Kampf um die öffentlichen Räume

Grafik:GDI Gottlieb Duttweiler Institute, Zürich

Die Grenzen zwischen «öffentlich» und «privat» lösen sich auf, und die Ansprüche an den öffentlichen Raum werden weiter steigen. Darüber hinaus werden die Städte dichter, so dass immer mehr Menschen sich immer weniger Platz teilen müssen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Gottliebs Duttweiler Institut Rüschlikon bei Zürich[1]. Im zugrundeliegenden Projekt «Future Public Space» wurde in Rüschlikon die Zukunft des öffentlichen Raumes analysiert. Die Studie zeigt weiter, dass sich gleichzeitig der städtische Raum deutlich wandelt. Neue Arbeitswelten, veränderte Mobilität und der Strukturwandel im Handel trügen dazu bei, so die Wissenschaftler weiter.  Auftraggeber der Studie ist die schweizerische ZORA (Zentrum Öffentlicher Raum)[2], eine Arbeitsgruppe des Schweizerischen Städteverbandes. ZORA vernetzt Politik, Fachleute und Verwaltungsmitarbeitende, die sich im täglichen Berufsleben mit dem öffentlichen Raum befassen. Die Trendforscher Gottliebs Duttweiler Institut hatten unlängst bereits darauf aufmerksam gemacht, dass öffentliche Räume in Städten zentral für die Lebensqualität sein. Allerdings verschwünden die Grenzen zwischen «öffentlich» und «privat» immer mehr. Firmen wie Daimler oder Nike kauften Plätze auf, und gestalten sie zu «Urban Entertainment Centern» um. Als Beispiel wird der Londoner Granary Square, der mit seinen begrünten Flächen einer Plaza nachempfunden sei und Besucher mit kostenlosem WLAN locke. Aber es handele sich eben um einen privatisierten, scheinöffentlichen Raum.  Hier wird mit freundlicher Unterstützung von Google, Instagram und Apple eine personalisierte Öffentlichkeit geschaffen. Aber damit nicht genug, äußerte sich Dr. Cordelia Polinna vom Center for Metropolitan Studies (CMS) TU Berlin.  Wachsende Ansprüche an Sicherheit, terroristische Bedrohungsszenarien sowie die Bekämpfung vermeintlich und vorhandener Kriminalität wirkten sich schon heute stark auf Nutzungsmöglichkeiten im öffentlichen Raum aus.

Dr. Cordelia Polinna Foto TU Berlin

Aber es gebe auch eine starke Gegenbewegung, um die Städte wieder in der Hand ihrer Bewohner zu geben. Inzwischen würden an vielen Orten die traditionellen Formen von öffentlichen Räumen und Grün infrage gestellt, so die Berliner Forscherin weiter. Gewünscht werde nicht mehr der perfekt gestaltete Park, sondern Flächen, die mehr Freiheit und ein breiteres Nutzungsspektrum ermöglichten. Der Streit um das Tempelhofer Feld in Berlin ist dafür ein Beleg. 2014 hat sich Berlins Bevölkerung bei einem Volksentscheid gegen die Randbebauung des Tempelhofer Feldes und für eine weitgehende Erhaltung des jetzigen Zustands ausgesprochen. Außerdem führt Polinna Community-Gärten oder saisonal zu mietende Gemüsefelder für die Selbstversorgung an. Städtische Räume neu zu definieren, werde in der Zukunft eine zentrale Herausforderung für die  Stadtentwicklung werden, denn angesichts der wachsenden Flächenkonkurrenzen und der zunehmenden Aufgaben, die Freiflächen in den Städten übernehmen müssen, wird es immer absurder, so die Wissenschaftlerin weiter, einen so großen Teil des öffentlichen Raumes dem fließenden und ruhenden Individualverkehr zu überlassen.[3]

 

[1] http://www.gdi.ch/de/think-tank

[2] https://zora-cep.ch/

[3] https://www.espazium.ch/oeffentliche-raeume-gedanken