Lichtinduzierter Degradation: Wenn die PV in die Jahre kommt

Esther Fokuhl vom Fraunhofer ISE präsentierte bei der Regenerativen Energietechnik-Konferenz an der Hochschule Nordhausen aktuelle Forschungsergebnisse zu Degradationsmechanismen von Solarmodulen. Quelle: Sara Schulz Copyright: Hochschule Nordhausen

Die Solarenergie wird zusammen mit der Windkraft die zentrale Säule eines zukünftigen Energiesystems darstellen. Die Photovoltaik war in den letzten zwanzig Jahren von stürmischen technologischen Entwicklungen im Bereich des Zell- und Modulaufbaus sowie der Fertigung geprägt. Dies hat einerseits zu einem deutlichen Preisverfall geführt, andererseits liegen nur für wenige Technologien Langzeiterfahrungen im Feld vor. Wenngleich Photovoltaikmodule permanent der Witterung ausgesetzt sind, wird eine technische Lebensdauer von mindestens 20 Jahren erwartet. Diese ist auch Grundlage der von den Herstellern gewährten Leistungsgarantie oder für die Kalkulation einer kostendeckenden Einspeisevergütung.

Der lange Zeitraum sowie die Umwelteinflüsse bewirken eine natürliche Alterung der eingesetzten Materialien. Hinzu kommen Degradationserscheinungen, die durch die Zelltechnologie induziert und durch Umgebungseinflüsse verstärkt werden. Diese Degradationserscheinungen sind ein vergleichsweise junges Forschungsgebiet, in dem ausgehend von einem elektrischen Verständnis der Degradationsmechanismen ein Zustandsmodell des Degradationsverhaltens aufgestellt und daraus valide Modultest abgeleitet werden.

Im Rahmen ihrer Arbeit, die durch eine Zusammenarbeit der Hochschule Nordhausen, der Technischen Universität Dresden und dem Fraunhofer Institut für Solar Energiesysteme in Freiburg möglich wurde, hat sich Frau Dr.-Ing. Esther Fokuhl auf das lichtinduzierte Degradationsverhalten von kristallinen Silizium Solarzellen konzentriert. Es gelang ihr dabei ein grundlegendes Verständnis für den Ablauf des Degradationsverhaltes zu entwickeln und experimentell zu verifizieren. Die Ergebnisse ihrer Arbeit haben wesentliche Auswirkung auf die Gestaltung und Durchführung von Prüfnormen.

Lichtinduzierte Degradation ist in der wissenschaftlichen Diskussion ein vergleichsweise neuer Forschungsgegenstand, die sich wie TCO-Korrosion oder die potentialinduzierte Degradation auf Zellebene manifestiert. Man unterscheidet neben einer Reihe weiterer Mechanismen insbesondere zwischen der lichtinduzierten Degradation durch Bor-Sauerstoff-Verbindungen (BO-LID | boron-oxygen related light-induced degradation) und der licht- und temperaturinduzierten Degradation (LeTID | light and elevated temperature induced degradation). Sowohl bei BO-LID als auch LeTID laufen unterschiedliche Prozesse gleichzeitig ab. Beide Degenerationsmechanismen können durch Zustandsmodelle beschrieben werden, die den Übergang zwischen Degeneration, Annealing- bzw. Recovery-Prozessen und Regeneration beschreiben.

Die Herausforderung bei der Entwicklung valider Prüfverfahren zur Bestimmung der Empfindlichkeit von Zelltechnologien auf die beiden Degenerationsmechanismen liegt nun auf zwei Ebenen: Einerseits muss eine Prüfsequenz bestimmte Zustände gezielt anregen um eine Degradation zuverlässig zu erkennen. Andererseits regen Prüfsequenzen in der Regel sowohl BO-LID als auch LeTID gleichermaßen an, wodurch eine Separation des Einflusses beider Mechanismen notwendig ist.

Die Arbeit von Frau Fokuhl greift beide Herausforderungen auf und zeigt, wie ein zuverlässiges Prüfverfahren für licht- und temperaturinduzierten Degradation (LeTID) aussehen kann: So wurden geeignete Testbedingungen (Slow LeTID) in Verbindung mit einer Vorkonditionierung der Module entwickelt. Es wurde ferner gezeigt, dass eine weitere Beschleunigung des Prüfverfahrens (Fast LeTID) zu einer Erhöhung der Ungenauigkeit in den Testergebnissen führt. Für die Trennung des Effekts von BO-LID und LeTID wurde ein Stabilisierungsprozess entwickelt, der zu einer temporären BO-LID Regeneration führt und die LeTID-Degeneration vorübergehende wiederherstellt. Die Verfahren wurden zunächst theoretisch begründet und anschließend durch umfangreiche Testsequenzen auf Modulebene validiert.

Auf Basis dieser Erkenntnisse untersucht Frau Fokuhl im letzten Teil ihrer Arbeit den Einfluss von LeTID und BO-LID auf Photovoltaikanlagen unter Freifeldbedingungen und entwickelt ein energieeffizientes Verfahren zum LID-Recovery auf Generatorebene.

Neben der Entwicklung eines effektiven Prüfverfahrens erlaubt die Arbeit von Frau Fokuhl eine erste Bewertung der Empfindlichkeit von kristallinen Silizium-Solarmodulen im Feld: Unter realen Umweltbedingungen spielt die temporäre Erholung eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Leistungsverlusten aufgrund von LeTID. An Standorten mit gemäßigtem Klima, wie z.B. in Deutschland, reduziert die temporäre Erholung die Ertragsverluste von PV-Kraftwerken erheblich. Ferner kann die Zustandsänderung der temporären Erholung angewandt werden, um LeTID in PV-Kraftwerken durch nächtliche Stromeinprägung umzukehren.

Ein solches Verfahren hat das Potenzial, die Ertragsverluste in PV-Kraftwerken aus den späten 2010er Jahren erheblich zu reduzieren, da in diesem Zeitraum eine beträchtliche Anzahl von LeTID-empfindlichen PERC-Modulen installiert wurde. Unter der Voraussetzung, dass geeignete Bedingungen gewährleistet werden können, ist eine wirtschaftlich tragfähige Umsetzung eines solchen Verfahrens möglich. Geeignete Bedingungen liegen vor, wenn (a) ein gepulster Strom anstelle eines konstanten Stroms verwendet wird; (b) ein Strom im Bereich des Label-Kurzschlussstroms verwendet wird; (c) das Verfahren in kalten Winternächten durchgeführt wird. Es ist wahrscheinlich, dass eine periodische Wiederholung des Verfahrens erforderlich sein wird, wenn auch mit einem geringeren Energieaufwand.