Klimakiller: Fossile Brennstoffe und Zement

Foto: DieLinde
Foto: Die Linde

Im vergangenen Juni war es in weiten Teilen Europas so heiß wie nie zuvor. Im Juli ächzte dann der Mittelmeerraum unter der sengenden Hitze; Einheimische und Touristen litten unter Temperaturen von weit mehr als 40 °C. Im August brannten vielerorts ausgedörrte Wälder. Weltweit werden neue Rekorde für extreme Hitze aufgestellt, was unsere Gesundheit und die Wirtschaft beeinträchtigt. Den Eindruck vieler älterer Menschen, dass es «früher» kaum je so heiß war, wird nun durch eine Studie eines Forschungsteams um die Klimaprofessorin Sonia Seneviratne von der Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich) bestätigt: Mehr als 200 Hitzewellen wurden aufgrund des menschgemachten Klimawandels intensiver und häufiger. 

Die Forschenden betrachteten 213 Hitzewellen, die zwischen 2000 und 2023 auf allen sieben Kontinenten auftraten. Zu den Hitzewellen zählten sie all jene, über die Behörden oder Medien berichteten, entweder aufgrund einer bedeutenden Anzahl von Todesfällen, wirtschaftlicher Verluste oder weil die betroffenen Länder internationale Hilfe anforderten. Afrika und Südamerika sind in der Studie allerdings stark untervertreten, da Hitzewellen in diesen Regionen weder von den betroffenen Ländern noch von den Medien gemeldet wurden und es somit kaum verwertbare Daten gibt.

Klimawandel macht Hitzewellen wahrscheinlicher – und immer schlimmer

Dennoch ist der Trend eindeutig. «Der Klimawandel hat jede einzelne dieser Hitzewellen wahrscheinlicher und intensiver gemacht, und die Situation hat sich im Laufe der Zeit verschärft», sagt Yann Quilcaille, Erstautor der Studie und Postdoktorand in Seneviratnes Forschungsgruppe. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass die Klimaerwärmung Hitzewellen zwischen 2000 und 2009 Hitzewellen zwanzigmal und zwischen 2010 und 2019 sogar 200 Mal wahrscheinlicher gemacht hat, verglichen mit der Zeit zwischen 1850 und 1900.

Ein weiterer Aspekt der Studie ist, wer zu diesem Trend beigetragen hat. Hierzu untersuchten die Forschenden die Emissionen der 180 größten Produzenten von fossilen Brennstoffen und Zement – in der Studie als Carbon Majors bezeichnet – eingeschätzt. Deren Emissionen umfassen 60 Prozent der gesamten kumulierten CO2-Emissionen der Menschheit von 1850 bis 2023. Die restlichen CO2-Emissionen entfallen hauptsächlich auf die Landnutzung. Anschließend haben die Forschenden berechnet, welchen Beitrag jeder Carbon Major zur Veränderung der globalen Durchschnittstemperatur geleistet hat.

Zudem haben die Forschenden Klimamodelle, in denen die Emissionen eines bestimmten Carbon Majors nicht berücksichtigt wurden, durchgerechnet, um den Effekt eines einzelnen Akteurs auf die globale Durchschnittstemperatur hervorzuheben. Wissen die Klimaforschenden schließlich, wie viel diese Unternehmen zur Erderwärmung beigetragen haben und wie die Erwärmung Hitzewellen beeinflusst, können sie berechnen, wie stark jeder dieser Kohlenstoff-Emittenten jede einzelne Hitzewelle beeinflusst hat.

«Für jede Hitzewelle rechnen wir den Einfluss des Klimawandels auf deren Intensität und Wahrscheinlichkeit heraus. Dabei identifizieren wir sowohl dein Einfluss jedes einzelnen Unternehmens als auch den kombinierten Einfluss anderer menschlicher und natürlicher Faktoren», erklärt Quilcaille.

Auch kleine Emittenten sind große Fische

Die Forscher haben also die globale Erwärmung und die Beiträge zu Hitzewellen bis zu diesen 180 Organisationen rückverfolgt. Dies zeigt: Die Treibhausgasemissionen der Carbon Majors haben erheblich zum Klimawandel und somit auch dazu beigetragen, dass Hitzewellen wahrscheinlicher und intensiver geworden sind.

«Rund die Hälfte der Veränderung der globalen Durchschnittstemperatur im Jahr 2023 können wir durch die Emissionen der Carbon Majors erklären», sagt Quilcaille. Dabei schwingen 14 der 180 Körperschaften oben aus. Sie haben den gleichen Anteil an der Klimaerwärmung wie die restlichen 166 Organisationen zusammen.

Die fünf größten Produzenten fossiler Brennstoffe im Besitz von staatlichen Körperschaften oder privatwirtschaftlich geführten Unternehmen sind laut der Studie die ehemalige Sowjetunion, gefolgt von der Volksrepublik China (aufgrund der Kohleförderung), sowie die Erdölunternehmen Saudi Aramco, Gazprom und ExxonMobil.

«Die 14 größten Carbon Majors haben zwar am meisten zum Auftreten von Hitzewellen beigetragen. Aber auch die Beiträge der kleinen Akteure spielen eine grosse Rolle», sagt Quilcaille. Selbst die CO₂-Emissionen des kleinsten der 180 Kohlenstoff-Giganten, des russischen Kohleproduzenten Elgaugol, reichen gemäss den Berechnungen noch immer aus, um 16 Hitzewellen zu verursachen. Der Beitrag eines der 14 grössten Akteure reicht aus, um über 50 Hitzewellen zu verursachen. Ohne den Klimawandel wären diese nahezu unmöglich gewesen.

Energiewende verzögert

Warum aber berechnen die Forschenden den Beitrag der Erdöl- und Zementunternehmen, wenn doch jeder wohlhabende Mensch Auto fährt, in die Ferien fliegt oder sein Haus mit Erdöl oder Erdgas heizt und damit kollektiv für die Hitzewellen verantwortlich ist? «Frühere Arbeiten haben sich vor allem mit den Emissionen von Einzelpersonen und Ländern befasst. Hier konzentrieren wir uns auf die Emissionen der großen Kohlenstoff-Emittenten», erklärt Quilcaille.

Diese stünden besonders in der Pflicht, da ihr Geschäft mit einem sehr hohen CO₂-Fußabdruck verbunden ist. «Diese Firmen und Körperschaften haben zudem vor allem ihre wirtschaftlichen Interessen verfolgt, obwohl sie seit den 1980er Jahren wussten, dass die Verbrennung fossiler Treibstoffe zu einer Klimaerwärmung führen wird.» Durch Desinformation und intensive Lobbyarbeit hätten sie ihr Geschäft jedoch geschützt und weiterbetrieben. «Obwohl jeder von uns – Einzelpersonen, Länder, Unternehmen – zum Klimawandel beiträgt, haben gewisse Akteure eine besondere Verantwortung», betont Quilcaille

Wissenslücke füllen

Mit ihrer Studie füllen die Forschenden eine Wissenslücke, indem sie mittels Zuordnungsstudien mehr Extremereignisse abdecken und diese mit Akteuren verknüpfen. Ihre Resultate könnten aber auch eine Basis dafür sein, die Verantwortung für die immer häufiger auftretenden Hitzewellen aufzuzeigen. Auf dieser Grundlage könnte die Rechtsprechung entsprechend angepasst werden. Auch könnten die Schäden durch Hitzewellen stärker nach dem Verursacherprinzip beurteilt werden.

«Jetzt sind wir an dem Punkt, an dem wir die ernsthaften Konsequenzen von Wetterextremen für die Weltwirtschaft und die Gesellschaft erkennen: hitzebedingte Todesfälle, Ernteausfälle und vieles mehr. Die Menschen fragen sich, wer dafür verantwortlich ist», sagt Quilcaille.

Die Forschenden wollen nun weitere Extremereignisse wie Starkniederschläge, Dürren und Waldbrände systematisch untersuchen, um auch diese Ereignisse auf die Beiträge einzelner Akteure zurückzuführen – und damit nutzbare wissenschaftliche Informationen für Entscheidungsträger:innen bereitzustellen.

Beitrag einzelner Akteure nur selten analysiert

Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine sogenannte Attributionsstudie. Mit solchen Zuordnungen untersuchen und bewerten Klimawissenschaftler die relativen Beiträge verschiedener Ursachen zu einer Klimaveränderung oder einem Ereignis. Bisher konzentrierte sich die Forschung zur Attribution extremer Wetterereignisse hauptsächlich auf einzelne Ereignisse und quantifizierte selten den Beitrag einzelner Akteure wie Nationen oder Unternehmen zu diesen Ereignissen. Eine systematische und kollektive Durchführung von Zuordnungen für eine Reihe von Ereignissen gab es bislang nicht.