Kühlende Aerosole für das Weltklima

Die Zeitserienstation Boknis Eck liegt am Rand der Eckernförder Bucht. Seit mehr als 60 Jahren werden an der gleichen Stelle regelmäßig Umweltdaten gemessen, die Aufschluss über den Zustand der südwestlichen Ostsee geben. Copyright: Foto: Sarah Uphoff / GEOMAR (CC BY 4.0)

Das Spurengas Carbonylsulfid hat als Vorläufer von kühlenden Aerosolen eine wichtige Bedeutung für das Weltklima. Ein großer Teil der weltweiten Emissionen stammt wahrscheinlich aus dem Meer, doch der genaue Ursprung ist zum Teil noch unklar. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, den USA und Israel wollen nun gemeinsam Quellen des schwefelhaltigen Spurenstoffs finden.

Je ein Atom Sauerstoff, Kohlenstoff und Schwefel ergeben zusammen die Verbindung Carbonylsulfid – ein Spurengas, das als Vorläufer von kühlenden Aerosolen eine wichtige Bedeutung für das Weltklima hat. Ein großer Anteil der weltweiten Emissionen stammt wahrscheinlich aus dem Meer, doch der genaue Ursprung ist zum Teil noch unklar.

Diese im globalen Budget bislang nicht erklärbaren Emissionen stehen im Mittelpunkt eines kürzlich bewilligten internationalen Forschungsprojekts: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, den USA und Israel wollen gemeinsam die These überprüfen, ob Küstengebiete eine wichtige Quelle für Carbonylsulfid sind. Die Geoökologin Prof. Dr. Sinikka Lennartz von der Universität Oldenburg leitet das Vorhaben auf deutscher Seite. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft stellt dafür über drei Jahre rund 350.000 Euro bereit.

Carbonylsulfid kommt in der Atmosphäre nur in äußerst geringen Konzentrationen vor: Die Schwefelverbindung macht etwa eins von zwei Milliarden Luftmolekülen aus. Trotzdem ist der vergleichsweise langlebige Stoff wichtig für das Klima. Moleküle, die in die Stratosphäre gelangen, reagieren dort zu Schwefelsäure und bilden Aerosole, die das Sonnenlicht reflektieren und damit die Erde abkühlen.

Wichtigste Quelle für das Spurengas sind menschliche Emissionen und die Weltmeere. Dort entsteht Carbonylsulfid an der Meeresoberfläche, wenn Sonnenlicht mit organischen Schwefelverbindungen reagiert, aber auch durch chemische Prozesse im Sediment. Landpflanzen nehmen das Gas bei der Photosynthese auf und entfernen es so wieder aus der Atmosphäre.

„Die Konzentration von Carbonylsulfid war in den vergangenen Jahrzehnten stabil, was darauf hindeutet, dass Quellen und Senken im Gleichgewicht sind. Doch über die Größe dieser Quellen und Senken bestehen noch große Unklarheiten“, sagt Lennartz.

So hatten Messungen vor einigen Jahren ergeben, dass die Landpflanzen um ein Vielfaches mehr Carbonylsulfid aufnehmen als ursprünglich gedacht. Entsprechend größer müssen die Emissionen aus den Meeren sein. Forschende vermuten, dass vor allem Küstenregionen größere Mengen des Spurengases abgeben, doch dazu existieren bislang nur wenige Messungen.

Lennartz hatte 2017 ein Modell für die marinen Emissionen von Carbonylsulfid entwickelt, das bis heute am besten mit Beobachtungsdaten übereinstimmt. Die Forscherin wies außerdem nach, dass Carbonyl-Emissionen aus den offenen Ozeanen nicht die fehlende Quelle sind. Die Auflösung ihres Modells ist allerdings nicht fein genug, um den Beitrag der Küstengebiete abzubilden.

Im neuen Projekt will Lennartz nun gemeinsam mit Forschenden aus den USA und Israel die These überprüfen, dass Küstengebiete deutlich mehr Carbonylsulfid emittieren als die offenen Ozeane. Das Team plant, langfristig regelmäßige Messungen an zwei Stationen an der Atlantikküste und in der Ostsee zu vorzunehmen. Zum einen nutzen die Forschenden einen Turm der renommierten Woods Hole Oceanographic Institution, der sich drei Kilometer vor der Küste der Insel Martha‘s Vineyard im US-Bundesstaat Massachusetts befindet. Zum anderen greifen sie auf die Messstation Boknis Eck des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel in der Eckernförder Bucht zurück. An beiden Orten sollen die Emissionen von Carbonylsulfid, Kohlendioxid, Kohlenmonoxid und ihre Konzentrationen an der Meeresoberfläche mindestens ein Jahr lang gemessen werden.

Anhand der Daten will das Team zunächst ein Modell entwickeln, das die Produktion von Carbonylsulfid vom Meeresboden bis zur Meeresoberfläche berechnet. Es soll als Basis für ein weiteres Modell dienen, das alle relevanten Prozesse in einer Küstenregion berechnen kann. Ziel ist es, die Unsicherheiten beim globalen Budget von Carbonylsulfid zu verringern und die Prozesse besser zu verstehen, die den Austausch von Spurengasen zwischen Ozean und Atmosphäre steuern.