Um die einheimischen Wildbienen ist es nicht gut bestellt – mehr als die Hälfte aller Arten ist gefährdet. LMU-Wissenschaftler haben untersucht, welche besonders anfällig sind. Spätfliegende Bienen auf dem Land sind besonders betroffen. Wildbienen sind als Blütenbestäuber ökologisch unverzichtbar und damit von enormem ökonomischen Nutzen. Doch von den über 500 Wildbienenarten in Deutschland sind mehr als die Hälfte bedroht oder lokal schon ausgestorben. Die LMU-Biologin Susanne Renner, Inhaberin des Lehrstuhls für Systematische Biologie und Mykologie sowie Direktorin des Botanischen Gartens München-Nymphenburg, hat nun mit ihrem Team anhand von Veränderungen der Roten Liste untersucht, welche Faktoren den Rückgang der Wildbienen verursachen. Ihre Ergebnisse, über die sie im Fachmagazin Proceedings of the Royal Society berichten, legen nahe, dass die Bienen in landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten vor allem im Spätsommer zu wenig Nahrung finden. Wildbienen – zu denen auch die Hummeln gehören – sammeln wie Honigbienen Nektar und Blütenstaub und spielen deshalb eine wesentliche Rolle bei der Bestäubung von Blütenpflanzen – dabei sind einige Arten sogar effektiver als Honigbienen. Hummeln etwa besuchen im gleichen Zeitraum rund drei- bis fünfmal mehr Blüten. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) gibt den monetären Wert der Insektenbestäubung in Europa auf über 14 Milliarden Euro pro Jahr an, manche Pflanzen wie Tomaten oder Glockenblumen werden ausschließlich von Wildbienen bestäubt. Aber wie aktuelle Studien zeigen, nimmt die Zahl der Insekten weltweit dramatisch ab – und das gilt auch für die Bienen. „Allgemein scheint die Artenvielfalt von Bienen aufgrund der intensiven Landwirtschaft und des verstärkten Einsatzes von Pestiziden, die sich beide negativ auf Nahrungsquellen und Nistmöglichkeiten auswirken, rückläufig zu sein“, sagt Renner. „Wir wollten herausfinden, welche Eigenschaften bestimmte Arten besonders anfällig dafür machen, lokal auszusterben.“
Für ihre Untersuchung nutzten die Wissenschaftler Veränderungen des in der sogenannten Roten Liste festgehaltenen Gefährdungsstatus einheimischer Wildbienenarten, der in Deutschland seit mehr als 40 Jahren erfasst wird. „Auf der Basis dieser Daten haben wir untersucht, welche artspezifischen Eigenschaften – etwa Habitatwahl, Pollen-Spezialisierung, Körpergröße, Nistplatzwahl, Dauer der Flugaktivität und Zeitpunkt des Auftretens während der Saison – statistisch den Gefährdungsstatus beziehungsweise das Aussterben einer Art voraussagen“, sagt Renner.
Insgesamt konnten die Wissenschaftler 445 der 561 in Deutschland bekannten Bienenarten in ihre Analyse einbeziehen und somit 79 Prozent der deutschen Bienenfauna abdecken. Dabei zeigte sich zu ihrer Überraschung, dass die Spezialisierung auf bestimmte Blüten entgegen ihrer Erwartung keinen Effekt hatte. „Zwei Faktoren allerdings waren extrem stark mit einer Gefährdung korreliert: Die Habitatpräferenz –, also die Spezialisierung auf einen Lebensraum – und eine Flugzeit erst im Spätsommer“, sagt Michaela Hofmann, Doktorandin in Renners Team und Erstautorin des Papers.
Bienenvorkommen in den Städten ist vergleichsweise stabil
Das Bienenvorkommen in den Städten ist vergleichsweise stabil, und auch die Bienen, die im Frühling ausfliegen, wie etwa die gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta), gelten als nicht gefährdet. Im Gegensatz dazu erhöhten enge Lebensraumpräferenzen, eine kurze Flugzeit und das Auftreten erst im Spätsommer das Aussterberisiko. „Den Spätfliegern – dazu gehört beispielsweise die Zahntrost-Sägehornbiene (Melitta tricincta) – vor allem auf dem Land geht es unserer Interpretation nach nicht gut, weil es dort dann nicht mehr genug Nahrung gibt. Landwirtschaftlich intensiv genutzte Flächen sind im Spätsommer von Blüten ausgeräumt, während es im Frühling wenigstens noch Massenpflanzen wie Raps und blühende Obstplantagen gibt“, sagt Renner. Dieser Faktor ist für die Wissenschaftler der wahrscheinlichste Grund für den Rückgang der Wildbienenarten in Deutschland.
Hobbygärtner können Bienen helfen
Die Förderung umweltfreundlicher Anbaumethoden, wie sie im Volksbegehren Artenvielfalt gefordert werden, könnte auch spätfliegenden Bienenarten zugutekommen, sagt Renner. Helfen würden nach Ansicht der Wissenschaftler beispielsweise eine seltenere Mahd, die Anlage von Blühstreifen oder das Stehenlassen von Ackerrandstreifen mit Ackerunkräutern. In Bayern kommen derzeit an einem Runden Tisch Initiatoren und Kritiker des Volksbegehrens zusammen, um an einem Kompromiss für den Gesetzesentwurf zu arbeiten. „Aber auch Hobbygärtner können jetzt schon Bienen helfen, indem sie auf vielfältige Hausgärten ohne Pestizide und Mähroboter setzen“, sagt Renner.