Die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion bedroht vor allem den Artenreichtum in den Tropen. Eine neue Studie zeigt, welche Folgen die Ausweitung oder Intensivierung von Ackerbau auf globale Agrarmärkte und Biodiversität hat.
In den kommenden Jahren wird die landwirtschaftliche Produktion global weiter steigen müssen, um den wachsenden Bedarf durch sich verändernde Konsummuster zu decken. Dazu können entweder die bestehende Ackerfläche intensiver genutzt oder Agrarflächen expandiert werden. Welche Zielkonflikte sich dabei für die Ernährungssicherung und dem Erhalt der Biodiversität ergeben, haben Forscherinnen und Forscher der LMU, des Instituts für Weltwirtschaft Kiel, des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung und der Palacký Universität Olomouc, Tschechien, unter Berücksichtigung globaler Agrarmärkte untersucht.
„Landwirtschaft ist weltweit einer der größten Treiber von Biodiversitätsverlusten. Produktionszuwächse gehen fast immer auf Kosten der Biodiversität. Aber es wirkt sich unterschiedlich aus, ob und wo die Landwirtschaft expandiert oder intensiviert wird“, sagt Dr. Florian Zabel vom Lehrstuhl für Geographie und geographische Fernerkundung der LMU.
Die Forscher haben in interdisziplinärer Zusammenarbeit untersucht, wo es unter zukünftigen klimatischen und sozio-ökonomischen Bedingungen profitabel sein wird, die landwirtschaftliche Produktion durch Intensivierung oder Expansion zu steigern und welche Folgen dies jeweils für die Artenvielfalt und die Agrarmärkte haben wird.
„Bei gleicher Menge an zusätzlicher Nahrungsmittelproduktion zeigen unsere Ergebnisse, dass eine Expansion der landwirtschaftlichen Flächen die Biodiversität um ein Vielfaches stärker gefährdet als eine Intensivierung, da sie vor allem jene Regionen trifft, in denen die Artenvielfalt weltweit am höchsten ist, etwa in Zentral- und Südamerika“, sagt Dr. Tomáš Václavík vom Department für Ökologie und Umweltwissenschaften der Palacký University Olomouc.
Eine Intensivierung der Landwirtschaft auf bereits bestehenden Anbauflächen wird dagegen besonders die Artenvielfalt in Afrika südlich der Sahara gefährden.
Während die Artenvielfalt nur in Regionen gefährdet wird, in denen mehr Nahrungsmittel produziert werden, profitieren alle Länder von sinkenden Nahrungsmittelpreisen infolge des globalen Produktionszuwachses, auch dort, wo lokal wenig zusätzlich produziert wird.
„Brisant an dem Ergebnis ist, dass über den Welthandel zwar alle Regionen von sinkenden Nahrungsmittelpreisen profitieren, wie beispielsweise Nordamerika und die EU, die Biodiversität jedoch hauptsächlich in Entwicklungsländern in tropischen Regionen gefährdet ist“, sagt Dr. Ruth Delzeit vom Institut für Weltwirtschaft Kiel.
Auch hier wirken sich Intensivierung und Expansion unterschiedlich aus: Während die Ernährungssicherung in einigen Regionen, wie zum Beispiel Indien und Afrika südlich der Sahara, vor allem durch Intensivierung verbessert wird, profitieren Menschen in süd- und zentralamerikanischen Staaten, wie zum Beispiel Brasilien, hauptsächlich durch Expansion von geringeren Nahrungsmittelpreisen. Dies geht dort jedoch insbesondere auf Kosten der Biodiversität.
Schutz von Biodiversität in bereits genutzten, bewirtschafteten Landschaften muss etabliert werden
Die Studie zeigt außerdem, dass die heutigen Schutzgebiete größtenteils nicht die Regionen mit einer hohen Artenvielfalt abdecken, die für einen möglichen Ausbau der landwirtschaftlichen Flächen identifiziert wurden. „Die meisten Flächen mit hohem Artenreichtum, die für die Expansion und Intensivierung der Landwirtschaft in den kommenden Jahren in Frage kommen, sind derzeit nicht geschützt. Wir empfehlen deshalb, über globale Mechanismen nachzudenken, in denen Land als limitierte Ressource klar anerkannt wird. Zudem muss der Schutz von Biodiversität in bereits genutzten, bewirtschafteten Landschaften etabliert werden“, sagt Professor Ralf Seppelt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Nur so kann der Spagat bewältigt werden, sowohl den Artenreichtum zu schützen als auch die landwirtschaftliche Produktion zu steigern.