Den Bodenkohlenstoff besser verstehen

Dr. Vera Meyer (rechts) und Dr. Enno Schefuß diskutieren am präparativen Gas-Chromatographen die Isolierung von organischen Verbindungen. Volker Diekamp MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; V. Diekamp

Wie empfindlich reagiert der in Böden gespeicherte organische Kohlenstoff auf schwankende Temperaturen und den Feuchtigkeitsgehalt? Diese Frage steht im Mittelpunkt einer neuen Studie von Forschenden des MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen und des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven.

Weltweit ist in Böden mehr als doppelt so viel Kohlenstoff gespeichert als in der Atmosphäre. Wie Kohlenstoff durch die Böden aufgenommen und freigesetzt wird, reguliert daher wesentlich die atmosphärischen Konzentrationen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2). Im Zusammenhang mit dem fortschreitenden anthropogenen Klimawandel ist es wichtig, die Empfindlichkeit des Bodenkohlenstoffs besser zu verstehen – etwa, wenn Temperaturen steigen oder sich der Wasserkreislauf verändert. Der Klimawandel steht in direktem Zusammenhang mit der Freisetzung von Kohlenstoff aus Böden.

Studien haben bereits auf die Bedeutung von Permafrostgebieten hingewiesen, in denen steigende Temperaturen dazu führen, dass Kohlenstoff aus zuvor gefrorenen Böden freigesetzt wird. Aber auch in subtropischen und tropischen Gebieten sind große Mengen an organischem Kohlenstoff in Böden gespeichert. In diesen Regionen war bislang unklar, was der Hauptfaktor für eine Veränderung der Umsatzrate des Kohlenstoffs ist.

„Mikroben, die das organische Material abbauen, sind im Allgemeinen unter warmen und feuchten Bedingungen aktiver, so dass der Kohlenstoffgehalt in tropischen Böden sehr schnell auf klimatische Veränderungen reagiert. Einige Studien berichten von einem Haupteinfluss der sich ändernden hydroklimatischen Bedingungen, während in anderen die Temperatur die Hauptrolle spielt“, erklärt Erstautorin Dr. Vera Meyer vom MARUM.

Ablagerungen ermöglichen Blick in die Vergangenheit

Um mehr Licht in diese großräumigen Prozesse zu bringen, wählten Meyer und ihre Kollegen einen eher unkonventionellen Ansatz. Statt Böden zu untersuchen, analysierten sie die Alter organischer Stoffe, die aus Böden vom Nil in das Mittelmeer transportiert und nahe der Flussmündung abgelagert wurden. Der Nil transportiert Material aus einem riesigen Einzugsgebiet der subtropischen bis tropischen Regionen Nordostafrikas ins östliche Mittelmeer.

Die Proben für die Studie stammen aus einem küstennahen marinen Sedimentkern, in dem sich die Altersnachweise von vielen tausend Jahren abgelagert haben. Solche Sedimentkerne ermöglichen daher einen wesentlich längeren Blick zurück in Zeiten der Erdgeschichte, in denen das Klima deutlich anders war als heute und sich stark veränderte.

„Das Alter des vom Nil angelieferten organischen Materials hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab: wie lange lag es im Boden, und wie lange dauert der Transport im Fluss. Der Vorteil unseres Ansatzes besteht darin, dass lange Zeitskalen untersucht werden können, in diesem Fall die letzten 18.000 Jahre seit der letzten Eiszeit“, sagt Dr. Enno Schefuß, ebenfalls vom MARUM.

Die Ergebnisse überraschten die Forschenden und zeigen etwas Unerwartetes: Die Alter des Land-Kohlenstoffs änderten sich nur geringfügig mit Änderungen im Niederschlag und damit einhergehenden Abflussänderungen, reagierten aber stark auf Veränderung der Temperatur. Außerdem war die Veränderung der Alter aufgrund des Temperaturanstiegs nach der letzten Eiszeit deutlich größer als erwartet.

Das grüne Band des Nils und sein Delta im östlichen Mittelmeer. Foto: Jacques Descloitres, MODIS Rapid Response Team, NASA/GSFC, https://visibleearth.nasa.gov/image-use-policy

Dies bedeutet, dass die nacheiszeitliche Erwärmung den Abbau des organischen Materials durch Mikroorganismen in Böden drastisch beschleunigte und eine viel stärkere Ausgasung von CO2 aus (sub-)tropischen Böden verursachte, als von Modellen des Kohlenstoffkreislaufs vorhergesagt. Mit-Autor Dr. Peter Köhler vom AWI Bremerhaven sagt hierzu: „Dass die Modelle die Kohlenstofffreisetzung aus Böden so stark unterschätzen, zeigt uns, dass wir die Empfindlichkeit des Bodenkohlenstoffs in unseren Modellen überarbeiten müssen.“

Dieser Effekt trug jedoch nicht nur zum Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentration zum Ende der letzten Eiszeit bei, sondern hat auch weitreichende Konsequenzen für die Zukunft: Der Kohlenstoffumsatz im Boden wird sich bei weiterer globaler Erwärmung beschleunigen und könnte die atmosphärische CO2-Konzentration in einer bislang unterschätzten Rückkopplung weiter erhöhen.