Die Beteiligung von Bürgern an wissenschaftlichen Projekte boomt. Die so genannte Citizen Science ermöglicht es der Wissenschaft, mit viel größeren Datenmengen als bisher zu arbeiten und damit zu besseren Forschungsergebnissen zu kommen. Kritische Faktoren sind allerdings die Sicherstellung der Qualität der eingereichten Daten und die anhaltende Motivation engagierten Laien. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Team unter der Federführung von Didone Frigerio von der Konrad Lorenz Forschungsstelle für Verhaltens- und Kognitionsbiologie der Universität Wien. Citizen Science erfährt in der Wildtierbiologie einen starken Aufschwung und ist ein vielversprechender Ansatz, um neue Wege der Kooperation zwischen Gesellschaft und Wissenschaft einzugehen. Didone Frigerio und ihre Kollegen aus Österreich, Tschechien und Deutschland stellen vier Fallstudien in Europa und Afrika vor, die zeigen, wie die Einbindung von Bürgerenin die Wissenschaft gelingen kann.
Schüler beim Verhaltensbeobachten (Copyright: Archiv KLF).
Bürgerwissenschaft findet beispielsweise zwischen Forschungs- und Bildungseinrichtungen statt. Kooperationsprojekte der Universität für Bodenkultur und der Universität Wien integrieren SchülerInnen unterschiedlicher Altersklassen beim Monitoring von Kleinsäugern, Vögeln und Insekten und beim Durchführen von Interviews mit der Bevölkerung. „Der größte Vorteil dabei liegt in der Zusammenarbeit von Natur-, BildungswissenschafterInnen und der lokalen Bevölkerung, der durch das breite Netzwerk und die Kooperation mit Schulen entsteht, von der alle Akteure profitieren können“, so Silvia Winter von der BOKU.
Naturfreunde aus Tschechischen Republik nahmen an einem Projekt zur Erfassung der Gesänge einer heimischen Vogelart, der Goldammer, mit Hilfe von Smartphones teil. Erst durch die flächendeckende Kartierung der Gesänge war es den Wissenschaftern möglich, Dialekte der Vögel zu erkennen und geographisch einzuordnen. „Der Erfolg unseres Projektes motivierte Wissenschaftern in anderen Ländern wie der Schweiz und Polen, ebenfalls Bürgern in die Erfassung von Goldammer-Gesängen einzubinden“, so Pavel Pipek und Lucie Diblikova von der Karls Universität in Prag und der Tschechischen Akademie der Wissenschaften.
Bürgerwissenschafts-Projekte generieren auch Informationen, wie sich Wildtiere in Städten bewegen und an urbanes Gebiet anpassen. Das Projekt „Füchse in der Stadt“ erfasst Verhalten und Lebensraumnutzung der Tiere in Abhängigkeit von Stadtstruktur und menschlicher Aktivität in Berlin. In dieser Fallstudie steht die Bedeutung von Medienzusammenarbeit im Vordergrund. „Die kontinuierliche Begleitung des Projektes in Fernsehen und Radio trug wesentlich zur Rekrutierung der ehrenamtlichen Mitforschenden und zur Kommunikation der Forschungsziele nach außen bei“, erklärt Sophia Kimmig vom Leibniz Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) in Berlin.
In Namibia sind Geparde eine Bedrohung für die Rinderfarmer, und die Einbindung der Farmer in die langjährigen Forschungsarbeiten führte zur neuen Lösungsansätzen, um Mensch-Tier-Konflikte zu reduzieren. „Die stets sachliche und datenbasierte Kommunikation mit den Farmern, die Integration ihres Wissens und ihrer Daten in unsere Arbeit sowie die Langfristigkeit des Projekts führten zu gegenseitigem Vertrauen. Dieses Vertrauen ist einer der wichtigsten Aspekte unserer Zusammenarbeit und letztendlich auch der Schlüssel zum Schutz der Geparde“, sagen Bettina Wachter und Jörg Melzheimer vom Leibniz IWZ.
Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass zwei Faktoren zum Erfolg führen: „Eine große Herausforderung von Bürgerwissenschaften ist die Qualität und Verlässlichkeit der Daten, die andere das Aufrechterhalten der Motivation der Bürgern, über einen langen Zeitraum Daten zu erheben“, erklärt Didone Frigerio. Letzteres ist insbesondere dann sichergestellt, wenn die Bürgern gleichzeitig Stakeholder sind und somit ein eigenes Interesse an den Forschungsresultaten haben. Darüber hinaus ist die Motivation am besten dadurch zu erhalten, wenn die Bürgern die Fortschritte der Forschung öffentlich sehen können.
Anbringen eines GPS-Halsbandes und Blutabnahme bei einem narkotisierten Gepard in Namibia (Copyright: Bettina Wachter).
Eine gute Einführung in die Arbeitsaufgaben und regelmäßige Kontrolle der Daten durch die Wissenschaftler garantiert eine hohe Datenqualität. In der Konrad Lorenz Forschungsstelle untersuchen Biologen beispielsweise das Verhalten der Graugänse unter Einbindung von Kindern. Die Datenqualität der Kinder bei einfachen Aufgaben liefert gleichwertige Ergebnisse zu jenen der Forschenden.
„Damit sich aber Citizen Science auch dauerhaft in der Wissenschaft etablieren kann, braucht es zusätzlich noch die breite Anerkennung dieser neuen Form der Zusammenarbeit innerhalb der Wissenschaft“, so Anett Richter vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und vom Deutschen Zentrum für Integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) in Leipzig, Deutschland.