

Robert Wasser studierte Maschinenbau mit der Fachrichtung Energietechnik an den Hochschulen Niederrhein und Osnabrück. In einem Praxissemester in El Salvador war er am Bau eines Prototyps für ein solargeothermisches Kraftwerk beteiligt und in seiner Diplomarbeit entwarf er ein Nahwärmenetz für das niedersächsische Badbergen. Nach seinem Studium arbeitete Robert Wasser als Projektingenieur für Biogasanlagen, Wärmenetze, Biogasleitungen, Bioenergiedörfer, Biomethan-BHKW und Energiekonzepte für Städte und Kommunen. Im Jahr 2014 gründete er sein eigenes Ingenieurbüro, das sich auf die Fahnen schrieb, Systeme zu ändern statt anzupassen.
Was ist eigentlich auf dem Strommarkt los?
Für den Nichtfachmann bietet sich ein unübersichtliches Bild: Zu viel Strom, zu wenig Strom. Mal explodieren die Preise, um dann wieder in den Keller zu verschwinden. Auf dem Strommarkt passiert gerade das tatsächlich, was schon seit dem Beginn des Ausbaus der erneuerbaren Energien prognostiziert wurde. Es gibt nur noch 2 Zustände auf dem Strommarkt: entweder wir haben zu viel erneuerbare oder zu wenig. Im Jahr 2025 ist dieser Effekt im Mai und Juni voll durchgeschlagen, in diesen beiden Monaten war der Strompreis zwischen 10:00 Uhr und 16:00 Uhr fast durchgehend bei 0 oder sogar negativ. Immer, wenn die Sonne schien, wurde mehr EE-Strom erzeugt, als insgesamt an Strom benötigt wurde und der Markt war übersättigt.
Hält diese Entwicklung so an?
Das ist erst der Anfang: Alleine im letzten Jahr wurden weltweit 600 GW PV-Leistung zugebaut, in Deutschland waren es über 16 GW. Die Kraftwerke, die die Lücken füllen müssen, sind heute überwiegend noch fossil und werden daher per se immer teurer. Dazu bekommen Sie immer weniger Betriebsstunden und müssen auch dies mit höheren Preisen kompensieren. Die logische Folge sind immer stärkere Schwankungen beim Strompreis.
Aber was wird dann aus der Energiewende?
Die Änderung im Strommarktdesign bedeutet erst einmal, das die Energiewende in vollem Gange ist. Diejenigen, die sich auf die neuen Rahmenbedingungen einstellen können, können sehr davon profitieren. Für flexible Verbraucher kann der Strom sehr viel günstiger werden, für Anbieter von gesicherter (erneuerbarer) Leistung bieten sich neue Möglichkeiten und Wertschöpfungsmöglichkeiten. Unterm Strich müsste es für alle günstiger werden. Sowohl direkt über einen insgesamt günstigeren Strompreis, als auch indirekt über den immensen volkswirtschaftlichen Nutzen, den wir durch die Energiewende erzielen.
Was steht der Entwicklung noch im Weg?
Leider stehen dem aktuell regulatorische Hindernisse im Weg. So ist es kaum vermittelbar, das wir heute Windräder aus dem Wind drehen und Überschüsse vernichten, der Verbraucher aber trotzdem lieber den fossilen Gaskessel anwirft, statt eine elektrische Heizpratrone anzuschalten und damit Wärme bereitzustellen. Hierfür braucht es aber dringend flexible Netzentgelte und Umlagen, diese würden eine kurzfristige Verwertung der Überschüsse ermöglichen.
Über die Hälfte des Energiebedarfs in Deutschland ist Wärmebedarf, der größte Teil davon ist fossil, hier gibt es also noch viel zu tun. An welcher Stelle, mit welcher Technik können denn kurzfristige Verbesserungen geschaffen werden?
Wenn die zeitweilig billigen Preise beim Verbraucher ankommen, können wir schnell und preiswert fossile Energien ersetzen. Auf der anderen Seite gilt es, kurzfristig und preiswert gesicherte erneuerbare Leistung aufzubauen. Das geht nur mit regenerativen Speicherkraftwerken (SKW). Sie liefern gesicherte erneuerbare Leistung – genau dann, wenn Strom gebraucht wird – und sind damit die logische Alternative zu neuen, teuren LNG-Kraftwerken. Solche Speicherkraftwerke bestehen aus 4 Komponenten:
1. Flexible BHKW – sie erzeugen planbar Strom und Wärme aus Biogas oder Biomethan.
2. Wärmespeicher – sie speichern keine elektrische Energie, sondern Wärme, und entkoppeln so Stromerzeugung und Wärmebedarf.
3. Gasspeicher – sie puffern das Biogas und ermöglichen die Verschiebung der Stromproduktion auf Bedarfszeiten.
4. Netzanschluss – vorhandene Anschlüsse von Wind- oder PV- Parks können dafür genutzt werden..
Diese Systeme bauen auf der bestehenden Infrastruktur von über 10.000 Biogasanlagen auf – theoretisch eine Riesenchance für eine schnelle, dezentrale Versorgungssicherheit.
Und was ist das Problem hier?
Am 31. Januar 2025 wurde ein Gesetz verabschiedet, das kurzfristig bessere Rahmenbedingungen für den Aufbau solcher SKW schaffen sollte – mit breiter politischer Zustimmung. Doch seitdem hängt es in der beihilferechtlichen Genehmigung der EU-Kommission fest – und ist faktisch blockiert. Die Branche ist fassungslos. Projekte stehen in den Startlöchern, Investoren sind bereit, die Technik ist erprobt, aber es passiert: nichts. Mein persönliches Fazit ist: Die Technik ist da. Die Notwendigkeit ist klar. Was fehlt, ist der politische Wille, die letzten Blockaden zu lösen. Wenn regenerative Speicherkraftwerke endlich ihre Rolle übernehmen dürfen, brauchen wir keine fossile Reservekapazität mehr. Nur: die Zeit läuft davon.