Die Rolle des Stickstoffes neu bewertet

Der Anbau von Soja ist mittlerweile für 60 Prozent der Stickstoff-Bindung im Agrarbereich verantwortlich. Foto: Vesna - stock.adobe.com

Man riecht ihn nicht, sieht ihn nicht, er sichert aber unser Überleben: Mit 78 Prozent stellt Stickstoff einen wesentlichen Bestandteil der Erdatmosphäre dar. Bettina Weber, Biologin an der Universität Graz, unterstreicht den Stellenwert: „Er dient als essenzieller Nährstofflieferant und wird für den Aufbau der Biomasse und die Steuerung aller Lebewesen benötigt.“ Um ihn nutzen zu können, muss das Element mit Hilfe von Mikroorganismen fixiert werden.

Diese biologische Bindung passiert in natürlichen Lebensräumen, aber auch auf landwirtschaftlichen Flächen. Während der Anteil natürlicher Areale zurückgeht, hat die durch Ackerbau verursachte Fixierung in den vergangenen 20 Jahren um 75 Prozent zugenommen. Eine zentrale Ursache ist vor allem der Anbau von Soja, zeigt eine internationale Studie, an der Bettina Weber mitarbeitete und die in der renommierten Zeitschrift „Nature“ veröffentlicht wurde.

Ein internationales Forscher-Team hat nun ein umfassendes Bild über die globale biologische Stickstofffixierung gewonnen. Carla Reis Ely von der Oregon State University (USA) leitete die Studie, an der insgesamt 24 Wissenschaftler beteiligt waren. „Unsere neue Schätzung der natürlichen Stickstofffixierung, die auf verbesserten wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert, deutet jedoch darauf hin, dass weniger neuer Stickstoff in natürliche Ökosysteme gelangt.“ In Folge können diese in Folge möglicherweise weniger Kohlendioxid speichern und den Klimawandel in geringerem Ausmaß abmildern.

„Die Datenmenge hat in den vergangenen 25 Jahren um das Vierfache zugenommen. Zusätzlich wurden wesentlich mehr Habitate berücksichtigt und realistische Durchschnittswerte berechnet, so dass wir die globalen Prozesse sehr viel genauer beschreiben können“, schildert Bettina Weber.

„Diese Daten stellen eine essenzielle Grundlage für globale Berechnungen und Modellierungen von Erdsystemprozessen dar. Sie werden benötigt, um das Funktionieren globaler biogeochemischer Kreisläufe zu verstehen und bei Fehlentwicklungen wirksam gegensteuern zu können.“

Weltweit findet in natürlichen Landschaftsformen, wie in Wäldern und Böden ohne menschliche Nutzung, zwar mehr als die Hälfte (56 Prozent) der Stickstoff-Fixierung durch Mikroorganismen statt. Dieser Wert ist aber um bis zu zwei Drittel niedriger als noch vor 25 Jahren angenommen. Hierbei leisten Böden einen Beitrag im Ausmaß von 26 Prozent, Bäume 19 Prozent, Kräuter 17 Prozent und Sträucher neun Prozent. Eine bisher nicht berücksichtigte Bedeutung haben biologische Bodenkrusten. Sie sorgen immerhin für 18 Prozent der Stickstoff-Bindung in natürlichen Umgebungen.

Biologin Bettina Weber: „Diese Gemeinschaft von Bakterien, Pilzen, Moosen, Flechten und Algen, die überall in Trockengebieten vorkommt, sorgt gewissermaßen als lokaler Dünger dafür, dass sich andere Pflanzen ansiedeln können und dadurch die Wüstenbildung unterbinden.“

Neben natürlichen Flächen spielt die Stickstofffixierung auch auf Äckern und Weiden eine Rolle, wo spezielle Pflanzen, die sogenannten Schmetterlingsblütler, die fixierende Bakterien in Knöllchen ihrer Wurzeln beherbergen. Die Wissenschaftler begründen den 75-prozentigen Anstieg in den vergangenen zwei Jahrzehnten mit einer Intensivierung sowie der beinahe verdoppelten Fläche des Soja-Anbaus. Er ist mittlerweile für 60 Prozent der Stickstoff-Bindung im Agrarbereich verantwortlich, während 33 Prozent auf Wiesen und Weiden, vor allem durch Klee, sowie sieben Prozent auf sonstige Agrarprodukte entfallen.

„Wird zu viel an Stickstoff in Böden eingebracht, können durch Umwandlungsprozesse vermehrt gasförmige Verbindungen in die Atmosphäre freigesetzt werden“, warnt Bettina Weber unter anderem vor dem Ausstoß von Abbauprodukten wie Stickoxiden oder Lachgas. Diese können in das Gleichgewicht der Lufthülle der Erde eingreifen und Klimaprozesse verändern oder stören.