Die Landwirtschaft hat nicht nur das Potenzial, sondern auch die Verpflichtung, ihren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Die Bereitschaft dazu ist groß, und technische Möglichkeiten sind vorhanden. Allerdings sei eine Null-Emissionen-Produktion von Lebensmitteln nicht denkbar, weil in offenen biologischen Systemen gearbeitet wird. In diesen Punkten waren sich Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft und landwirtschaftlicher Praxis einig. Damit war der Grundkonsens der Fachtagung „Klimawandel – Was kann die Landwirtschaft tun?“ schnell gefunden. Die Veranstaltung, die gestern in Braunschweig stattfand und vom Thünen-Institut und der Landwirtschaftskammer Niedersachsen ausgerichtet wurde, war mit 250 Gästen ausgebucht.
Für die niedersächsische Landesregierung stehen Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Mittelpunkt zahlreicher Projekte. Das betonte Rainer Beckedorf, Staatssekretär im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium, der als Beispiel das 2017 beschlossene Düngepaket nannte. „Mit dessen vollständiger und konsequenter Umsetzung werden wir die Stickstoffüberschüsse senken und die Nährstoffkreisläufe schließen“, erklärte Beckedorf. Das verbessere die Nährstoffeffizienz und verringere die Treibhausgasemissionen deutlich.
Der Politiker sprach auch die Kohlendioxid-Emissionen aus landwirtschaftlich genutzten entwässerten Moorböden an. „Um die zu reduzieren, haben wir mehrere Projekte initiiert mit dem Ziel, Grundlagen für eine moor- und klimaschonende Bewirtschaftung zu schaffen“, so Beckedorf. Er zeigte sich zuversichtlich, dass die landwirtschaftliche Praxis die Erkenntnisse aus den Projekten annehme und umsetze. „Ich bin sicher, dass die Landwirtinnen und Landwirte den eingeschlagenen Weg mit uns weitergehen werden.“
An das Pariser Übereinkommen erinnerte Dr. Wolfgang Zornbach vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL): „Im Rahmen der internationalen Übereinkunft wurde 2015 vereinbart, die Erderwärmung bis 2050 auf unter zwei Grad Celsius, besser sogar auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.“ Und er betonte: „Die Landwirtschaft muss ihren Einsparverpflichtungen ebenso nachkommen wie andere betroffene Sektoren“. Als Beispiele nannte er Verkehr, Energie und Bauwirtschaft.
Das BMEL hat nach Aussagen Zornbachs einen Zehn-Punkte-Plan zur Reduzierung der klimaschädlichen Emissionen vorgeschlagen, mit dem die für Landwirtschaft und Wald definierten Klimaschutzziele bis 2030 zu erreichen seien. Mit Hinweis auf den laufenden Diskussions- und Entscheidungsprozess ging Zornbach nicht ins Detail. Er rechnet aber mit einer hohen Akzeptanz. Die Maßnahmen seien „so weit wie möglich auf Kostenneutralität und auf die Nutzung von Synergien aufbauend ausgerichtet“.
Anschließend zitierte Prof. Dr. Heinz Flessa vom Thünen-Institut aus dem Entwurf des Klimaschutzplans 2050 der Bundesregierung. Danach soll „die deutsche Landwirtschaft ihre Treibhausgasemissionen um rund ein Drittel gegenüber 1990 verringern“. Aktuell verursache die Quellgruppe Landwirtschaft etwa sieben Prozent der Treibhausgasemission in Deutschland. Bei Lachgas (N2O, 81 %) und Methan (CH4, 60 %) sei die Landwirtschaft – ebenso wie beim indirekt klimarelevanten Ammoniak (NH3, 95 %) – der größte Emittent. Diese Gase stammten überwiegend aus dem Stickstoffmanagement und der Nutztierhaltung. Außerdem entstünden Treibhausgase in Höhe von vier Prozent der deutschen Emissionen aus der landwirtschaftlichen Nutzung entwässerter Moorböden. Dabei handele es sich vor allem um Kohlendioxid (CO2).
„Um die Lachgas-Emissionen zu mindern, muss in erster Linie der Stickstoff in allen Produktionsschritten möglichst effizient eingesetzt werden“, erklärte der Wissenschaftler.
Und er skizzierte weitere Lösungsansätze: Der Ammoniakausstoß in den Bereichen Düngung, Stallanlagen und Wirtschaftsdüngerlagerung könne durch zahlreiche technisch-organisatorische Maßnahmen verringert werden, die gleichzeitig auch die Sickstoffeffizienz verbesserten. Und um den Austrag von Methan aus Lagern von Wirtschaftsdüngern zu verringern, empfahl Flessa die Erstverwertung der tierischen Ausscheidungen (Gülle) zur Biogasproduktion. Bei Moorstandorten sieht er zur Anhebung des Wasserstandes kaum eine Alternative, um die CO2-Emissionen zu reduzieren. Dass die Landwirtschaft in besonderer Weise vom Klimawandel betroffen sei, daran erinnerte Gerhard Schwetje.
„Neben der Anpassung an dieses Phänomen ist der Klimaschutz und damit die Reduzierung von Treibhausgasen ebenso wichtig für die Bäuerinnen und Bauern“, sagte der Präsident der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Er wies darauf hin, dass die Emissionen der Landwirtschaft größtenteils auf natürlichen Prozessen beruhen und deshalb auch immer mit der Emission von Treibhausgas verbunden sind. „Eine klimaneutrale Milchproduktion kann es nicht geben!“, nannte Schwetje dazu ein Beispiel.
Während die Treibhausgasemissionen der niedersächsischen Landwirtschaft in den zurückliegenden Jahren nahezu konstant geblieben seien, habe sich die produzierte Menge landwirtschaftlicher Erzeugnisse deutlich erhöht. „Heute können wir in Deutschland Lebensmittel mit einem vergleichsweise kleinen CO2-Fußabdruck erzeugen“, so der Kammerpräsident. „Mit der Produktion einer vergleichbaren Lebensmittelmenge belasten unsere Landwirte das Klima weniger stark als Landwirte in anderen Regionen der Welt.“ Er halte es deshalb für falsch, die landwirtschaftliche Produktion aus „vermeintlichen Klimaschutzgründen“ hier zu drosseln und in weniger klimaeffizient arbeitende Regionen zu verlagern. Schwetje appellierte an die Politik, bei ihren Überlegungen zum Klimaschutz die Emissionen, die aus Produktionsverlagerungen resultieren, zu berücksichtigen.
Mit betriebsindividuellen Klimabilanzen helfe die Kammer den Landwirten, ihren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Dazu sei das Programm TEKLa (Treibhaus-Emissions-Kalkulator-Landwirtschaft) entwickelt worden, mit dem bereits viele Beratungsorganisationen deutschlandweit arbeiten würden. Das Interesse der landwirtschaftlichen Praxis sei sehr groß. „Aus unseren rund 400 Beratungen wissen wir, dass sich viele Klimaschutzmaßnahmen rechnen“, sagte Schwetje, der darin eine wichtige Antriebsfeder für die Umsetzung der Kammer-Empfehlungen sieht. Das durchschnittliche Vermeidungspotenzial der untersuchten Betriebe lag bei 50 t Treibhausgas (CO2-Äquivalente) je Betrieb und Jahr.