In unserer neuen Kategorie Regionalität wollen wir Themen aus dem Bereich der Regionalforschung vorstellen. Wir werden Land und Leute vorstellen, über Initiativen und Projekte berichten, aber auch ganz grundlegende Fragen stellen. Mit einer möchten wir heute beginnen: Regionalität und Lebensmittel Teil 1.
Produkte aus der Heimat seien bei den deutschen Verbrauchern gefragter denn je. Auch bei den populären Handelsmarken scheint der Markt für regional produzierte Artikel längst noch nicht gesättigt zu sein, stellt der Handelsmarkenmonitor fest. Diese Monitoruntersuchung wird jährlich vom international tätigen Marktforschungsunternehmen Ipsos und der Lebensmittel Zeitung, Frankfurt, veröffentlicht. Die Mehrheit der Konsumenten (69%) hoffe, bei zukünftigen Einkäufen ein noch umfangreicheres Angebot an regionalen Produkten in den Läden vorzufinden. Die Regionalität der Produkte sei den Käufern von Eigenmarken aber nicht nur persönlich ein immer größeres Anliegen, so der Handelsmarkenmonitor weiter, vielmehr nähmen die Menschen inzwischen auch bei Handelsmarken einen zunehmend stärker werdenden regionalen Bezug wahr.
Vier von zehn Befragten (41%) stellten fest, dass Handelsmarken immer öfter einen regionalen Bezug zur eigenen Heimat herausstellten. Was sich liest wie eine gute Entwicklung, hat aber auch eine andere, wohl sehr deutsche Seite: Die Regionalität und Nachhaltigkeit von Eigenmarken werde zwar allgemein als immer wichtiger erachtet, solle aus Verbrauchersicht aber dennoch nicht zu Preissteigerungen führen. Nicht einmal jeder Zweite (47%) würde für Handelsmarkenprodukte aus sozial und ökologisch verantwortungsvoller Herstellung mehr Geld bezahlen.
Trotz des Geizes kann man hier der Einschätzung des Regionalforschers Prof. Karl Martin Born von der Universität Vechta folgen, der sagt: „Ganz offenbar lässt sich beobachten, dass der Begriff der Regionalität im Einzelhandel, besonders im Lebensmitteleinzelhandel, eine immer größere Rolle spielt. Man kann vielleicht davon sprechen, dass „Regional“ das neue „Bio“ ist.“
Und in der Tat, Regionalität schein Bio tatsächlich den Rang abzulaufen. Nach einer Analyse der internationalen Data And Analytics Group YouGov zur Regionalität als Kaufkriterium bei Lebensmitteln liege Bio abgeschlagen auf Platz Fünf. Bei der Auswahl von Lebensmitteln achteten 42 Prozent der Deutschen auf die regionale Herkunft. Wichtiger seien nur Frische mit 52 und Zuckergehalt mit 47 Prozent. Anbau und Aufzucht folgten mit 29 Prozent und erst dann komme Bio mit 25 Prozent. Aber was meint der Verbraucher mit diesem Handeln? Die Schwierigkeit hier, so Prof. Born aus Vechta, sei, dass der Begriff der Region in keiner Weise geschützt oder abgegrenzt ist. Und der Wissenschaftler gibt ein Beispiel: „Niemand weiß, wie groß die Region Bayern ist und wenn man dann in Franken regionale Milch aus dem Allgäu erhält, dann wird schon deutlich, dass diese Begrifflichkeit nicht mit dem positiven Gedanken übereinstimmen muss.“ In der Tat: Von Oberstorf bis Würzburg sind es Luftlinie 266 Kilometer. Die Fahrtstrecke der Waren liegt bei 311 Kilometer.
Der Begriff Region ist nicht geschützt und nicht verbindlich
Ein nachdenklich machendes Beispiel, das einen weiteren Blick in die Literatur und die Nachschlagewerke nötig macht. Wikipedia beispielsweise lässt uns wissen: „Lokale bzw. regionale Lebensmittel sind Lebensmittel, die in derselben Region erzeugt und verbraucht werden. Dabei ist der Begriff „Region“ als solcher weder geschützt noch gibt es eine allgemein verbindliche Definition oder Norm. Das Thema wird als Marketingkonzept, in der regionalen Strukturpolitik und unter ökologischen Aspekten diskutiert.“ Ein verlockendes Angebot zur Kundentäuschung, der beispielsweise die ZDF Sendung Zoom in beeindruckender Art und Weise auf die Schliche gekommen ist. Ein vierwöchiger Selbstversuch der Autorin zeigt, von wirklicher Regionalität der Produkte kann keine Rede sein.
Die schwierige Nähe zur Heimat
Da bleibt nur der Weg zum Direktvermarkter, der allerdings, um die Ansprüche eines Normalhaushaltes zu befriedigen, mit langen Wegen und entsprechend ökologischen Zweifel belastet ist. Dabei könnte doch alles so gut und positiv sein, wie es der Tiroler Verein KochArt, eine Vereinigung von Wirten, die Produkte von heimischen Bauern und Produzenten verarbeiten und besonders gekennzeichnet in ihren Speisekarten ausweisen, beschreibt: Regionalität verringere den Transport von Lebensmitteln quer durch Europa, gewährleiste eine artgerechte Tierhaltung, schaffe gesunde wirtschaftliche Voraussetzungen und Arbeitsplätze in der Region. Und neben dieser ganz praktischen Wirkung werden die Tiroler auch philosophisch und bescheinigen der Regionalität, dass sie Fairness und Zusammenhalt herstelle, nachhaltig für kommende Generationen wirke und stolz auf die Heimat mache. Dem definitorischen Unschärfen und Abgründen von Regionalität und Heimat werden wir uns noch gesondert widmen. Apropos: Die Tiroler Initiative wird übrigens unterstützt vom Österreichischen Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus.