
Zu viel Sonne schadet nicht nur uns Menschen, sondern auch Trauben, Äpfeln und anderem Obst. Damit Obstproduzenten frühzeitig und gezielt ihre Früchte schützen können, entwickeln Forschende des Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) aus Potsdam gemeinsam mit Partnern aus Ungarn und Italien ein System zur Erfassung und Vorhersage von Hitzeschäden im Obstbau.
„Anders als wir Menschen benötigen Äpfel und Co die Sonnenstrahlung, um mit Hilfe von Photosynthese Zucker herzustellen. Doch auch für sie ist zu viel Hitze und UV-Strahlung schädlich“, erklärt Dr. Manuela Zude-Sasse, Leiterin der Arbeitsgruppe Präzisionsgartenbau am ATB. „Äpfel und Trauben zeigen bei geringem Stress ein Bleichen der grünen Schale, welches nach einigen Stunden von den Früchten allerdings wieder repariert werden kann.

Bei anhaltendem Stress treten Verbräunungen auf. Trauben können dann auch bereits an der Pflanze welken. Für Obstbaubetriebe ist das ein großes Problem. Denn verbräunte Früchte haben eine verringerte Haltbarkeit und gelangen aufgrund des folgenden mikrobiellen Verderbs nicht mehr in den Verkauf. Bei andauernden Hitzewellen kann auch die gesamte Ernte verloren sein“, so die Expertin.
In einem Verbundprojekt mit Forschungs- und Praxispartnern entwickelte das ATB deshalb ein neuartiges Sensorsystem, mit dem die einzelnen Früchte im Baum erkannt und die Temperaturen direkt an der Fruchtoberfläche erfasst werden. Dafür kombinierte das Team Laserscanner (LiDAR) mit Wärmebildkameras, um 3D-Informationen über die Verteilung der Oberflächentemperatur in der Baumkrone zu erhalten.
Dr. Zude-Sasse beschreibt: „Kontinuierliche Messungen in den Apfelbaumreihen mit Hilfe dieser Sensorkombination ermöglichten es uns, viele Informationen über die physiologische Stressreaktion einer Frucht bei hohen Lufttemperaturen zu sammeln.“
Das Team rund um die Forscherin entwickelte basierend darauf den Fruit-Water-Stress-Index (FWSI), der erstmals nicht nur den Wasserstress einer ganzen Baumkrone beschreibt, sondern Informationen über den Wasserzustand einzelner Früchte liefert.
Doch wie kann ein Obstproduzent rechtzeitig gewarnt werden?
Dr. Zude-Sasse erläutert: „Unser Frühwarnsystem soll anhand von Wetterprognosen und den tatsächlich auftretenden Fruchtschäden genau vorhersagen, wo und wann zukünftig Hitzeschäden auftreten könnten. Ein kurzer Blick auf das Smartphone würde genügen, um zu Wissen welche Pflanzen an welchen Tagen besonderen Schutz benötigen. Damit ein solches System funktionieren kann, haben wir unsere 3D-Temperaturkarten mit Temperaturverläufen und Messdaten aus der Lagerung kombiniert. Mit Hilfe von KI-Methoden konnten wir so ein zunächst generelles Risikomodell entwickeln.“
In den kommenden Jahren werden die Forschenden ihr Risikomodell an verschiedenen Früchten in unterschiedlichen Anbaubedingungen validieren und in eine Smartphone-App integrieren. Einen Prototyp kann man bereits im Play Store herunterladen. Obstbaubetriebe können ihre Daten mit Hilfe der App auch in die ATB-Cloud laden und somit das System durch die zusätzlichen Daten verbessern.
Die Obstproduzenten erhalten so die Möglichkeit gefährdete Pflanzen präzise zu schützen, beispielsweise über Wasservernebelungsanlagen, die durch Verdunstung punktuell die Temperatur senken oder durch Ausbringung feiner Sandpartikel, die zunächst vor Strahlung schützen, vom Regen aber wieder rückstandsfrei abgewaschen werden. Neue Weinreben und Apfelplantagen könnten direkt so angelegt werden, dass weniger Schäden durch Hitze auftreten.