Agrarlandschaften und Klimawandel beeinflussen sich gegenseitig

DFG-Forschungsgruppe an der Uni Hohenheim ermöglicht präzisere Klimavorhersagen und sorgt dafür, dass sich die Folgen von Anpassungsstrategien nun besser abschätzen lassen. | Bildquelle: Universität Hohenheim / Jan Winkler

Agrarlandschaften und Klimawandel beeinflussen sich gegenseitig – doch bisher hat die Klimaforschung diesen Zusammenhang kaum beachtet. Die DFG-Forschungsgruppe „Regionaler Klimawandel“ hat ihn sieben Jahre lang erforscht. Ein Ergebnis ihrer Forschung: Wenn man die Kulturpflanzen bei der Klimasimulation berücksichtigt, sind die Klimaprognosen wesentlich präziser. Die Methode dafür ist bereits jetzt in ein weltweit verwendetes Klimamodell eingeflossen. Hinzu kommt, dass man mit den neuen Erkenntnissen besser abschätzen kann, welche Folgen Anpassungsstrategien an den Klimawandel haben.

Zwei unterschiedliche Landschaften Südwestdeutschlands dienen als Modell: der Kraichgau und die Mittlere Schwäbische Alb. Sie unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht: Der Kraichgau wird intensiv ackerbaulich genutzt und weist ein mildes Klima auf, die Mittlere Schwäbische Alb dagegen ist kühler, niederschlagsreicher und wird extensiver v.a. als Grünland genutzt. Deshalb hat die DFG-Forschungsgruppe „Regionaler Klimawandel“ an der Universität Hohenheim sie ausgewählt, um an ihnen exemplarisch zu untersuchen, wie sich diese Agrarlandschaften unter dem Klimawandel künftig entwickeln.

Der Kraichgau mit seinen fruchtbaren Lößböden wird intensiv ackerbaulich genutzt. Aufgrund seiner Beckenlage ist er durch ein mildes Klima mit vergleichsweise hohen Temperaturen und moderatem Niederschlag gekennzeichnet. Die Mittlere Schwäbische Alb mit ihrem karstigen Untergrund weist dagegen extensive Grünlandnutzung und Ackerbau auf. Das Klima ist infolge der Höhenlage und der Orographie kühler und niederschlagsreicher als im Kraichgau.

Sieben Jahre lang, mit einem Vorläufer-Projekt über zehn Jahre, haben die Forscherinnen und Forscher Daten erhoben, etwa zu Temperaturen, Niederschlägen, Bodenwasser, Energie, CO2, verschiedenen Pflanzeneigenschaften oder der organischen Substanz im Boden. Zusätzlich haben sie Daten aus Fernerkundungen, der statistischen Ämter und des Deutschen Wetterdienstes eingespeist.

Bisherige Klimasimulationen weisen Schwächen auf

„Mit diesem riesigen Datenschatz aus mehr als zehn Jahren ging es ans Rechnen“, erläutert Prof. Dr. Thilo Streck, Sprecher der DFG-Forschungsgruppe. „Denn das Klima auf der einen Seite und das System Boden-Pflanze, die Landnutzung und die Anpassungen der landwirtschaftlichen Betriebe beeinflussen sich gegenseitig. Und das haben die Modelle, mit denen man das Klima der Zukunft simuliert, bisher kaum berücksichtigt.“

Foto: Uni Hohenheim

Bis dato verwendeten die Klimamodelle bei der Landnutzung den aus Satellitenbildern abgeleiteten Status quo aus Referenzjahren und ließen ihn bei ihrer Simulation konstant bis ins Jahr 2100. Das sei nicht realistisch, denn die Vegetationsentwicklung ändert sich in Reaktion auf den Klimawandel. „Doch bei frühdeckenden Kulturen wie Wintergetreide ist der Wasser- und Energieaustausch mit der Atmosphäre anders zeitlich verteilt als bei spätdeckenden wie Mais“, erklärt Prof. Dr. Streck, „und das hat einen Einfluss auf Wetter und Klima.“

Hochleistungsrechnen für präzisere Klimasimulationen

Mit Hilfe von Hochleistungsrechnern haben die Forscher verschiedene Computermodelle verknüpft und sie anhand von Daten aus der Vergangenheit getestet. Mit Erfolg: „Die Modelle beschreiben jetzt besser, wie sich das Klima entwickelt“, so Prof. Dr. Streck. Das ist nun auch international etabliert: Ein weltweit verbreitetes Computermodell zur Wettervorhersage und Klimamodellierung ist das „Weather Research and Forecasting Model“ (WRF). Seit letztem Jahr berücksichtigt es mit der Hohenheimer Methode die Vegetation, nämlich den Weizen – und liefert seitdem präzisere Simulationen: Um rund 1°C kommen die simulierten Lufttemperaturen den realen jetzt näher, besonders im Norden Deutschlands. Und das ist noch nicht alles: Um die Modelle noch weiter zu verbessern, speisen die Forscher weitere Faktoren ein: Aussaatzeiten etwa, die sich zudem mit dem Klimawandel ändern, oder agronomische und ökonomische Anpassungen der Landwirte. So verändert der Klimawandel beispielsweise Fruchtfolgen: Auf der Schwäbischen Alb, zeigen die Ergebnisse, wird es künftig weniger Gerste und mehr Winterweizen geben. Sie wird zum Weizenstandort.

Darstellung von Eddies an einem Messturm (© G.Burba/Wikipedia)

Wissen um die Folgen von Anpassungsstrategien ermöglicht gezielte Interventionen

Diese Anpassungsstrategien sind eine weitere Fragestellung, die die DFG-Forschungsgruppe auf ihrer Agenda hat. Dank ihrer Arbeit kann man jetzt besser abschätzen, welche Folgen die Anpassungen haben können.  Auf der Mittleren Schwäbischen Alb und im Kraichgau, den beiden Modellregionen, hat in den letzten zehn Jahren der Silomaisanbau für Biogasanlagen stark zugenommen. Das, so die Forscher, hat zu Kohlenstoffverlusten von rund einer Tonne pro Jahr und Hektar geführt, was die Bodenfruchtbarkeit beeinträchtigt. „Künftig können wir besser vorhersagen, wie sich die organische Substanz im Boden in Abhängigkeit vom Klimawandel entwickelt“, versichert der Sprecher der Forschungsgruppe.

Meteorologische Messstationen mit Eddy-Kovarianz-System: Die Eddy-Kovarianz-Methode erlaubt die direkte Messung des Energie-, Wasser- und Spurengas-austauschs zwischen der Landoberfläche und der bodennahen Atmosphäre. Die Methode beruht auf der Annahme, dass diese vertikalen Flüsse auf räumlich begrenzten Turbulenzen, so genannten Eddies, beruhen.

„Wir können abschätzen, welchen Beitrag dies zur Entstehung von Treibhausgasen leistet und wie sich die Fruchtbarkeit des Bodens entwickelt.“ Dies alles kann als wertvolles Werkzeug dienen: „Wenn man weiß, wie sich Anpassungsstrategien auswirken, kann man gezielt verschiedene Handlungsoptionen durchspielen“, betont Prof. Dr. Streck. „Das ist vor allem für die Politik sinnvoll – denn so kann sie gezielte Steuerungsinstrumente entwickeln.“