Ganz gegen den Trend zeigt sich eine Schmetterlingsart dieses Jahr besonders häufig: Der farbenprächtige Distelfalter wurde beim „Insektensommer“ des NABU dreimal so oft gesehen wie 2018. Grund ist ein Masseneinflug aus dem Süden. Der Distelfalter ist einer der wenigen fast über den ganzen Erdball verbreiteten Schmetterlinge. Unsere mitteleuropäischen Winter mag er allerdings nicht, denn er verträgt keinen Frost. Jedes Frühjahr wandern die Distelfalter deshalb neu aus dem Süden ein, mal sind es mehr, mal weniger.Während des Zuges lassen sich in einer Stunde Dutzende oder auch mal über hundert Falter beobachten.
Die Grund-Zugrichtung dürfte bei den Distelfaltern genetisch vorgeprägt sein, sonst würde die Migration nicht generationenübergreifend funktionieren. Laborversuche mit Kunstlicht zeigen, dass sich die Falter im Flug weitgehend an der Sonne orientieren. Passt die Grundrichtung, fliegen Tiere gerne entlang von Landschaftsstrukturen. Das können auch Eisenbahntrassen sein, wie etwa in Potsdam, wo die Distelfalter nicht nur über offene Strecken flogen, sondern immer die Gleise entlang selbst mitten durch den Hauptbahnhof – einschließlich Unterführung.
Die aktuelle Einwanderung ist die stärkste seit zehn Jahren. Um herauszufinden, wie umfangreich der Zuflug ist und wo überall die Distelfalter vorbekommen, ist jede Sichtung von Interesse. Mindestangaben sind dabei der genaue Ort und die Anzahl der Falter, hilfreich sind Zusatzinfos über die Flugrichtung – soweit auf dem Zug –, das Verhalten und eventuell besuchte Pflanzen. Die ausgewachsenen Distelfalter sind fast ständig unterwegs. Die Fortpflanzung findet aber natürlich an einem Ort statt, denn Eier und Raupen bleiben fest an und bei der jeweiligen Nahrungspflanze. Erst wenn der fertige Falter schlüpft, wird die Mehrgenerationenreise fortgesetzt. Meldungen über die Fortpflanzung, also Eiablage, Raupen sowie Art der Raupenfutterpflanze oder gerade schlüpfende Distelfalter, sind besonders wertvoll.
Der NABU und sein Partner naturgucker.de wollen den spektakulären Einflug nutzen, um mehr Informationen über die Falter zu gewinnen. Insektenfreunde sind aufgerufen, ihre Distelfaltersichtungen zu melden, seien es Zufallsbegegnungen oder gezielte Nachsuche. So wird man nicht nur Zeuge eines faszinierenden Naturschauspiels, sondern hilft auch mit, es zu dokumentieren.
Inzwischen sind die Falter in vielen Regionen Deutschlands angekommen, wobei der Zuzug noch bis Ende Juni anhalten kann. Bald legen die Distelfalter ihre Eier ab, im Juli und vor allem im August schlüpft so die nächste Generation. Im Spätsommer ziehen diese Falter dann wieder nach Süden. Naturfreunde haben also noch einige Wochen Gelegenheit, Distelfalter zu beobachten.