Witzin: „Für die blühenden Landschaften haben wir selber gesorgt!“

Kein Dorfladen, aber eine Kita mit vierzig Kindern. Keine Post und keine Bank, aber  Im Rahmen der „ 3. Fachwerkstatt zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements im ländlichen Raum, die vom Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE)  veranstaltet wurde, ging es diesmal nach Witzin.

450 Einwohner. Tendenz steigend. Witzin in Mecklenburg Vorpommern, nur circa 20 Kilometer von Güstrow und 40 Kilometer von Schwerin entfernt,  widersetzt  sich dem Trend zur Landflucht. Anfang der 2000er wurde die Kita geschlossen, dann nach kurzer Zeit wiedereröffnet, weil ein mutiger Träger sich gefunden hat, der mit nur einem Kind gestartet ist. Die Kita wurde 2006 durch die Gemeinde vollständig saniert und modern eingerichtet und im Herbst 2012 nochmals umfangreich renoviert.

Heute besuchen 40 Kinder die Kita, rund 25 davon kommen aus Witzin,  die anderen Kinder stammen  aus umliegenden Gemeinden. „ Die Dorfbewohner haben zusammengehalten und die Kita unterstützt“, so erklärt sich Bürgermeister Hans Hüller den Erfolg. Gleichzeitig ist es gelungen, leerstehenden Wohnraum in der Gemeinde mit jungen Familien zu besetzen.

Kultureller Motor der Gemeinde sind die Vereine. Sie sind Garant für ein vielfältiges Gemeindeleben. Davon ist man in Witzin überzeugt. Nur durch ehrenamtliches Engagement in den verschiedenen Vereinen ist es gelungen, das Dorf für  junge Leute attraktiv zu machen. Die Dörpschaft Witzin e.V. zum Beispiel wurde in Vorbereitung der 775-Jahrfeier von Witzin im Jahr 1996 als Heimat und Kulturverein gegründet.  Ziel war es, das kulturelle Leben im Dorf durch Traditions- und Heimatpflege und  durch Erforschung der eigenen Geschichte und der Kultur neu zu beleben. So entstand beispielsweise ein Kulturensemble mit Volkstanzgruppe, den Plattsnackern sowie dem Singkreis. Es gibt neben der Dörpschaft sechs  weitere Vereine: den Anglerverein, den Skaterverein, die Freiwillige Feuerwehr, die Kirchengemeinden, die Jagdgenossenschaft und die Ortsgruppe der Volkssolidarität.   Etwa 2/3 der Dorfbevölkerung sind heute in das Witziner Vereinsleben integriert. Nur wenige der Einwohner nutzen Witzin als reine Schlafstadt. Jeweils zu Beginn des Jahres treffen sich die Vereine, um Aktivitäten abzustimmen. Da geht es dann auch zum Beispiel um gemeinsame Dorffeste. Aber es geht um mehr. Man braucht Jugend um zu wachsen, sagt der Bürgermeister:   „Durch die vielfältigen Angebote, die wir als so kleines Dorf anbieten können, überlegen sich junge Eltern dann, in welches Dorf ziehe ich“.

Bürgermeister Hans-Hüller

Es hat lange gedauert, bis  Witzin wieder ein Dorf mit Zukunft wurde. Nach der so genannten Wende ging es in Witzin erst einmal „bergab“. Nicht nur die  jungen Leute gingen in den Westen. Arbeitsplätze brachen weg. In der Landwirtschaft sind heute nur noch 30 Menschen beschäftigt, vor der Wende waren es 300. In der Forstwirtschaft arbeitet keiner mehr. Auch Versorgungseinrichtungen wie Post und Bank gibt es nicht mehr; die damit verbundenen Arbeitsplätze ebenfalls nicht. Rund fünf Millionen Euro Fördermittel hat Witzin für die Entwicklung des Dorfes bekommen. Doch nur der Zusammenhalt und das Engagement der Bürgerinnen und Bürger, so der Vorsitzende der Dörpschaft, Wilfried Thomä, hätten  die positiven Entwicklungen erst möglich gemacht: „Wenn da Helmut Kohl von blühenden Landschaften spricht, dann muss man wissen, der Acker muss erst bereitet werden, damit ich auch eine Tulpe reinsetzen kann, dass sie dann nachher blüht. Und diesen Acker haben  wir uns alleine bestellt“.

Was die Zukunft von Witzin angeht, ist Wilfried Thomä sehr zuversichtlich. Denn die Vereine hätten keine Nachwuchsprobleme und es gelinge, die jungen Leute für die Aufgaben zu begeistern und heranzuführen.

Wilfried-Thomä, Vorsitzender-der-Dörpschaft

Damit ältere Bewohner und Bewohnerinnen  ihre Einkäufe in der nächst größeren Stadt wie Güstrow erledigen können oder den Arzttermine wahrnehmen  können, wird ein Bürgerbus eingesetzt. Dazu wird  ganz einfach das örtliche Feuerwehrauto genutzt. Mitglieder des Feuerwehrvereins betreuen somit ehrenamtlich den Bürgerbus.

„Als nächsten Schritt planen wir ein Betreutes Wohnen aufzubauen, damit die älteren Menschen ihr gewohntes Umfeld beibehalten können“, erläutert Bürgermeister Hans Hüller, der von der svz.de einmal als „Wessi, der im Osten regiert“ portraitiert wurde,  die Zukunftspläne für Witzin.

Dank Hans Hüller und den Gemeindevertretern ist es in Witzin wieder etwas heller geworden. Aus Kostengründen hatte man hier die nächtliche Straßenbeleuchtung ausgeschaltet. Doch  die Kosten für die Beleuchtung konnten deutlich reduziert werden, weil man hier auf sparsamere Energiesparleuchten umgestellt hat. Statt rund 4500 Euro kostet das nur noch rund 1700 Euro. Und nicht einmal Fördermittel wurden dazu benötigt. Und darauf ist man hier  besonders stolz.

 

2016 wurde Witzin mit dem Deutschen Engagementpreis 2016 in der Kategorie „Generationen verbinden“ ausgezeichnet.

https://www.deutscher-engagementpreis.de/