Amidierungen sind die häufigsten Reaktionen in der chemischen Industrie. Sie sind für eine Vielzahl industrieller Produktionsprozesse unverzichtbar – ihre ökologische Bilanz ist aber hoch problematisch: Sie erzeugen große Mengen giftiger Abfälle und sind energieintensiv. Ein Team um Dr. Tobias Schnitzer, Forschungsgruppenleiter am Institut für Organische Chemie der Universität Freiburg, nutzt Künstliche Intelligenz (KI), um innovative, boronsäurekatalytische Amidierungen zu entwickeln, die auf toxische Reagenzien verzichten, nachhaltige Lösungsmittel verwenden und mit geringem Energieeinsatz auskommen.
„Unser Ziel ist die KI-gerichtete Entwicklung eines Amidierungsverfahrens, bei dem Wasser als einziges Nebenprodukt anfällt, das kostengünstig ist und die Ressourceneffizienz in der chemischen Industrie deutlich verbessern kann“, sagt Schnitzer.
Entwicklung von Katalysatoren für die Amidierung
Rund 16 Prozent aller Reaktionen in der chemischen Industrie sind Amidierungen. Sie sind wichtig für die Herstellung von Pharmazeutika, Agrochemikalien und Polymeren und spielen eine zentrale Rolle in Feinchemikalien wie Farbstoffen, Duftstoffen und Additiven. Klassische Amidierungsverfahren nutzen Chlorierungs- und Kupplungsreagenzien, die toxisch, explosiv oder korrosiv sind und große Mengen gefährlicher Nebenprodukte erzeugen. Sie verwenden außerdem giftige und schwer abbaubare Lösungsmittel.
Das Freiburger Forschungsprojekt entwickelt neuartige Boronsäurekatalysatoren für effiziente und nachhaltige Amidierungen. Ausgangspunkt ist eine umfangreiche und strukturell diverse Katalysatorenbibliothek, die im Hochdurchsatz hinsichtlich ihrer katalytischen Aktivität untersucht wird. Die experimentell ermittelte Reaktivität jedes einzelnen Katalysators dient anschließend als Datengrundlage für die Entwicklung eines KI-basierten Vorhersagemodells. Dieses Modell ermöglicht es, die Eigenschaften und Aktivitäten von Hunderttausenden weiterer Katalysatoren vorherzusagen – ohne deren tatsächliche Synthese oder experimentelle Prüfung. Das spart bereits im Entwicklungsprozess Zeit, Energie und chemische Ressourcen.
Wirtschaftliche grüne Chemie
Ziel der Forschung ist es, hochaktive Katalysatoren zu identifizieren, die erstmals Amidierungen jeglicher Startmaterialien bei Raumtemperatur in nachhaltigen, biobasierten Lösungsmitteln ermöglichen. Damit soll ein energie- und kosteneffizientes Verfahren mit minimalem Abfallaufkommen für eine der bedeutendsten chemischen Reaktionen realisiert werden.
Die geförderte Forschungsarbeit leiste damit auch einen quantifizierbaren Beitrag, die globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu erreichen, sagt Schnitzer: „Unser Projekt zeigt, dass grüne Chemie machbar und wirtschaftlich relevant ist. Ich wünsche mir zudem, dass wir mit unserer Arbeit dazu beitragen können, das Image der Chemie zu verändern – weg von der ‚dreckigen und stinkenden‘ Wissenschaft hin zu einer sauberen und nachhaltigen Disziplin, die Innovationen liefert und Teil der Lösung für globale Herausforderungen ist.“
