
Die Frage, ob Wasserstoff in allen Sektoren wirklich wirtschaftlich sinnvoll ist oder ob andere Lösungen (Elektrifizierung, Batterie, Wärme/Kälte, Abwärmenutzung) vorzuziehen sind, wird seit längerem gestellt. Erzeugung, Verteilung und Betankung von grünem Wasserstoff sind derzeit deutlich teurer als fossile Alternativen oder Batterielogistik; Wirtschaftlichkeit in vielen Logistik-Use-Cases erst ab höheren Nutzungsintensitäten erreichbar. Flächendeckende Tankinfrastruktur, Verteilnetze und verlässliche Lieferketten für Wasserstoff fehlen in vielen Regionen, insbesondere außerhalb großer Logistikdrehscheiben.
Hohe Kapazitätsanforderungen für Produktion, Transport und Betankung; zeitnahe Skalierung ist unklar, sodass Pufferzeiten bei Fleet-Replacements schwer planbar sind. In vielen Logistikfällen könnten batterieelektrische Lösungen oder Hybridkonzepte wirtschaftlicher und schneller implementierbar sein.
Nun zeigt eine Untersuchung der schwedischen Chalmers Universität darüber hinaus, dass bereits geplante Wasserstofftankstellen zu jährlichen Verlusten in Millionenhöhe führen könnten: Mit dem Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur in der EU müssen Tankstellen in allen Ländern nach dem gleichen Prinzip verteilt werden. Die Studie weist jedoch auf Mängel in den EU-Vorschriften hin. Anhand eines fortschrittlichen Modells zeigen die Forscher, dass die Verteilung der Tankstellen sowohl falsch dimensioniert sein als auch in einigen Ländern zu Verlusten in Höhe von mehreren zehn Millionen Euro pro Jahr führen kann.

Die Chalmers University of Technology (Chalmers tekniska högskola) ist eine renommierte staatliche technische Universität in Göteborg, Schweden. Sie wurde 1829 gegründet und gehört zu den führenden technischen Hochschulen Europas. Schwerpunkte liegen auf Ingenieurwesen, Naturwissenschaften, Architektur und Informatik.
Bis 2030 müssen die EU-Länder mindestens alle 200 Kilometer an Hauptverkehrsstraßen und an jedem städtischen Knotenpunkt Wasserstofftankstellen errichtet haben. Ziel ist es, die Einführung von wasserstoffbetriebenen Verkehrsmitteln zu erleichtern. Dies wird durch die Verordnung über die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR) geregelt, die 2023 in Kraft getreten ist.
Eine Studie von Chalmers, die auf Daten von 600.000 Frachtrouten in ganz Europa basiert, zeigt jedoch, dass die Anforderungen in vielen Fällen nicht der tatsächlichen Nachfrage entsprechen. Durch die Modellierung des möglichen Betriebs von wasserstoffbetriebenen Fernlastwagen im Jahr 2050 zeigen die Forscher nicht nur, wo die Nachfrage nach Wasserstoffinfrastruktur am höchsten sein wird, sondern auch, wie die aktuellen EU-Vorschriften in einigen Ländern zu großen Verlusten führen könnten.
„Das EU-Recht basiert auf Entfernungen, aber das Verkehrsaufkommen unterscheidet sich zwischen den Ländern auch in anderer Hinsicht. Nach unserem Modell muss die Kapazität in Frankreich im Jahr 2050 siebenmal höher sein als das, was die EU bis 2030 vorschreibt. Folglich ist die Einführung im Rahmen von AFIR ein erster Schritt auf dem Weg dorthin, muss aber ergänzt werden“, sagt Joel Löfving, Doktorand am Institut für Mechanik und Maritime Wissenschaften der Chalmers-Universität.
Länder wie Bulgarien, Rumänien und Griechenland haben jedoch nicht das gleiche Verkehrsaufkommen und sind gezwungen, Infrastrukturen zu bauen, die wahrscheinlich nicht in gleichem Maße genutzt werden. Dies kann zu Investitionen und Betriebskosten in Höhe von mehreren zehn Millionen Euro pro Jahr für ungenutzte Kapazitäten führen.
Genaue Simulation spiegelt Nachfrage wider
Neben der Berücksichtigung von Verkehrsaufkommen und Entfernungen umfasst die Chalmers-Studie auch topografische Daten der Europäischen Weltraumorganisation. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass das geografische Gelände eine größere Rolle für den Energiebedarf spielt als bisher angenommen.
„Viele Modelle verwenden einen durchschnittlichen Energiebedarf pro Kilometer für Lkw. Das Bedarfsprofil ändert sich jedoch deutlich, wenn Parameter wie Steigung und Geschwindigkeit berücksichtigt werden. Dies liefert eine genauere Grundlage dafür, wo die Infrastruktur tatsächlich benötigt wird“, sagt Joel Löfving.
Die Studie konzentrierte sich auf den Fernverkehr, d. h. Entfernungen von mehr als 360 Kilometern, da kürzere Strecken in Zukunft wahrscheinlich mit batteriebetriebenen Lastkraftwagen zurückgelegt werden.
„Wir haben die Richtung der technologischen Entwicklung für Lkw berücksichtigt. Ein Großteil der aktuellen Forschung zeigt, dass Batterien in der Lage sein werden, die kürzeren Strecken zu bewältigen, während Alternativen wie Wasserstoff als Ergänzung für lange Strecken erforderlich sein könnten“, sagt Joel Löfving.
Politisches Interesse an bedarfsorientierter Einführung
Das Modell der Forscher blickt über die Anforderungen für 2030 hinaus und analysiert, wie Investitionen in die Wasserstoffinfrastruktur langfristig nachhaltig sein können. Die Studie wurde bereits für politische Diskussionen in Schweden und der EU über die Planung der Einführung der Wasserstoffinfrastruktur herangezogen.
„Auf EU-Ebene konnten wir Feedback für die Bewertung der AFIR geben, die 2026 stattfinden wird, und ich hoffe, dass wir die Entwicklung des Gesetzes so beeinflussen können, dass die spezifischen Gegebenheiten jedes Landes berücksichtigt werden. Für Schweden ist AFIR ein guter Anfang, aber Investitionen in teure neue Technologien sind immer mit Risiken verbunden. Da die Studie einen längeren Zeitrahmen hat, konnten wir einen Beitrag zur Diskussion darüber leisten, wie ein wirtschaftlich nachhaltiges Tankstellennetz aufgebaut werden kann, das letztendlich die Schaffung eines Marktes für schwere Wasserstofffahrzeuge erleichtern wird“, sagt Löfving.