
Sächsische Forschende entwickeln biotechnologische Zellfabriken, die ohne landwirtschaftliche Anbauflächen und fossile Rohstoffe auskommen. Die TU Chemnitz, die Universität Leipzig und das Fraunhofer FEP nutzen Mikroalgen, um aus Kohlendioxid und Sonnenlicht die wichtige Grundchemikalie Glykolat zu produzieren – einen Baustein für Medikamente, Konservierungsstoffe und Polymere, der heute noch aus teils giftigen fossilen Ausgangsstoffen hergestellt wird.
Das interdisziplinäre Kooperationsprojekt PhotoKon könnte einen wichtigen Beitrag zur regionalen Bioökonomie leisten: Statt auf knappe Agrarflächen oder fossile Rohstoffe angewiesen zu sein, entstehen wertvolle Chemikalien direkt aus CO₂ und Licht. Die Forschenden setzen auf die Mikroalge Chlamydomonas reinhardtii, die sie mit neuartigen Mutationsmethoden und KI-basiertem Screening für die industrielle Nutzung optimieren.
Die drei Projektpartner haben bereits wichtige Fortschritte erzielt und arbeiten mit innovativen Ansätzen. PhotoKon erarbeitet die wissenschaftlichen Grundlagen zur Nutzung ionisierender Strahlung als neues Verfahren zur gezielten Züchtung und Optimierung von photosynthetisch aktiven Zellen.
Das Fraunhofer FEP in Dresden hat eine neuartige Mutationsmethode auf Basis niederenergetischer Elektronenstrahlung (< 300 keV) entwickelt. Prof. Simone Schopf vom Fraunhofer FEP betont: „Begleitende Dosimetrie-Experimente mit kommerziellen Filmdosimetern und hauseigenen Dosismessverfahren ermöglichen uns dabei die präzise Kontrolle der mutagenen Wirkung.“
Die Universität Leipzig konnte bereits die grundsätzliche Machbarkeit zur photokatalytischen Glykolatproduktion demonstrieren und entwickelt ein innovatives pH-basiertes Screening-Verfahren. Dieses nutzt Farbindikatoren auf Agarplatten, die sich durch die Glykolatausscheidung der Algenzellen verändern. Diese Vorgehensweise basiert auf der experimentellen Beobachtung, dass die Anreicherung des Glykolats im umgebenden Medium mit einer Verringerung des pH-Wertes korreliert.
Die TU Chemnitz erzielte bedeutende Fortschritte bei einem robotikgestützten Mutantenscreening mit KI-basierter Bildanalyse. Das Team entwickelt automatisierte Screening-Routinen, die eigenständig tausende von Algenkolonien analysieren und vielversprechende Mutanten identifizieren können.
„Diese interdisziplinäre Herangehensweise ermöglicht es uns, die natürliche Photorespiration der Algen – normalerweise ein unerwünschter Nebeneffekt – gezielt für die Glykolatproduktion zu nutzen“, erläutert Prof. Severin Sasso von der Universität Leipzig.
KI-basierte Technologie und intelligente Prozesssteuerung
Das Screening und die Isolation positiver Mutanten erfolgt durch ein KI-basiertes Bilderkennungsverfahren mit Transfer Learning-Ansätzen. Durch die Isolation vielversprechender Zellfabriken können sowohl die biologischen Grundlagen zur Wirkung ionisierender Strahlung auf die Zellen untersucht als auch die Skalierung in technischen Bioprozessen umgesetzt werden.
„Dabei streben wir einen sowohl biologisch als auch technologisch verbesserten Prozess an, der im Labormaßstab des neuen Controlled Environment Agriculture Labs der TU Chemnitz validiert werden soll“, berichtet Dr. Felix Krujatz.
Durch eine intelligente Regelungstechnik zur effizienten Produktion von Glykolat im Labormaßstab eröffnet die PhotoKon-Technologie eine Möglichkeit zur nachhaltigen und biobasierten Konversion von CO₂ in die Basischemikalie.