
Flüchtige Luftschadstoffe wie Stickstoffdioxid und Ozon werden in der EU nur grobmaschig überwacht. Für jeden einzelnen Schadstoff kommen dabei eigene Geräte zum Einsatz, mit denen kein Echtzeitmonitoring möglich ist. Birgitta Schultze-Bernhardt vom Institut für Experimentalphysik der TU Graz möchte diese Messungen vereinfachen und wesentlich verbessern: In ihrem Forschungsprojekt MULTI TRACE entwickelt sie ein tragbares Gerät, das innerhalb von Sekundenbruchteilen die Konzentration mehrerer gasförmiger Schadstoffe in der Umgebungsluft mit höchster Genauigkeit bestimmt.
Kern des Systems ist ein laserbasiertes Dualkamm-Spektrometer, das Birgitta Schultze-Bernhardt mit Förderung durch einen ERC Starting Grant in dem Vorgänger-Projekt ELFIS entwickelt hat. Um die Technologie näher an die praktische Anwendung zu bringen, fördert der Europäische Forschungsrat das Projekt MULTI TRACE für 18 Monate mit einem Proof of Concept Grant in Höhe von 150.000 Euro.
„Die Entwicklung modernster Sensortechnologien und Messmethoden ist ein zentraler Forschungsschwerpunkt der TU Graz. Die Universitätsleitung gratuliert Birgitta Schultze-Bernhardt ganz herzlich zu diesem Proof of Concept Grant“, sagt Andrea Höglinger, Vizerektorin für Forschung der TU Graz. „Ich freue mich sehr, dass sie die Ergebnisse ihrer Grundlagenforschung nun bis zur praktischen Anwendung weiterentwickeln wird.“
Moleküle absorbieren Frequenzen des Laserlichts
Das kompakte Messgerät durchleuchtet die zu prüfende Luft mit Laserlicht, das von einem Reflektor zurückgeworfen wird. Die Moleküle der Luft absorbieren dabei Teile des Farbspektrums des Laserlichts. Da jeder gasförmige Stoff die Frequenzen des Laserlichts auf individuelle Weise absorbiert, können die Forschenden erkennen, welche Schadstoffe in welcher Konzentration vorhanden sind. Zukünftig wird das Gerät die Frequenzwerte automatisch analysieren und die Schadstoffkonzentrationen anzeigen.
„Die Lasertechnologie hat sich zuletzt sehr schnell weiterentwickelt. Heute können wir Messungen, die vor wenigen Jahren nur im Labor möglich waren, in nahezu jeder Umgebung und in alltagsrelevanten Situationen durchführen“, sagt Birgitta Schultze-Bernhardt. „Zudem ist die Technologie wesentlich kompakter geworden. Daher ist es realistisch, dass wir innerhalb von eineinhalb Jahren ein tragbares Gerät herstellen und in verschiedenen realen Umgebungen erproben können.“ Vorgesehen sind Tests im urbanen Raum sowie in Industrie- und Waldgebieten.
Drei Schadstoffe zugleich
Das im Rahmen von MULTI TRACE entwickelte Gerät wird drei Schadstoffe zugleich messen – darunter Ozon und Stickstoffdioxid. „Prinzipiell lässt sich mit unserem Messprinzip jeder denkbare Schadstoff, egal ob gasförmig, flüssig oder fest, detektieren – vorausgesetzt, er ist lichtdurchlässig“, sagt Birgitta Schultze-Bernhardt.
Die möglichen Anwendungsfelder der Technologie sind vielfältig: Industriebetriebe könnten die Luftgüte in ihren Produktionsstätten überwachen, Behörden hätten die Möglichkeit, die Schadstoffbelastung in Städten engmaschig und zeitlich hochaufgelöst zu erheben. Auch in der Medizin gibt es Anwendungsmöglichkeiten: Ärzt*innen könnten Hinweise auf mögliche Erkrankungen sammeln, die mit der Konzentration bestimmter Moleküle in ausgeatmeter Luft assoziiert sind.