlem, windigem oder leicht regnerischem Wetter, wenn Honigbienen ihre Aktivität einschränken. Langrüsselige Hummelarten wiederum können tiefe Blüten wie die der Gartenbohne bestäuben – eine Aufgabe, an der Honigbienen oft scheitern. Wenn mehrere Bestäuberarten zusammenwirken, profitieren die Pflanzen gleich doppelt: Nicht nur die Anzahl der Früchte steigt, sondern auch deren Qualität. Studien zeigen beispielsweise, dass bei Erdbeeren Form und Größe gleichmäßiger ausfallen, wenn verschiedene Bienenarten beteiligt sind. Ähnliches gilt für Äpfel oder Sonnenblumen. Johannisbeeren haben mit Wildbienen bis zu 70 Prozent mehr Ertrag, und mit Hummelbesuch steigert sich die Fruchtgröße bei Paprika um etwa 30 Prozent. Wildbienen wirken somit wie eine Art „Versicherung“ für stabile Erträge – und sind damit ein zentraler Pfeiler unserer Ernährungssicherheit.
Wir laufen allerdings Gefahr, diese Versicherung zu verlieren. Warum?
Die größte Gefahr für Wildbienen ist der Verlust von Lebensräumen, die ihnen geeignete Nistplätze und Nahrung bieten. Je weiter eine landwirtschaftliche Anbaufläche von Wildbienenhabitaten entfernt liegt, desto weniger werden die angebauten Pflanzen von Wildbienen besucht. Studien zeigen, dass sich die Zahl der Blütenbesuche um bis zu 50 Prozent verringert, wenn der nächste naturnahe Lebensraum weiter als 700 Meter entfernt ist. Doch das ist nicht alles: Eine zu frühe Mahd, das Entfernen von Totholz oder die Versiegelung offener Bodenstellen und der Einsatz von Herbiziden verringern das Angebot an Nahrung und Nistplätzen. So fehlt vielen Wildbienenarten beides zugleich – und das führt zu instabilen Bestäubungsleistungen, die sich nicht nur auf die Erträge auswirken, sondern langfristig womöglich auch auf Vielfalt und Qualität unserer Lebensmittel.
Was können Bäuer*innen – aber auch Hobbygärtner*innen – konkret tun, um Wildbienen zu fördern und gleichzeitig ihre eigenen Erträge zu sichern?
Wildbienen brauchen Nahrung, Nistplätze und vielfältige Landschaftsstrukturen – idealerweise alles möglichst nah beieinander. Deshalb ist ein Mosaik aus Blühflächen, Hecken, offenen Bodenstellen und Totholz entscheidend. Schon ein mehrjähriger, naturnaher Blühstreifen entlang eines Ackers, eine Blühinsel im Garten oder ein Feldweg, der nicht gemäht wird, kann wichtige Ressourcen wie Pollen, Nektar, Nistplätze und Nistmaterialien bereitstellen. Heimische Gehölze wie Wildrosen in der Hecke, Steinhaufen, Lehmwände oder bewusst unbearbeitete Stellen im Garten bieten Rückzugsorte für viele Arten. Besonders wichtig ist eine gestaffelte Blüte über das ganze Jahr: Nach der Apfelblüte sollten etwa Kleegras-Säume, Wiesenkräuter oder Sommerblumen folgen. Nur so können Wildbienen durchgängig versorgt werden – von März bis in den Herbst. Auch die Bodenbearbeitung spielt eine Rolle: Wer auf einem Teil der Fläche auf das Pflügen verzichtet und stattdessen grubbert, schafft Nistplätze für bodennistende Arten. Solche Maßnahmen lassen sich mit relativ geringem Aufwand umsetzen – und bringen oft mehr als viele denken. Konkrete Empfehlungen für 34 verschiedene Nutzpflanzen und wirksame Maßnahmen zur Förderung von Wildbienen habe ich mit meinem Mitarbeiter Dr. Felix Fornoff in einem neuen „Praxishandbuch Nutzpflanzenbestäubung – Ertragssteigerung durch Förderung der Biodiversität“ zusammengetragen. Es richtet sich an alle Menschen, die Obst und Gemüse kultivieren und gleichzeitig Wildbienen schützen möchten.