Optimierung der Risiko- und Krisenkommunikation nach Corona

Blick in die Ausstellung "#Krisenalltag" (Berlin 2023) Kay Herschelmann

Das Forschungsprojekt „Optimierung der Risiko- und Krisenkommunikation von Regierungen, Behörden und Organisationen der Gesundheitssicherung“ (MIRKKOMM) zieht Bilanz über die Kommunikation während der Corona-Pandemie – und gibt Impulse für zukünftige Krisen. In einem Teilprojekt der SRH University wurden Journalisten zu ihren Erwartungen und Erfahrungen mit der Kommunikation befragt.

Wie gelingt glaubwürdige und wirksame Kommunikation in Krisenzeiten?

Diese Frage untersuchte das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt „Optimierung der Risiko- und Krisenkommunikation von Regierungen, Behörden und Organisationen der Gesundheitssicherung“ (MIRKKOMM) in einer groß angelegten Studie – und wirft dabei einen kritischen Blick auf die Rolle von Politik, Behörden, Journalismus und sozialen Medien im Informationsgeschehen der COVID-19-Pandemie.

„Gerade in Krisen wenden sich Menschen verstärkt den Medien zu. Sie brauchen Orientierung – und vertrauen auf verlässliche Informationen. Doch unsere Forschungsergebnisse zeigen: Die Krisenkommunikation von Regierungen, Behörden der Gesundheitssicherung, Journalist:innen und Social Media war in der Pandemie komplex, mitunter konflikthaft, fehleranfällig und daher optimierbar“, sagt Prof. Dr. Michael Beuthner, Teilprojektleiter und Professor für Journalismus an der SRH University.

Zwischen Informationsflut und Kommunikationsdefizit

Im Teilprojekt an der SRH University wurden bundesweit 30 Journalisten zu ihren Erwartungen und Erfahrungen mit der Kommunikation von Regierungen und Behörden der Gesundheitssicherung während der Pandemie in ausführlichen Expertengesprächen befragt. Viele nannten die behördliche Kommunikation schwer verständlich (16 von 30 = 55%), verspätet bzw. zu langsam (12 von 30 = 41%). Neue Verordnungen wurden wiederholt zu später Stunde und sehr kurzfristig herausgegeben, Datenaktualisierungen erfolgten oft nach Redaktionsschluss. 27 von 30 Journalisten hatten zudem Nachfragen an Behörden, wobei 13 eine schlechte Erreichbarkeit der Behörden beklagten.

Trotz Kritik hoben viele Befragte die grundsätzlich kooperative Haltung der Behörden hervor, ebenso wie die positiven Entwicklungen bei der Datenvisualisierung und der gesteigerten Frequenz von Pressekonferenzen und Briefings im Laufe der Pandemie.

Journalismus in der Krise – selbstkritisch und systemrelevant

Die befragten Journalisten reflektierten auch ihre eigene Rolle: Zwar sahen sie die sachliche Information und die politische Einordnung als zentrale Aufgaben, jedoch gestanden einige ein, dass Kritik an den politischen Maßnahmen (10 von 30 = 33%) und Betroffenenperspektiven (7 von 30 = 23%) zu kurz kamen und optimiert werden könnten. Die Berichterstattung über extreme Positionen wie Verschwörungstheorien wurde von einigen rückblickend als zu umfangreich eingeschätzt (7 von 30 = 23%).

„Die Pressefreiheit ist nicht nur ein Grundrecht – sie ist eine Säule für die Demokratiemündigkeit der Bürgerinnen und Bürger“, so Prof. Dr. Michael Beuthner. „Aber dafür braucht es Ressourcen, Wissen, Rechte und ein öffentliches Vertrauen. Journalismus ist systemrelevant.“

So gaben auch 28 von 30 Journalisten an, sich in Krisen für systemrelevant zu halten. 20 von 30 meinten, dass der Journalismus eine Warnfunktion einnehmen sollte, insbesondere in akuten Situationen, um Missstände aufzudecken, Informationen einzuordnen und zu verbreiten sowie unkontrollierten Alarmismus zu vermeiden.

In Krisenzeiten geraten journalistische Medien einerseits unter Druck: Social-Media-Akteur:innen und andere alternative Informationsquellen treten als neue Intermediäre auf – oft dramatischer, einseitiger, lauter, emotionaler. „Die Melange aus Big-Tech-Unternehmen und Politik, Populismus, alternativen Fakten, Fake News und die Manipulationsoptionen durch KI fordern das Verständnis von Realität, Glaubwürdigkeit und Wahrheit heraus und beeinflussen Meinungsbildung und Urteilsfähigkeit. Umso mehr muss der Journalismus andererseits ein Garant für geprüfte und vertrauenswürdige Informationen aber auch für fachlich-kritische Reflexion, faktenbasierte Einordnung und Kommentierung sein“, sagt Prof. Dr. Michael Beuthner.

Ein interaktiver Erinnerungs- und Lernraum

Bereits 2023 wurden die Forschungsergebnisse im Rahmen der Ausstellung „#Krisenalltag“ im Berliner Museum für Kommunikation gezeigt – seit Dezember 2024 ist die Ausstellung im Landesmuseum Dithmarschen zu sehen. Sie ist die derzeit einzige Forschungsausstellung in Deutschland, die sich umfassend und kritisch mit der Aufarbeitung der Kommunikation während der Corona-Pandemie auseinandersetzt. Noch bis zum 5. Oktober 2025 lädt sie zur Reflexion und zum Dialog ein – mit einem umfangreichen Rahmenprogramm, das sich an Fachpublika ebenso wie an interessierte Bürger richtet.