Tragende Rolle der ländliche Räume für Industrie und Handwerk

Ländliche Lebensverhältnisse im Wandel 2015: Zufahrt zum Gewerbegebiet von Spessart und Kempenich Foto: Ulrike Hochgesand/Thünen-Institut

In Deutschland ist keine Region wie die andere. Eine Studie des Braunschweiger Thünen-Instituts zeigt, dass diese Vielfalt an Standorten, Unternehmen und Angeboten viel zu Deutschlands wirtschaftlicher Stabilität beiträgt. Die ländlichen Räume spielen dabei als Standorte für Industrie und Handwerk eine tragende Rolle.

Deutschlands ländliche Räume sind sehr vielgestaltig. Strukturelle Unterschiede gibt es nicht nur zwischen Ost und West oder Nord und Süd, sondern auch innerhalb dieser Regionen. Viele Unternehmen haben sich optimal an die jeweiligen Standortbedingungen angepasst. Dr. Anne Margarian, Wissenschaftlerin am Thünen-Institut, sagt daher: „Eine besondere Stärke der deutschen Wirtschaft besteht darin, dass sie auch in der Fläche über produktive Arbeitsplätze verfügt. Auch deshalb sind räumliche und soziale Spannungen in Deutschland weniger ausgeprägt als etwa in den USA, die insgesamt eine höhere Produktivität aufweisen als Deutschland.“

Foto: Thünen Institut

Gut bezahlte Arbeitsplätze werden in ländlichen Räumen vor allem von Industrie und Handwerk bereitgestellt. Unternehmen dieser Branchen nutzen hier den Vorteil einer langfristigen Zusammenarbeit mit ihren Mitarbeitern. Beschäftigte in Industrie und Handwerk sammeln so oft über Jahre und Jahrzehnte wertvolles Erfahrungswissen. Dieses Wissen zu Märkten und Produktionsprozessen ist nicht ohne Weiteres an andere Unternehmen und Standorte übertragbar. Es legt somit den Grundstein für eine starke Stellung der Unternehmen auf den nationalen, europäischen und globalen Märkten. Die Thünen-Studie „Strukturwandel in der Wissensökonomie“ bestätigt die besondere Bedeutung des verarbeitenden Gewerbes für die wirtschaftliche Entwicklung, auch wenn es gegenüber den Dienstleistungen beständig Beschäftigungsanteile verliert.

Erfahrungsvorsprung der West-Unternehmen kaum einzuholen

Die Studie zeigt aber auch, wie schwierig es für produzierende Unternehmen in den neuen Bundesländern ist, den Erfahrungsvorsprung der Unternehmen im Westen aufzuholen. Sie müssen sich daher anders aufstellen und sind häufig in Bereichen tätig, in denen es um die Produktion großer Mengen zu möglichst geringen Kosten geht. Auf diesen Märkten herrscht eine harte, teils globale Konkurrenz. Niedrige Lohnkosten und die Verfügbarkeit gering qualifizierter Beschäftigter sind hier deshalb ein Standortvorteil. Eine solche Marktpositionierung wirkt sich kurzfristig positiv auf die Beschäftigungsentwicklung an den ländlichen Standorten des Ostens aus. Sie sollte aber mittel- und langfristig zugunsten einer wissensintensiveren Produktion überwunden werden.

Erfahrung lässt sich nicht herbei-subventionieren

Leider kann Erfahrungswissen nicht herbeisubventioniert werden, sondern muss sich in Jahrzehnten aufbauen. Es ist daher nicht sicher, ob sich in ländlichen Regionen des Ostens langfristig ähnliche Strukturen entwickeln wie im Westen. Das Ziel sollte aber angesichts der hohen wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung gut bezahlter Arbeitsplätze in der Fläche nicht leichtfertig aufgegeben werden. Daher ist es notwendig, hier stabile und auch stabilisierende Rahmenbedingungen zu schaffen. Bei größeren Umbrüchen, wie sie etwa mit der fortschreitenden Digitalisierung einhergehen könnten, kann auch eine unterstützende Begleitung der unter starken Wettbewerbszwängen stehenden Unternehmen erforderlich werden.

 

Die Studie „Strukturwandel in der Wissensökonomie: Eine Analyse von Branchen-, Lage- und Regionseffekten in Deutschland“ ist als Thünen-Report 60 erschienen. Sie ist als kostenfreier Download unter https://www.thuenen.de/media/publikationen/thuenen-report/Thuenen_Report_60.pdf erhältlich.